Akzeptanz organisatorischer Veränderungen spielt eine entscheidende Rolle (Teil 2):Automation darf nicht im "Nirwana" einsetzen

14.02.1986

Kaum ein Unternehmen ist heutzutage in der Lage,sozusagen "auf der grünen Wiese" im Bürobereich mit der Automation zu beginnen. Grund: Eine Vielzahl von implementierten Anwendungssystemen behindert eine schnelle und reibungslose Weiterentwicklung der Unternehmensorganisation.

Die Praxis zeigt, daß eine rein statische Betrachtung der Datenrelationen nicht ausreicht, um die gegenseitigen Systemabhängigkeiten in den Griff zu bekommen. Bei den betrieblichen Ablaufsystemen ist besonders der Zeitfaktor als ein wesentliches Bestimmungskriterium bei den Systemrequirements zu berücksichtigen, da es sich bei betrieblichen Ablaufsystemen bekanntlich um dynamische Systeme handelt.

Ein weiteres Problem der Systemabhängigkeiten kann unter Umständen innerhalb der Job - Steuerung im Rechenzentrumsbetrieb auftreten. So ist in einem relativ frühen Entwicklungsstadium zu simulieren, wie sich die Job - Steuerung nach der Einführung des neuen Systems verhalten wird. Auch hier hat die Praxis gezeigt, daß innerhalb komplexer Rechenzentrumsbetriebe Störungen im Job - Ablauf auftreten können, die zu außerordentlich gefährlichen Kapazitätsengpässen führen. Das kann im Einzelfall bedeuten, daß die Job - Streams, die innerhalb einer zur Verfügung stehenden Zeiteinheit - zum Beispiel Nachtschicht - nach vorgegebenen Abhängigkeiten abzulaufen haben, nicht mehr realisiert werden können.

Hier hilft in der Regel auch nicht die Aufstockung von Hardwarekapa-

zitäten. Lediglich das Software - Design kann entsprechende Abhilfe schaffen. Daher ist es außerordentlich wichtig, auch diese Requirements zu erfassen. Die Sicherheitsfrage wird bei nahezu allen Systemanforderungen zu

stellen sein. Hier empfiehlt sich, die hausinterne Revision, den Datenschutzbeauftragten und den Sicherheitsbeauftragten frühzeitig einzuschalten. Systemsicherheit läßt sich planen; sie entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Qualitätssteuerung innerhalb des Systementwicklungsprozesses und - betriebes.

Und schließlich sind alle genannten Systemanforderungen stets nach den Kriterien der Verhältnismäßigkeit im Rahmen wirtschaftlicher Überlegungen zu überprüfen. Nicht alles, was machbar ist, ist sinnvoll. Die frühzeitige Einschaltung des Chefcontrollers kann zur Sicherstellung wirtschaftlicher Investitionen beitragen.

Die Vorbereitungen auf die Implementierung neuer Anwendungssy -

steme lassen sich nur dann vollständig lösen, wenn alle das neue Konzept betreffenden Abhängigkeiten erkannt sind und als entsprechende Anforderungen formuliert wurden. Nun besteht in der Praxis eine der Schwierigkeiten darin, daß im Normalfall die meisten Systementwicklungen unter starkem Zeitdruck entstehen. Auch sind meist die erforderlichen Ressourcen knapp - einschließlich qualifizierter Systemingenieure, die in der Lage sind, die betrieblichen Gesamtzusammenhänge zu übersehen.

Im konkreten Fall bedeutet dies, daß die neuen Konzepte ein starkes Eigenleben entwickeln, da man im Entwicklungsprozeß schnelle Ergebnisse aufweisen muß und der Blick für das Umfeld "getrübt" ist. Ein Grund hierfür ist die mangelnde Transparenz der Dokumentation bestehender Anwendungssysteme, aber auch der Mangel an Kommunikation konkurrierender Projektgruppen.

In größeren Organisationseinheiten existiert zum gleichen Zeitpunkt eine Vielzahl von Entwicklungsprojekten, die alle in irgendeiner Weise zueinander in Beziehung stehen. Gemeint sind hier nicht nur die Abhängigkeiten von DV - Systementwicklungsprojekten, sondern auch die Abhängigkeiten aller Organisations - Entwicklungsprojekte .

Werden diese Projekte nicht von einer Stelle sachlich inhaltlich koordiniert und dokumentiert, so ist es für die einzelnen Projektleiter nicht möglich, die gegenseitigen Abhängigkeiten zu erkennen und bei dem

eigenen Projekt entsprechend zu berücksichtigen.

Zur Darstellung der Aktivitätenzusammenhänge (Abstimmung der von Teilergebnissen in Beziehung stehender Projekte) empfiehlt sich die konsequente Nutzung der Netzplantechnik mit einem entsprechenden Projektmanagementsystem.

Schwieriger ist die Darstellung von Systemzusammenhängen, die sich auf gleiche Datenverwendungen, beziehungsweise gegenseitiges Triggern (Anstoßen) von Folgeablaufprozeduren zusammenhängender Geschäftsvorfälle oder betrieblicher Vorgänge beziehen.

Die heutigen Dokumentationsmethoden auf Basis verfügbarer Werkzeuge wie Data Dictionaries geben für die hier angesprochene Problemstellung nur bedingt eine Hilfestellung. Die Werkzeuge sind auf die Abbildung meist statischer Systemzustände ausgerichtet.

Dynamische Prozeßdarstellungen werden in nur sehr geringem Maße von den verfügbaren Werkzeuge unterstützt. So existiert beispielsweise für die Petri - Netze kein leistungsfähiger computergestützter Netzeditor, der in der Lage wäre, Endlosnetze am Bildschirm zu erzeugen und zu verwalten.

Systemabhängigkeiten stellen sich als Vernetzungen von Relationen dar, die es gilt, inhaltlich zu beschreiben. Vorgenannte Methoden reichen in der Regel aus, diese Wechselwirkungen inhaltlich zu beschreiben.

Die Praxis hat immer wieder gezeigt, daß die geplanten organisatorischen Effekte, die in Form aufwendiger Kosten/Nutzen -Betrachtungen ermittelt wurden, nicht eingehalten werden konnten. So stellt sich beispielsweise bei der Entwicklung eines neuen Auftragsabwicklungssystems mit angeschlossenem Prognoseverfahren für die Absatzerwartungen die Frage, wie die marktnahen Bedarfszahlen im Produktionsplanungssystem verarbeitet werden, ohne den Fertigungsprozeß nachteilig zu beeinflussen.

Aktuellere Marktinformationen können normalerweise zur Verkürzung der Vorlaufzeiten für die Fertigungsauflegung führen, was unter Umständen zur Veränderung der Losgrößen beitragen kann. Dies wiederum bewirkt möglicherweise eine Veränderung der Herstellkosten, die nicht ohne weiteres an den Markt weiterzugeben sind. Demzufolge kann die Entwicklung eines neuen Auftragsabwicklungssystems trotz guter Absichten zu einer Verschlechterung der Ertragslage im eigenen Unternehmen führen.

Mit Hilfe quantitativer Methoden (Simulationssprachen) lassen sich die genannten Risiken auf dem Vorwege simulieren und durch entsprechende Maßnahmen reduzieren. So ist es beispielsweise sinnvoll zu ermitteln, welche Veränderungen der Materialbestände in der Fertigung und des Fertigwarenlagers durch neue Systeme der Fertigungssteuerung und/ oder der Materialwirtschaft sowie des Marketing hervorgerufen werden.

Die so gewonnenen Erkenntnisse können anschließend bei den vorhandenen Anwendungen zur Neueinstellung der entsprechenden Parameter führen, so daß dadurch eine Gegensteuerung der erwarteten Negativeffekte in bezug auf die Planung Disposition von betrieblichen Produktionsfaktoren erfolgen kann.

Ein weiteres Problem entsteht bei der Implementierung von bestehenden Anwendungen bei den Teilsystemübergängen. Standard -Anwendungssoftware - Pakete verfügen in der Regel über einen umfangreichen Funktionscode. Das bedeutet, daß unter Umständen bestehende Teilkomponenten bereits implementierter Software überlagert werden.

Die installierten alten Systemfunktionen können nicht ohne weiteres aus dem bestehenden Umfeld herausgelöst werden, da sie Daten für neben - beziehungsweise nachgelagerte Systemteile liefern. Deshalb ist unter Umständen eine redundante Führung von Systemteilen erforderlich. Denn auch das neue Standardsystem ist als integriertes Softwarepaket auf die Vollständigkeit der Systemfunktionen angewiesen.

Dieser Sachverhalt ist häufig der Grund dafür, warum man sich nicht für den Einsatz von Standardpaketen in einer komplexen Systemumgebung entscheiden kann. Die Eigenentwicklung kann hier unter Umständen zu einer besseren und preiswerteren Lösung führen.

Generell weisen dieselben Datenfelder neuer Systeme - ob eigen oder fremdentwickelt - eine Reihe von Unterschieden in den Formaten gegenüber den installierten Systemen auf. Hier gilt es, sogenannte Bridge -Programme zu schreiben, die eine Formatanpassung bewirken. Bei komplexen Datenabhängigkeiten und Mehrfachverwendungen kann es dabei zu erheblichen Problemen kommen, da unter Umständen mehrere Formate für ein und dasselbe Datenfeld auftreten können.

Bei Online - Anwendungen mit interaktivem Charakter ist es dem Endbenutzer nicht zuzumuten, am Bildschirm unterschiedliche Datenformate aus unterschiedlichen Systemteilen für ein und dasselbe Datum angeboten zu bekommen. In einem solchen Fall empfiehlt sich eine vollständige Überarbeitung des Datenhaushaltes. Dies kann erhebliche Maintenance -Probleme aufwerfen, zumal viele Unternehmen nicht über eine computergestützte Dokumentation der Datenverwendungen und -beschreibungen verfügen.

Die Abstimmung der Datenintegrität und Datenaktualität führt innerhalb einer derart disharmonisch strukturierten Syntax des Sprachhaushaltes zu zusätzlichen Schwierigkeiten .

Bei der Frage nach den Auswirkungen neuer Systeme auf die Unternehmensorganisation werden schwerpunktmäßig die personellen und die mit der Investition im Zusammenhang stehenden betrieblichen Faktoren betrachtet.

Die Konsequenzen aus neu installierten Systemen können jedoch wesentlich weitreichender sein. Die Einführung von CAD wird bei kontinuierlicher Ausschöpfung der gegebenen Möglichkeiten auch auf die Produktstruktur Auswirkungen haben. Diese führt wiederum zur Reduzierung von Herstellkosten, die durch die Reduzierung von Materialbeständen und Durchlaufzeiten verursacht werden.

wird fortgesetzt