Alleskönner gesucht

25.04.2007
Von Hadi Stiel
IT-Berater mit Branchen- und Prozesswissen sind derzeit begehrt. Nach Jahren der Entlassungen und Stagnation werben alle Consulting-Häuser und Dienstleister um die gleiche Klientel.

Der Markt für IT-Beratung zieht an. Für dieses Jahr erwarten die zehn wichtigsten Anbieter ein Wachstum von etwa sieben Prozent, wie die Marktforscher von Lünendonk ermittelten. Wer sich für einen Ein- oder Umstieg in die Beraterbranche interessiert, hatte schon lange nicht mehr so gute Chancen wie heute. Große IT-Dienstleister und -Beratungen suchen zum Teil Hunderte neuer Mitarbeiter. Die Marktforscher von IDC prophezeien: Der Bedarf an hochwertigen Beratungsleistungen in Innovations- und auf das Wachstum im Kerngeschäft ausgerichteten Kundenprojekten, dazu die fortschreitende Paketierung von Consulting- und Outsourcing-Leistungen, werden die Branche beflügeln.

Hier lesen Sie ...

• wer IT-Consultants sucht;

• was Berater beherrschen müssen, um Karriere zu machen;

• warum Berater unter erhöhtem Erfolgsdruck stehen.

Kunden kontrollieren die Beraterleistungen stärker

Seit der Markt für IT-Projekte überdurchschnittlich wächst, sucht auch HP wieder neue IT-Berater. 80 Stellen für Absolventen und Erfahrene hat Jutta Schneider, Director Consulting & Intergration (C&I) bei HP in Deutschland, zu vergeben. Besonders gefragt seien Berater, die sich im SAP-Umfeld auskennen und den Kunden helfen, ihren Geschäftsauftritt zu verbessern. "Das Wissen um Geschäftsprozesse ist dafür unverzichtbar", sagt Schneider. In ihren Augen sollten die neuen IT-Berater "gleich doppelt flexibel sein": Sie müssen bereit sein, in zunehmend internationalen Projekten zu reisen und sich immer wieder neue Themen zu erarbeiten. Denn der Wandel durch neue Geschäftsmodelle und Technologien sei rasant.

Dabei wächst der deutsche IT-Markt eher verhalten. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, erwartet für dieses und nächstes Jahr ein Wachstum der Nachfrage nach ITK-Produkten von jeweils 2,9 Prozent. Gewinner gibt es dennoch. "Der anziehende IT-Markt spielt den Marktführern in die Hände", sagt Andreas Ziegenhain, Deutschland-Chef von Siemens IT Solutions and Services. "Softwaregrößen wie SAP, Microsoft, Oracle und IBM haben ihre Produktpalette vor allem durch Zukäufe in den vergangenen Jahren erheblich verbreitert. Außerdem haben sie die Marktposition, um Industriestandards zu setzen."

Diese anbietergetriebene Standardisierung erlaube den Kunden, ihre IT-Landschaften zu harmonisieren, Betriebsaufwände und -kosten zu drücken sowie parallel ihre Geschäftsprozesse zu verbessern. IT-Berater mit Projekterfahrung speziell in den Technologien der Marktführer, gepaart mit fundiertem Prozess- und Branchenwissen, sind deshalb auch bei der Siemens-Dienstleistungstochter heiß begehrt. Zumal sich der Siemens-Konzern verstärkt auf Branchen ausrichtet.

Die IT-Beratungshäuser und -Dienstleister suchen Alleskönner, die die IT und das Geschäftsprozess-Soll unter einen Hut bringen. "Die Berater müssen sich in die geschäftliche Situation ihrer Unternehmenskunden hineindenken können und eng mit den Fachabteilungen zusammenarbeiten", fordert Rudolf Kuhn, Mitglied der Geschäftsleitung von Logica CMG in Deutschland, das bis Ende des Jahres 400 neue Berater einstellen will. "Dazu sollten die Consultants das richtige Standing haben ebenso wie fundiertes Wissen über die Branche, die geschäftlichen Abläufe, Sicherheits- und Compliance-Anforderungen."

Diese Forderung kommt nicht von ungefähr, da die Unternehmen die Leistungen der externen Berater stärker kontrollieren als früher. Ein Prozess, den einst Berater selbst angestoßen haben. "Jetzt stehen auch die Berater in der Pflicht, mit dem Projekt die gesteckten Geschäftsziele nachweislich zu erreichen", sagt Kuhn. Zusätzlichen Druck erzeugen Zuliefererlisten bei den Kundenunternehmen, die nur noch wenige Partner zulassen. Nur wer darin aufgeführt ist, hat eine Chance, sich den nächsten Auftrag zu holen.

IT-Consultants müssen auch Fachabteilungen beraten

"Die Unternehmen erwarten heute von einem Berater, dass er im Projektverlauf für die Fachabteilungen in die Bresche springt", sagt Lars Weimer, verantwortlich für Informationssicherheit im Bankenbereich bei Ernst&Young. Das werde vor allem in Bezug auf Informationssicherheit und Compliance verlangt. Denn in beiden Punkten seien die Fachabteilungen meist hoffnungslos überfordert, rekapituliert Weimer seine Projekterfahrungen: "Hier muss der Berater den Fachabteilungen mit einer verlässlichen Klassifizierung ihrer Geschäftsdaten mit Blick auf Integrität, Vertraulichkeit, Verfügbarkeit sowie Controlling- und Rechtskonformität professionell zuarbeiten."

Gartner denkt über Einstieg ins Beratungsgeschäft nach

Damit Informationssicherheit und Compliance nach dem Projekt verlässlich und verbindlich etabliert seien, müsse ein Berater in puncto Architektur und Applikationssicherheit technisch fit sein. Laut Weimer achten die Kunden verstärkt auf nachweisbares Fachwissen in Form von Zertifizierungen wie CISSP (Certified Information Systems Security Professionals) und fordern eine strukturierte Vorgehensweise nach Standards wie IT-Grundschutz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und ISO 27001/ 17799. Dadurch verstärke sich der Druck auf die Berater, auch solche Anforderungen erfüllen zu müssen.

Hartmut Lüerßen, Geschäftsführer von Lünendonk, stößt ins gleiche Horn: "IT-Berater, die Erfolg haben und Karriere machen wollen, müssen die Technologie und das Geschäft des Kunden einschließlich aller spezifischen Randbedingungen aus dem Effeff beherrschen." So müsse beispielsweise dem Berater klar sein, wie sich die einzuführenden Anwendungen oder Funktionen auf das Geschäft auswirkten. "Dieser Spagat zwischen Spezialistentum und Geschäft des Kunden ist enorm", räumt Lüerßen ein. "Für einen Berater mit Karriereambitionen ist er dennoch unausweichlich." Wer das schaffen wolle, müsse sich , nicht nur im Job, ständig weiterbilden.

Aber nicht nur viele IT-Berater, sondern auch Beratungshäuser und IT-Dienstleister haben bisher nicht genug für die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter getan. Ganz im Gegenteil: In den vergangenen Jahren haben sie viele ihrer Berater entlassen. Jetzt haben sie alle Mühe, die Beratungslücken mit besonders qualifiziertem und belastungsfähigem Personal zu schließen - zumal immer mehr Akademiker auswandern. Unter den 145000 Deutschen, die 2005 in ein anderes Land zogen, befanden sich viele Junge und Hochqualifizierte. Ziel solcher Migranten sind meist die USA. Denn dort sind nicht nur die Weiterbildungsmöglichkeiten besser, sondern auch die Gehälter höher und Steuern sowie Sozialabgaben niedriger. "Dort, wo es in ihrer Macht steht, wie bei der Wei- terbildung, werden viele Beratungshäuser und Dienstleister einiges mehr investieren und tun müssen, um genügend qualifizierte Kräfte zu gewinnen beziehungsweise wieder zurückzugewinnen", prognostiziert Lüerßen.

Den Nachholbedarf schnellstens decken: Das sollten die Beratungshäuser und Dienstleister schon im eigenen Interesse tun, um ihre Kunden im Bemühen um bessere Geschäftsprozesse unterstützen zu können. "Mit der Optimierung der Prozesse wächst die Abhängigkeit der Unternehmen von einem wirtschaftlich und reibungslos funktionierenden Geschäftssystem", unterstreicht Schneider von HP. Weil die Geschäftsabläufe immer wieder internen wie externen Veränderungen angepasst werden müssten, werde Beratung für viele Unternehmen zum ständigen, unverzichtbaren Begleiter. "Business-IT-Alignment sowie den permanenten Wandel in den Griff zu bekommen ist für die Unternehmen das Topthema", bestätigt Siemens-Manager Ziegenhain. "Sie brauchen dazu mehr denn je Berater, die die IT und das Geschäft des Anwenders konzeptionell und technisch durchdringen und anschließend kompetent begleiten."

Der schnelle Wandel ist für Frank Gens, Senior Vice President of Research bei IDC, indes hausgemacht. "Die Marktführer setzen ihre unerbittliche Jagd nach Wachstum fort. Das führt zu den vielen umwälzenden Veränderungen." Und die Softwaregrößen wie SAP, Microsoft, IBM, HP und CA? Sie engagieren sich verstärkt im Consulting, um ihr Produkt- und Dienstleistungsgeschäft und dadurch den Wandel und Absatz zu forcieren. Nach der Erhebung von Lünendonk haben die Top Ten derzeit insgesamt über 32 000 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste. Zehn Prozent davon sind als IT-Berater unterwegs. Auch die Gartner Group zeigt sich nicht abgeneigt, ins Beratungsgeschäft einzusteigen und sich geschäftstüchtig in die Zielvorgaben der IT-Größen einzuklinken. Verkaufsfördernde Auftritte bei den Anbietern lässt sich das mit Abstand weltgrößte Analystenhaus mit einem Tagessatz bis zu 15000 Euro vergolden. (am)