Qualitätszirkel sind ein Mittel zur Arbeitsplatzsicherung:

Alle Aspekte des leistungspotentials nutzen

22.04.1983

BONN - 10 Millionen Japaner nehmen regelmäßig im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit an Gruppengesprächen, sogenannten Quality Circles (QC) teil. Die hervorragenden Leistungen des japanischen Managements in den 70er Jahren werden häufig im Zusammenhang mit QC-Konzepten gesehen. Sicherlich zu Recht. Allerdings ist der Erfolg der Circle-Bewegung nicht eine Frage der Japanischen Mentalität. QC sind nicht Japan-bezogen, sondern eine Frage der technologischen Entwicklung, wie sie in Westeuropa, Japan und USA in etwa parallel läuft.

Bestätigt wird diese Aussage durch die Tatsache, daß in den westlichen Ländern die Zahl der Circle-Mitglieder bereits die 2-Millionen-Grenze überschritten hat. Unter den engagierten Firmen befinden sich erste Adressen wie IBM, Daimler Benz, Ciba Geigy, Hoechst, Rolls Roys, Lockheed und General Motors.

Das Anliegen der QC ist es, das gesamte Leistungspotential, auch das kreative Potential der Mitarbeiter zu entwickeln und zu nutzen. QC muß hier im Zusammenhang mit der Computerentwicklung gesehen werden. Manuelle und repetitive Arbeiten werden zunehmend von elektronisch gesteuerten Geräten übernommen. Mitarbeiter, die nicht gelernt haben, andere Aspekte ihres Leistungspotentials, vor allem des geistigen Potentials zu nutzen, werden arbeitslos. QC ist in diesem Sinne eine Mittel zur Arbeitsplatzsicherung, auch in Zeiten scharfer und harter Rationalisierungsmaßnahmen.

Eine Reihe von Fachleuten sehen in den Circle-Konzepten den ersten erfolgreichen Ansatz, um Forderungen der humanistischen Psychologie mit den Ansprüchen der Leistungsorientierung zu verbinden und gehen davon aus, daß in den nächsten Jahren 80 Prozent der Unternehmen in Industrieländern die eine oder andere Form des Circles einsetzen.

Dynamische Konzepte

Die Dynamik von Circle-Konzepten ist ungleich höher als die von anderen Programmen der Mitarbeiter-Aktivierung wie Vorgeschlagswesen oder Null-Fehler-Programmen. Der Nutzen von QC muß auf drei Ebenen gesehen werden:

- Sachebene

Mitarbeiter sind engagiert, auf freiwilliger Basis zu den Sachlösungen des Betriebes beizutragen. Es geht darum, für die Qualität von Produkten und Dienstleistungen bessere Lösungen zu entwickeln.

Das Wort "Qualitäts-Zirkel" hat vielfach dazu geführt, daß man dieses Konzept beschränkt sah auf das Arbeitsgebiet der Qualitätskontrolle. Der Eindruck täuscht. Es gibt inzwischen Circles in den Bereichen Computerdienste, Marketing, Vertrieb, Werbung, Finanz. Ein japanischer Experte berichtete kürzlich über ein Beispiel: Quality Circles in Nacht-Bars von Tokio. (Es gibt überall etwas zu verbessern.)

- Zwischenmenschliche Beziehungen

QC sind in erster Linie ein Ansatz der Motivation und Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehung im Unternehmen. Circles sind permanentes Kommunikations-Training mit anderen Mitarbeitern.

Viele Aufgabengebiete im Unternehmen zum Beispiel der Bereich Computerdienste oder Forschung fördern die introvertierte Persönlichkeitsentwicklung und damit eine Verarmung der informellen Kommunikation. So gibt es EDV-Spezialisten, die großes Vergnügen erleben, wenn es um Dialoge mit der Maschine geht. Die allerdings unbehaglich werden, wenn es um Kommunikation mit Kollegen und Systembenutzern geht. Der Erfolg der Abteilung hängt jedoch auch an der Fähigkeit mit anderen Mitarbeitern und vor allen Dingen mit den Benutzern der Dienstleistung engen Kontakt zu halten. QC stellt die Kommunikation her und gibt entsprechende Hilfestellungen.

- Persönlichkeitsentwicklung

Es sollte nicht übersehen werden, daß QC einen wesentlichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung und Karriereplanung des einzelnen Mitarbeiters machen.

Es gibt in der Bundesrepublik bereits Unternehmen, die die Arbeit in QC zu einem wesentlichen Aspekt der Karriereplanung und Beurteilung des einzelnen Mitarbeiters gemacht haben.

Geringere Widerstände

Praktische Auswirkungen hat das, wenn notwendige Rationalisierung eine Veränderung der Tätigkeit einzelner Mitarbeiter bringt. Die möglichen zwischenmenschlichen Widerstände sind dann wesentlich geringer, wenn der Mitarbeiter ein gesundes Selbstbewußtsein hat und davon ausgeht, daß er die veränderte Arbeitssituation bewältigen wird.

Die japanische Video-Industrie hat 1980 viele Arbeitsplätze durch Rationalisierung verloren. Die notwendigen Veränderungen sind jedoch ohne allzuviel Komplikationen abgelaufen. Die meisten Mitarbeiter hatten in QC-Sitzungen selbst an der Entwicklung von Rationalisierungen mitgearbeitet und waren auf die veränderte Arbeitssituation vorbereitet.

Psychologische Aspekte

Es gibt eine Reihe von Forschungsergebnissen der Denkpsychologie, die als Erklärung für den außergewöhnlichen Erfolg der Circles herangezogen werden können. Ich möchte hier nur auf zwei Punkte eingehen:

- Teamarbeit

Unsere Ausbildungssituation ist sehr stark individuumzentriert und bereitet nur sehr unzureichend auf Arbeit in Gruppen vor (In der Schule wird zum Beispiel "Teamwork" bei Klassenarbeiten sehr stark behindert.) Eine Reihe von Untersuchungen haben gezeigt, daß Teamarbeit gerade im Bereich der Denkleistungen überragende Erkenntnisse bringt. Allerdings erfordert Teamarbeit des Denkens die Beachtung von besonderen Spielregeln. QC sind ein Weg diese Spielregeln in allen Etagen der Hierarchie durchzusetzen.

- Positiv-Konzept

Dynamisches Management erfordert eine positive erfolgsorientierte Denkhaltung. Bestimmte Umweltbedingungen und Arbeitsabläufe schleifen bedauerlicherweise immer wieder eine Negativ-Orientierung ein, deren Folgen dann Statik, Innovationsunlust und Frust ist. So kann man beispielsweise beobachten, daß jemand, der den ganzen Tag im Beruf sich mit "debugging" von Computerprogrammen auseinandergesetzt hat, am Abend zu Hause auch noch das "Haar in der Suppe" findet; eine Haltung die nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität im heimischen Bereich beiträgt.

Circles haben die Aufgabe positive aktionsbereite Haltungen in der Arbeitssituation zu unterstützen und zu fördern. Letzlich dürfte gerade in diesem an sich trivialen Ansatz das Erfolgsgeheimnis der Circles liegen.

In Japan hat man die QC-Arbeit zuweilen in der unteren Hierarchie begonnen und dann später auch die höchste Ebene einbezogen. In europäischen Unternehmen empfiehlt es sich Top Down vorzugehen. Auf jeden Fall muß im Rahmen einer Kurzpräsentation die oberste Führungsebene motiviert werden oder besser noch begeistert werden. Diese Präsentation wird durch einen externen Fachmann durchgeführt.

Einführung von Circles Top Down

Der nächste Schritt ist die Einführung von Circles mit der oberen und mittleren Führungsebene. Der Startpunkt ist ein Seminar, mit den potentiellen Teilnehmern der Circles. Das Ziel des Seminars ist es, den organisatorischen Rahmen und die Techniken zu erläutern und vor allen Dingen die Teilnehmer zu motivieren, anschließend Circles im eigenen Arbeitsbereich ins Leben zu rufen.

Erst nach den ersten Erfahrungen im oberen Führungsbereich empfiehlt sich die Fortführung bis in die untere Hierarchie. Diese Vorgehensweise verhindert eine Reihe von Widerstand im Bereich des Mittleren Managements, die immer wieder dann auftraten, wenn man mit Gruppen auf Meisterebene begonnen hat, ohne die nächst höhere Ebene ausreichend über Circles und ihre Arbeitsweisen zu informieren.

Wichtig ist in jedem Falle auch nicht direkt Betroffene ausreichend über QC zu informieren und mögliche Unsicherheiten zu beseitigen. Es stehen entsprechende Video-Info-Programme zur Verfügung.

Der amerikanische Vater der japanischen QC, der 1960 nach Japan gerufen wurde und dort die ersten QC einführte, Dr. Deming ist der Ansicht: "Die Voraussetzung für QC-Erfolg ist Fortbildung." Die Fortbildung im Bereich der mittleren und oberen Führungsebene sollte durch externe Fachleute erfolgen. Die Fortbildung für die Basis Circles sollte durch interne Fachleute erfolgen.

Informationen: Quality Circle Verband Deutschland, 5300 Bonn, Kiefernweg 6.

*Gerald Spiess ist im Vorstand des Quality Circle Verbandes Deutschland (QCVD)