System-Management/System-Management als Antwort auf Produktivitätseinbußen?

Alle streben Integration und Repository-Zugriff an

27.09.1996

Die Netzwerkadministratoren haben den Markt nach einer Plattform abgesucht, die das gesamte Unternehmen abbildet, innerhalb einer Client-Server-Umgebung verteilt arbeitet und alle Geräte vom Desktop bis zum Mainframe managen hilft. Aber bislang gibt es keine einzige System-Management-Lösung, die alle Bedürfnisse heutiger verteilter Client-Server-Umgebungen berücksichtigt. Anwender haben das zugrundeliegende Prinzip "Plug & Pray" benannt. Und Hersteller sagen: "Wir arbeiten noch daran. Aber nächstes Jahr, mit dem nächsten Release werden wir Ihre Probleme lösen." Warum diese Diskrepanz zwischen Bedarf und Lösungskompetenz? Dafür gibt es zwei Ursachen: Zum einen sind die Anforderungen an die Produkte hoch, zum anderen werden die Anwenderunternehmen entsprechend gefordert.

Das bedeutet, daß die gesuchten Lösungen Programmpakete vorweisen müssen:

-die über das gesamte Unternehmen hinweg, also auf allen Hard- und Software-Systemplattformen einsatzfähig sind,

-die gut integriert sind und

-nur wenig Personal benötigen. Außerdem soll die Management-Software: - individuell anpaßbar sowie

-leicht zu ändern sein,

-sehr gute Reports ergeben,

-automatisierte Prozeduren und ein

-Selbst-Monitoring durchführen können.

Auch sollten Remote-Zugriffsmöglichkeiten selbstverständlich sein.

Offensichtlich will man nur noch mit echten Client-Server-Tools arbeiten und einen nachweislichen Return-on-Investment haben.

Heutige Kunden wissen tatsächlich sehr gut Bescheid und äußern ihren Lieferanten gegenüber häufig äußerst komplexe Wünsche. Die Anwenderfirmen haben alle mit wesentlich weniger festem Personal auszukommen, stehen unter hohem Kostendruck, haben kleinere Budgets und sehr viel umfangreichere Endbenutzerzahlen. Sie beginnen in ungleich höherem Maße mit dem Einsatz tatsächlicher "Mission-Critical Applications" und leben mit schnelleren Update-Zyklen.

Diese Umweltfaktoren betreffen alle Komponenten eines integrierten System-Management-Angebots. Nur wenige Anwender wie zum Beispiel die Bayerische Vereinsbank oder Ciba Geigy versuchen, ein durchgehendes Konzept vom PC zum Mainframe zu realisieren. Die meisten Unternehmen installieren nach und nach einzelne Produkte eines gedachten Portfolios, das sie im Verlauf der Zeit komplettieren möchten.

Angesichts dieser Bedarfslage schätzt die Gartner-Group das Wachstum des System-Management-Marktes bis zum Jahr 2000 pro anno auf mehr als 20 Prozent, wobei der Gipfel des Wachstums im Jahr 1997 gegeben sein könnte.

Dies erklärt auch die unterschiedlichen Positionen der System-Management- Komponenten auf einer gedachten "Hitliste". Spitzenreiter sind und bleiben das LAN-Management sowie die Verwendung von LAN-Tools für Administrations- und Diagnoseaufgaben. Hier verdreifachen sich Gartner zufolge die weltweiten Installationszahlen (siehe Tabelle). Auf den Positionen drei und vier der Hitliste stehen Hilfen für das Backup und die elektronische Softwaredistribution. Auch in dem Bereich rechnen die Analysten mit einer knappen Verdreifachung des Marktvolumens. Stiefkinder - und das läßt Schlimmes ahnen - sind das Output-Management sowie das Accounting. Dabei ließe sich wahrscheinlich gerade auf diesem Sektor am meisten von der Produktivität zurückgewinnen, die durch den unkontrollierten Sprung in dezentrale Umgebungen verlorengegangen ist. Beispielsweise bietet die Syskoplan, München, auf der Basis von SAP R/3 eine nahezu komplette Lösung für das hausinterne Accounting aller DV-Leistungen eines Unternehmens für seine Töchter, Abteilungen oder Business Units.

Zwei andere Produktkategorien, die bei gutem Einsatz meßbare Produktivitätsgewinne erbringen, werden ebenfalls nicht entsprechend ihrer tatsächlichen Bedeutung eingestuft: 53 Prozent aller internationalen Großfirmen haben ihre Helpdesks mit Softwareunterstützung geplant, und weitere 14 Prozent planen den Kauf derartiger Werkzeuge, was eigentlich recht wenig ist. Ähnlich sieht es im Bereich Software für die Bestandsverwaltung von Computerinstallationen aus. 52 Prozent aller internationalen Großunternehmen haben eine Lösung zur Verwaltung ihrer Hardware, 49 Prozent eine Software-Licensing-Prozedur und 47 Prozent Software-Distributions-Mechanismen installiert.

Schätzungen gehen davon aus, daß die großen Unternehmen im Verlauf der nächsten fünf Jahre Beträge zwischen anderthalb und siebeneinhalb Millionen Mark in System-Management investieren werden.

Diese Zahlen und das prognostizierte Marktwachstum von mindestens 20 Prozent pro Jahr sollte die Hersteller dazu motivieren, in die Komplettierung ihrer Produkte zu investieren. Das geschieht oft über den Zukauf von fehlenden Komponenten (IBM kauft Tivoli etc.). Ohne erheblichen Folgeaufwand für die Integration dieser Komponenten als ganzheitliche Lösung lohnen derartige Investitionen nicht sonderlich.

Gemeinsames Bestreben der Hersteller von System-Management-Tools ist, daß ihre jeweiligen Einzellösungen miteinander integriert laufen und auf ein gemeinsames Repository zugreifen. Vor kurzen war es noch so, daß nur 15 von 131 Produkten der HP-Solution-Partners für HPs "Open View" mit Open View integriert ablaufen konnten. Daß die Hersteller bei ihren Integrationsaufgaben auf neue Standards warten, erscheint wenig sinnvoll. "Simple Network Management Protocol II" (SNMPII) scheint vielen Herstellern zu wenig robust und zu komplex für die geforderten Zwecke zu sein.

Insgesamt teilt sich der Markt auf in Anbieter von Plattformen oder Frameworks, mit Nischen für kleinere Lösungsanbieter. Etablierte Framework-Anbieter sind: HP mit "Open View", Sun Microsystems mit "Solstice", Cabletron mit "Spectrum" und IBM mit "Systemview". Interessant ist, daß alle kompetenten Framework-Anbieter umfangreiche Industriepartnerschaften eingegangen sind. Zu den Herausforderern im Bereich der Frameworks zählen nun Computer Associates mit "Unicenter", DEC mit "Polycenter", Microsoft mit dem "SMS Server", Novell mit "Managewise" und Interchip mit "Maincontrol".

In bezug auf ihren Marktanteil liegen Sun mit zuletzt 36,8 Prozent und HP mit 35,3 Prozent in deutlicher Führung.

Auf dem Gebiet Helpdesk teilen sich sechs kleinere Firmen ein Stück des Kuchens: Lysis mit "System 2100", Answer Systems Division mit "Apriori", "MagicSolutions/Support Magic2, Astea mit "PowerHelp", Clarify mit "Clear Express Web Support" und Novell mit "Managewise".

Welche Hersteller werden überdauern und profitabel agieren? Zunächst einmal muß man sagen, daß der System-Management-Markt ein konservatives Segment in der DV-Branche ist. Die hier tätigen Firmen haben einen hohen Dienstleistungsanteil und werden daher auch an der Börse nicht bevorzugt, sondern konservativ bewertet. Exzellentes Technologie-Know-how gilt als Grundvoraussetzung, nicht als Alleinstellungsmerkmal. Die Fähigkeit, Industriepartnerschaften einzugehen, ist unerläßlich, denn alleine kann sich in diesem Markt keine Firma durchsetzen. Weitere wichtige Voraussetzungen sind Kapital und Beweglichkeit sowie schnelle Reaktion auf Kundenwünsche und Markterfordernisse. Wie es aussieht, dürfte Sun langfristig Marktanteile an HP verlieren IBM wird ihren Stammkundenkreis nicht wesentlich erweitern, wohingegen Computer Associates heute noch vielfach weit unterschätzt wird. Gleiches gilt im Hinblick auf Microsoft. Andererseits haben Cabletron und Novell weniger gute Chancen auch die Zukunft von DECs "Polycenter" steht in den Sternen.

Es lohnt, die Strategie von Microsoft und Novell hier einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Novell könnte zunächst einmal das System-Management als "Schutzwall" begreifen, um den vermutlich erodierenden Marktanteil von Netware zu stabilisieren. Die kostensparende und betont einfache "Manageability" einer Netware-Umgebung könnte viele Kunden von dem Vorhaben abbringen, auf NT Server als Netzwerk-Betriebssystem überzuwechseln. Das Netware-Alleinstellungsmerkmal der Directory Services ist zum einen ein Vorsprung auf Zeit und andererseits für die installierte Basis im Mittelstand jedoch nicht sonderlich erstrebenswert. Novell hat darüber hinaus an so vielen Fronten zu kämpfen, daß zu befürchten steht, daß dem Thema System-Management hausintern nicht genügend zentrale Bedeutung beigemessen wird und der Bereich zuwenig interne Ressourcen zugeteilt bekommt. Letztlich genügt es jedoch nicht, ein LAN Management-Tool abzuliefern wer in der Oberliga spielen will, muß heterogene Plattformen beherrschen.

Microsoft hat das erkannt und weist dem System-Management offenbar einen entsprechend hohen Stellenwert zu. Innerhalb der Backoffice-Produktlinie hat der SMS Server sehr gute "Umgebungsbedingungen", das heißt vorhandene Software wie die Admin-Funktionen im NT Server oder die Funktionalität des SNA-Servers für die Mainframe-Connectivity. Interessant ist weiterhin, daß Microsoft mit dem SMS Server keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern sich das Produkt in andere, größere System-Management-Lösungen einbetten läßt. Es ist nicht anzunehmen, daß Microsoft das Segment System-Management in den nächsten fünf Jahren dominieren wird doch sollte sich der Wettbewerb genau damit beschäftigen, welches Preis-Leistungsverhältnis hier "bottom up" in den Markt geschoben wird. Die Auswirkungen werden insgesamt zu spüren sein.

AnbieterEine Auswahl:

Hewlett-PackardComputer AssociatesIBMTivoliLegentCandleNovadigmPlatinum TechnologiesSterling SoftwareBoole and BabbageBMC Software

CompuwareQuelle: Gartner Group

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Die meisten Anwenderunternehmen installieren nur schrittweise ein gedachtes Produkt-Portfolio für ihr System-Management, das sie mit der Zeit komplettieren möchten. Der Markt stellt ihnen ohnehin keine einzige System-Management-Lösung zur Verfügung, welche alle Bedürfnisse heutiger verteilter Client-Server-Umgebungen berücksichtigt. So sind die Anforderungen in doppelter Hinsicht hoch: zum einen an die Anwenderunternehmen selbst, die immer komplexere Systeme mit immer weniger Geld und Personal managen müssen zum anderen, was die Programmpakete betrifft. Die Analysten der Gartner Group prognostizieren für dieses Marktsegment bis zum Jahr 2000 ein Wachstum von 20 Prozent und spannende Entwicklungen - speziell in der "Oberliga", wo die großen Player unter sich sind.

*Susanne Müller-Zantop ist seit zwölf Jahren als Analystin in der DV-Industrie tätig und lebt in München..