Web

Jahresrückblick 2003 Januar bis März

Als die IT-Branche erwachsen wurde (I)

29.12.2003

FEBRUAR

Die Commerzbank will ihren IT-Bereich Investment-Banking an Big Blue auslagern. Da bereits die Deutsche Bank ihre IT-Infrastruktur in die Hände der IBM geben will, scheint es in der Bankenlandschaft einen umfassenden Trend zum Outsourcing zu geben. Am Ende des Jahres werden wir schlauer sein um die Erkenntnis, dass manches einschlägige Projekt auch grandios scheitern kann.

Ungewohnte Nachrichten tönen aus Langen bei Frankfurt: Dell, ewiger Highflyer der Computerbranche, will 180 von 680 Mitarbeitern in seiner deutschen Dependance entlassen. Privatkunden und kleine Hersteller sollen sich künftig bei Fragen an ein Call-Center in der Slowakei wenden.

Mittlerweile ein fast schon lieb gewonnener medialer Begleiter geworden ist die Berichterstattung über Microsoft und gegen das Unternehmen angestrengte abgeschlossene, noch laufende, neu eingereichte - jedenfalls Klagen, Prozesse, einstweilige Verfügungen etc. wegen wettbewerbsrechtlicher Fehlverhaltensweisen. Irgendwie geht jeder davon aus, dass das Geschäftsgebaren der Gates-Company selten koscher ist - irgendwie hat man sich aber daran gewöhnt. Umso mehr wird man aufgeschreckt, wenn ein Interessenvertreter wie der US-Industrieverband Computer & Communications Industry Association (CCIA) vorstellig wird, um Microsoft zu schuriegeln. Diesmal geht die Beschwerde an die EU-Kommission. Es wird sich zeigen, dass diese Offensive durchaus bedrohlich ist.

Für einen Oldie der Computerszene wird es im Februar eng: Groupe Bull soll bis Mitte 2003 eine Staatsanleihe in Höhe von 466 Millionen Euro an die französische Regierung zurückzahlen. Im abgelaufenen Jahr 2002 erlitt der Traditionsunternehmen aus Frankreich einen heftigen Verlust von 549 Millionen Euro. Jetzt sucht das Unternehmen verzweifelt einen neuen Investor, nachdem die alten (NEC, Motorola, France Télécom) bereits abgewunken haben. Bulls Chairman Pierre Bonelli steht vor einer heiklen Aufgabe.

Ein Aufsteiger des Internet-Booms wird langsam auf Normalmaß reduziert: Vignette, Lieferant für Web-Content-Management-Lösungen, sieht sich wachsender Konkurrenz ausgesetzt. Außerdem kämpft das einstige Vorzeigeunternehmen der New Economy wegen einiger geplatzter Projekte um sein gutes Renommee.

Gedacht hatte man es sich immer schon, Ende Februar wurde es Gewissheit: Das Internet ist unsicherer, als viele wahrhaben wollen. Visa und Mastercard müssen eingestehen, dass Online-Kriminelle rund acht Millionen Kreditkartennummern in ihren Besitz gebracht hatten. Offiziell, erforschten Analysten der Aberdeen Group, gebe es weltweit 200.000 gemeldete Vorfälle von Datenklau im Internet. Die Dunkelziffer soll bei mehr als 15 Millionen Angriffen liegen.

Das drittgrößte europäische IT-Serviceunternehmen, Getronics, ist hoch verschuldet. Darüber stolpern CEO Peter van Voorst und Finanzchef Jan Docter. Van Voorst arbeitet seit sage und schreibe 34 Jahren bei dem Amsterdamer IT-Dienstleister. In der IT-Szene gilt man normalerweise mit 34 Lebensjahren schon als angegraut. Jetzt muss er gehen.

Sie mögen sich nicht, und sie sagen das auch ganz offen: Microsoft und Oracle sind beide erfolgreich und sich nicht grün. Eins haben sie aber gemeinsam: Beide müssen mit erheblichen Sicherheitslücken in ihren Kernprodukten kämpfen. Gerade erst hatte Microsoft ein Debakel mit dem "Slammer"-Wurm erlebt, jetzt weisen Oracles Datenbank und Applikations-Server gravierende Sicherheitslücken auf.