Elektronische Marktplätze/Swisscom integriert SAP und Commmerce One Buysite

Alle Macht dem Front-Office: B-to-B-Anwendung steuert ERP-System

01.12.2000
Die Swisscom realisierte als Pilot-Unternehmen die Integration für Beschaffungprozesse zwischen SAP R/3 und Commerce One Buysite. Dabei setzten die Schweizer auf eine Software, deren Konzept sich von herkömmlichen EAI-Lösungen (Enterprise Application Integration) deutlich unterscheidet. Reto von Arb* schildert das Vorgehen.

E-Procurement ist in aller Munde, und das Internet fungiert als der Schlüssel, um die Geschäfts- und insbesondere die Beschaffungsprozesse mit den Zulieferern über Unternehmensgrenzen hinweg zu optimieren. Produktkosten lassen sich so um bis zu 15 Prozent, Prozessausgaben um 90 Prozent und Lieferzeiten um 70 Prozent senken. Auch die Swisscom AG versteht das Web als Chance, das teure Beschaffungswesen zu rationalisieren. 1999 begann der Schweizer Kommunikationsdienstleister damit, einen eigenen B-to-B-Marktplatz aufzubauen: Conextrade heißt die Online-Handelsplattform, die im März 2000 ihren Betrieb aufgenommen hat. Sie diente zunächst der konzerneigenen Einkaufsabteilung als E-Procurement-Lösung.

Den Anfang machten Transaktionen mit so genannten indirekten oder C-Gütern wie etwa Büromaterial, PDA (elektronische Agenden) oder DV-Zubehör. Diese haben jährlich ein Handelsvolumen von rund 200 Millionen Franken. Mehrere Lieferanten wie zum Beispiel die Waser Bürocenter AG oder die Comdirect AG sind bereits an den Marktplatz angeschlossen. In einer zweiten Realisierungsphase gibt Conextrade weiteren Unternehmen die Möglichkeit, ihr Beschaffungswesen auf das Web zu verlagern und effizient mit weltweiten Geschäftspartnern zu handeln. In einer dritten Stufe dehnt die Swisscom das Angebot von Conextrade auf kleine und mittelständische Unternehmen aus. Darüber hinaus will das Unternehmen Zusatzdienste wie Zahlungsabwicklung und Logistik integrieren. Derzeit arbeitet man mit strategischen Partnern wie der Schweizer Post an entsprechenden Konzepten.

Im Herbst 1999 fiel die Entscheidung, einen B-to-B-Marktplatz auf den Lösungen Marketsite und Buysite von Commerce One aufzubauen. Die Einrichtung der Buysite-Plattform nahm das Competence Center SAP (CC SAP) am Berner Hauptsitz der Swisscom in Angriff, nachdem bereits vorher Erfahrungen mit der Implementierung einer anderen E-Procurement-Lösung gesammelt werden konnten. Die vorrangige Herausforderung bestand darin, die konzerneigene Einkaufsabteilung als ersten Großkunden nahtlos mit Conextrade zu verknüpfen. Dazu war die Software über eine zuverlässige Schnittstelle mit dem SAP-System, das die Einkaufsabteilung primär nutzt, zu integrieren. SAP R/3 dient der Swisscom bereits seit 1995 als Rückgrat ihrer Systemlandschaft. Rund 9000 Mitarbeiter greifen auf die unternehmensweite ERP-Lösung zu. Im Einsatz sind neben dem Modul für Materialwirtschaft auch die Komponenten für Projekt-Management, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling und Vertrieb sowie das Business Warehouse.

Eine Eigenentwicklung der notwendigen Konnektoren und Adapter für die Schnittstelle zwischen Buysite und R/3 kam für das CC SAP nicht in Frage. Schließlich hat sich im SAP-Umfeld der Swisscom seit Jahren der Grundsatz bewährt, möglichst wenige Anwendungen und Komponenten selbst zu erstellen und stattdessen auf Standardsoftware zu setzen. Dieses Vorgehen spart vor allem im Pflegezyklus von Applikationen Zeit. Darüber hinaus ist es im Rahmen einer solchen IT-Strategie wesentlich einfacher, die IT-Infrastruktur ständig an die aktuellen Marktbedingungen und Technologien anzupassen.

Die Swisscom entschied sich, die Integration mit der Technologie des Actional Control Broker (ACB) anzugehen. Bereits in verschiedenen anderen Projekten hatte man im Hause positive Erfahrungen mit dieser Standard-Lösung gemacht: 1999 integrierte das Team das R/3-System über den ACB mit einem Webshop für Wiederverkäufer sowie mit einem Swisscom-weiten ProduktdatenManagement-System. Darüber hinaus wurde das R/3-System damit an eine neu entwickelte Anwendung für Kundeninformationen angebunden. Seit Januar 2000 können die Call-Center-Mitarbeiter des Unternehmens jederzeit auf die im R/3-System vorhandenen Kundendaten zugreifen.

Die besondere Herausforderung bestand darin, für einen reibungslosen Ablauf von Einkaufsprozessen über System- und Unternehmensgrenzen hinweg zu sorgen. Die Swisscom benötigte eine Integration, die zum einen Buysite in die Lage versetzt, in R/3 Zielkontierungen zu überprüfen, Bestellungen abzusetzen und Wareneingänge zu buchen. Zum anderen war eine Verbindung gefragt, die es R/3 erlaubt, SAP-Bestellnummern an die Commerce-One-Lösung rückzumelden. Kurzum: Das Entwicklungsteam musste es sowohl R/3 als auch Buysite ermöglichen, die jeweils andere Anwendung zu steuern und dort Prozesse in Gang zu setzen.

Herkömmliche EAI-Lösungen leisten dies nicht. Bei ihnen handelt es sich um Many-to-Many-Architekturen, die über eine eigene (redundante) Prozesslogik verfügen, um Daten zwischen Anwendungen zu übertragen. Auf diese Weise streben sie eine universelle Kommunikation zwischen einer Vielzahl von Applikationen an. Ihnen gelingt es jedoch in der Regel nicht, die "Integrationsschwäche" von Back-Office-Anwendungen wie etwa SAP R/3 oder eigenentwickelten Anwendungen zu überwinden. Traditionelle EAI-Lösungen integrieren solche Applikationen nur insoweit, dass diese selbst andere Applikationen für den Außenkontakt mit Zulieferern und Kunden steuern können. Die Kontrollkompetenz der Front-Office-Applikationen bleibt eingeschränkt: Sie sind ihrerseits nicht in der Lage, Prozesse in ERP-Systemen oder Datenbanken anzustoßen.

Die ACB-Technologie verfolgt eine ganz andere Strategie: Sie verbindet ausgewählte Applikationen mit standardisierten Schnittstellen, die wartungsarm und leistungsfähig sind. Dazu bietet die Software fertige Konnektoren und Adapter für eine Vielzahl gängiger Standards zur Kommunikation zwischen Anwendungen: RFC von SAP, Corba, COM/DCOM, Bea Tuxedo, EJB, XML und andere. Auf diese Weise versetzt ein ACB eine Applikation in die Lage, als natürliches Modul jeder anderen Anwendung aufzutreten. Das Resultat sind direkte Verbindungen zwischen Anwendungen, über die jede Applikation die jeweils andere steuern und kontrollieren kann.

Mit der Integration zwischen dem SAP R/3 und Commerce One Buysite betrat das CC SAP der Swisscom Neuland. Als weltweit erstes Entwicklungsteam realisierten die Schweizer verschiedene Schnittstellen zur Steuerung der E-Procurement-Prozesse über die standardisierten Schnittstellen-Objekte der beiden Lösungen: die BAPIs des ERP-Systems und die Open-APIs des B-to-B-Marktplatzes. Obwohl das Integrationsteam des CC SAP als Vorreiter auf etliche bisher unbekannte Anforderungen stießen, lief die Realisierung der Schnittstelle weitestgehend reibungslos ab. Relativ kurzfristig war das Projekt abgeschlossen. Dabei profitierte das Berner CC SAP von der zuverlässigen Technologie des ACB, von seiner Erfahrung im Umgang mit der Software und generell mit der Integration von SAP mit anderen Applikationen sowie vom Support durch Actional.

Konsistenter Belegfluss gewährleistetDarüber hinaus erwies sich der ACB beim Aufbau der Schnittstelle als anwenderfreundliche und übersichtliche Lösung: Alle Objekte zur Beschreibung von Geschäftsprozessen lassen sich unabhängig von ihrer Systemumgebung anzeigen. Entwickler haben die Möglichkeit, in der jeweils bevorzugten Sprachsyntax zu programmieren. Die SAP-Spezialisten arbeiten also auch dann in der BAPI-Semantik, wenn sie Schnittstellen-Elemente auf der Seite von Commerce One erstellen.

Die Integration über den ACB läuft seit Inbetriebnahme des B-to-B-Marktplatzes zuverlässig. Durch die Integration des Geschäftsprozesses vom Käufer bis zum Lieferanten kann ein konsistenter Belegfluss für eine weitgehend automatisierte Rechnungsprüfung gewährleistet werden. Dies gilt auch nach den weiteren Ausbaustufen von Conextrade. Pilot-Installationen und Leistungstests haben gezeigt, dass die Anbindung auch bei einem größeren Transaktionsvolumen zuverlässig und leistungsfähig ist.

Im Wartungszyklus werden einige Vorzüge des Control Broker gegenüber handgestrickten Lösungen sichtbar:

- die Anbindungen haben einen sehr geringen Wartungsaufwand;

- Release-Wechsel oder veränderte Geschäftsprozesse geraten nicht zum Großprojekt;

- die Technologie ist flexibel;

- Schnittstellen lassen sich mit wenigen Mausklicks anpassen und erweitern.

*Reto von Arb war Head of SAP Integration und stellvertretender Leiter des Competence Center SAP der Swisscom AG; mittlerweile wurde er Mitgründer und ist heute Teilhaber der Firma Novaintegra AG in Biel-Bienne (Schweiz).

Abb: Die ACB-Technologie verbindet ausgewählte Applikationen mit standardisierten Schnittstellen. Quelle: Swisscom