Kolumne

"Alles bleibt, wie es ist"

02.04.2004
Christoph Witte Chefredakteur

Die Verurteilung Microsofts durch die EU-Kommission (siehe Seite 16) ist nicht mehr als eine Geste. Sowohl gegen die Strafzahlung als auch gegen die Trennung von Betriebssystem und Media Player sowie gegen die Auflagen zur Offenlegung verschiedener Schnittstellen hat Microsoft bereits Widerspruch angekündigt. Unter Experten gilt als wahrscheinlich, dass die erste Instanz des Europäischen Gerichtshofs die Auflagen der Kommission bis zu einer "inhaltlichen Klärung" aussetzen wird. Vier oder sogar fünf Jahre könnten also ins Land gehen, bis die Angelegenheit letztinstanzlich erledigt ist.

Dann hat sich die Welt der Betriebssysteme und Applikationen bereits weitergedreht. Ob Microsoft den Media Player nun in sein Betriebssystem integrieren darf oder nicht, wird bis dahin keine Rolle mehr spielen. Das Urteil hätte genauso wenig Auswirkungen wie die verschiedenen Consent Decrees, die Microsoft mit der US-Justiz aushandelte. Dem letzten aus dem Jahr 2002 war auch ein jahrelanges juristisches Gezerre vorausgegangen, an dem wahrscheinlich nur die Anwälte ihre Freude hatten. Das späte Eingreifen der Justiz und das ewige Hin und und Her kostete den früher starken Browser-Konkurrenten Netscape die Existenz - Kollateralschaden der juristischen Auseinandersetzung quasi. An den Marktverhältnissen änderte es nichts, nur darf man Microsoft seitdem ungestraft auch öffentlich als Monopolisten bezeichnen.

Das Verdikt von EU-Kommissar Mario Monti offenbart ähnliche Schwächen. Es bezieht sich notwendigerweise auf Microsofts Verhalten in der Vergangenheit und trachtet danach, der IT-Industrie Geschäftschancen zu eröffnen, die Microsoft schon längst zunichte gemacht hat. Kassiert der europäische Gerichtshof die Auflagen der Kommission nicht, müsste sich Microsoft zudem in Europa anders verhalten als in den USA. Schnittstellen, die Microsoft hier der Konkurrenz offenzulegen hat, müssten in den Staaten nicht angetastet werden.

Das klingt nicht nur ziemlich idiotisch, sondern ist wahrscheinlich auch schwer durchzusetzen. Schon deshalb wäre es wünschenswert, wenn Kartellrechtsfälle von globaler Bedeutung auch weltweit einheitlich geregelt würden. Heute ziehen unterschiedliche Beurteilungen auch noch diplomatische Querelen nach sich, wie sie sich jetzt zwischen Europa und den USA andeuten.

Das gravierendste Problem besteht allerdings darin, dass Microsoft jetzt nicht aufhören wird, weitere Funktionen in sein Betriebssystem zu integrieren. Schließlich betrachtet der Softwareriese - und viele Kunden, die die bequeme und scheinbar kostengünstige Nutzung der Features schätzen - genau das als Innovation. Wettbewerbsvorteile im Applikationsmarkt entstehen für Microsoft nicht zuletzt dann, wenn das Unternehmen das Zusammenspiel von Fremdprodukten mit dem eigenen Betriebssystem schwieriger gestaltet. Wer das verhindern will, muss Microsoft zerschlagen - in eine Applikations-Company und einen Betriebssystem-Spezialisten. Die Analysten des englischen Marktforschers Ovum vergleichen Letzteren mit einem Energieversorgungsunternehmen in einem regulierten Markt. Eine passende Analogie: In diesem Fall müsste Microsoft genauso wie den Versorgern nicht nur exakt vorgeschrieben werden, zu welchen Konditionen und Preisen sie ihre Produkte anzubieten haben, sondern auch, wie sie sich gegenüber anderen Marktteilnehmern verhalten müssen.

Da aber ein solches Szenario wohl nicht realistisch ist, wird in Sachen Microsoft alles bleiben, wie es ist.