"Alte DV-Hasen" sperren sich gegen moderne Software-Technologien:

Akzeptanz sollte in der Chef-Etage beginnen

15.03.1985

MÜNCHEN (mer) - Neue Softwaretechnologien finden nur zögernd ihre Akzeptanz in bundesdeutschen Unternehmen. Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiter aus den Fachabteilungen sperren sich nicht selten gegen den Einsatz von Methoden und Werkzeugen für ingenieursmäßige Programmentwicklungen.

Professor Peter Freeman, Methodenberater des amerikanischen Verteidigungsministeriums (DoD) und Spezialist für Softwareengineering, bringt den mangelnden Durchsatz moderner Entwicklungsverfahren in den Unternehmen und den Hang zu Althergebrachtem auf einen Nenner: "Menschen sind Gewohnheitstiere und ändern ihre Arbeitsweise nur ungern."

Betroffen seien hiervon insbesondere DV-Strategen aus dem mittleren Management und altgediente Programmierer, die ein Umlernen auf abstrakte Denkansätze ablehnten. Frotzelt der amerikanische Softwareprofi: "Die haben am meisten zu verlieren, wenn sie die neuen Methoden nicht meistern."

Einen wesentlichen Ansatzpunkt für weitere Querelen sieht Freeman auch in der erforderlichen Umorganisation, die jede neue Technologie mit sich bringt, und der daraus erwachsenden Unruhe im Betrieb. Die Unternehmensleitung sei deshalb eher geneigt, zwar die neuen Methoden und Werkzeuge bereitzustellen, die Organisation jedoch zu belassen, wie sie ist.

So komme es aber schnell zu der bekannten Dissonanz zwischen den Produktionsmitteln und den Produktionsbedingungen. Resümiert der DoD-Berater: "Dies endet dann oft in einer gezwungenen Umstrukturierung, die weit mehr Unruhe schafft als eine gesteuerte, evolutionäre, organisatorische Anpassung."

So sind denn auch die Experten in den USA inzwischen längst zu der Erkenntnis gelangt, daß es wesentlich einfacher sein kann, SW-Methoden und -Werkzeuge zu entwickeln, als den Konzepten in der praktischen Anwendung die nötige Akzeptanz zu verschaffen.

Hierzulande treffen solche Aussagen vielfach nur auf ungläubiges Erstaunen. Doch Erfahrungsberichte aus Unternehmen, die ihre Pionierleistung mit den zukunftsorientierten Verfahren bereits hinter sich haben, lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß die Keimzelle eines drohenden Desasters bei der Einführung moderner SW-Konzepte nicht selten in den Chef-Etagen zu suchen ist.

Wulf Hammel, verantwortlich für die Systementwicklung Personal und Sozialwesen bei der Henkel KGaA, Düsseldorf, trifft nach guten Erfahrungen im eigenen Unternehmen eine klare Aussage zum Aufbau späterer Akzeptanz solcher Projekte: "Die Notwendigkeit des Softwareengineering muß vom Management erkannt werden; eine aktive Teilnahme seitens der Führungsebene ist einfach Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz."

Eine zusätzliche Aufgabe liege in der Sensibilisierung der Mitarbeiter für die noch ungewohnte Entwicklungsumgebung, denn die Arbeit mit einem integrierten Methoden- und Werkzeugverbund sei im wesentlichen eine Einstellungssache und somit eher durch Motivation als auf Befehl zu erreichen.

Gleichwohl entstehen beim Einsatz von Engineeringkonzepten offenbar vor allem bei den "alten Hasen" der Datenverarbeitung nicht zu unterschätzende Umgewöhnungsprobleme. "Es braucht eine Weile bis zur Einsicht, daß ein strenges Datenmodell kein Nachteil ist, sondern zu

erheblich stabileren Programmen führt, kommentiert Systementwicklungsleiter Rüdiger Schilling von der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, die häufig anzutreffende Abwehrhaltung der Mitarbeiter. "Softwerker, die keine Erfahrungen mit der klassischen transaktionsorientierten Programmierung haben oder diese schnell verdrängen können, sind bei den ingenieursmäßigen Verfahren eindeutig im Vorteil."

Dennoch: Ist die Angstschwelle bei den Mitarbeitern und der Sprung über die Innovationshürde geschafft äußern sich die DV-Entscheider über die Resultate der neuen SW-Technologien weitgehend positiv - und sei es nur mit der Bemerkung: "Der generierte Cobol-Code ist zwar häßlich, aber richtig".