Motivationsprogramme wirken sich steuerlich unterschiedlich aus

Aktien oder Optionen für die Mitarbeiter?

26.09.2003
MÜNCHEN (CW) - Optionsprogramme zur Motivation der Mitarbeiter sind in die Kritik geraten. Einige IT-Unternehmen wie Microsoft und Siemens überlegen deshalb, ob sie künftig Aktienpläne statt Optionsprogramme ausgeben. Mitarbeiter sollten die steuerlichen Unterschiede beider Systeme kennen.Von Sven Fritsche*

Während bei Optionsprogrammen der Mitarbeiter die Zusage erhält, zu einem ihm beliebigen Zeitpunkt Aktien zu einem festgesetzten Preis zu erwerben, sehen Aktienpläne den sofortigen Erwerb vor. Die Mitarbeiter sollen sich dabei durch ihren finanziellen Einsatz am Risiko des Unternehmens beteiligen. Der Angestellte muss sofort sein Geld einsetzen, um die Aktien zu erwerben. Nach deutschem Aktienrecht darf hierzu kein Darlehen des Arbeitgebers gewährt werden. Als Kaufanreiz geben die Firmen ihre Aktien oft verbilligt ab. Eine kostenlose Ausgabe ist selten, da der Arbeitgeber durch den Einsatz finanzieller Mittel die zukünftige Motivation erhöhen will.

Aktien gehen zurück an Arbeitgeber

Allerdings verkompliziert das deutsche Steuerrecht die Sache. Die Differenz zwischen Ausgabepreis und Marktwert der Aktien - auch geldwerter Vorteil genannt - unterliegt zum Zeitpunkt der Ausgabe der Aktien der vollen Lohnsteuer. Erhält ein Mitarbeiter eine Aktie zum Preis von 70 Euro bei einem Börsenkurs von 100 Euro, muss er 30 Euro versteuern. Bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 40 Prozent bedeutet das einen finanziellen Einsatz von zirka 82 Euro. Legt man die üblichen Aktionärsvereinbarungen zugrunde, die eine Bindung des Mitarbeiters von ungefähr fünf Jahren vorsehen, muss er die Aktien in dieser Zeit halten und sie möglicherweise zurückgeben, sollte er den Arbeitgeber verlassen. Muss die Rückgabe auch bei Kündigungen seitens des Arbeitgebers erfolgen, würde dies bedeuten, dass die Ertragschance weitere fünf Jahre voll in den Händen des Arbeitgebers liegt.

Die Steuergesetzgebung gibt in diesem Fall keine klare Handhabe, wie die bereits bezahlten Steuern "rückabgewickelt" werden können. Die Finanzverwaltung vertritt den Standpunkt, dass die Steuer entsprechend dem Wert der Aktien bei Rückgabe zu erstatten ist. Tritt beispielsweise ein Kursverfall von zehn Prozent ein, fließen in der Beispielsrechnung nur noch 78 Euro an den Mitarbeiter zurück. Das setzt voraus, dass der Steuersatz des Mitarbeiters gegenüber dem Ausgabejahr gleich bleibt. Verringert er sich aber aufgrund eines geringeren Jahreseinkommens, erhöht sich der Verlust.

Im oben genannten Beispiel könnte die Rechnung so aussehen: Der Mitarbeiter erhält ein Gehalt von 125000 Euro und es wird eine Aktienkurssteigerung von 20 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre unterstellt. Soll der Angestellte eine jährliche Gehaltssteigerung von zehn Prozent erhalten, muss man ihm zirka 1650 Aktien zuteilen. Dies entspricht einem Investitionsvolumen von ungefähr 135000 Euro (Kaufpreis und Steuern). Nach fünf Jahren hätte der Mitarbeiter Aktien mit einem Marktwert von 197500 Euro angehäuft. Ein Verkauf beschert ihm einen Gewinn von 62500 Euro. Dieser Gewinn wäre nach dem derzeit geltenden Steuerrecht steuerfrei. Allerdings kann durch fallende Aktienkurse anstelle des Gewinns auch ein Verlust eintreten. Eine Alternativrechnung sieht folgendermaßen aus: Gibt das Unternehmen die Aktien zu einem Preis von 0 Euro ab, müsste der Mitarbeiter 31000 Euro Lohnsteuer zahlen, um am Ende einen Ertrag von 62500 Euro zu erhalten.

Keine hohe steuerliche Belastung

Zwar ist die steuerliche Belastung bei Aktienplänen maßvoll, doch der Kapitaleinsatz und das Risiko sind für den Angestellten nach deutschem Steuerrecht im Vergleich zum möglichen Ertrag relativ hoch. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem US-Unternehmen bei der Auflegung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen auf die steuerlichen Besonderheiten in Europa wenig Rücksicht nehmen.

Ein geringeres Risiko und eine geringere Vorfinanzierung kennzeichnen Optionsprogramme. Die Kehrseite sind im Erfolgsfall höhere Steuern. Für Optionsprogramme ist in Deutschland höchstrichterlich entschieden, dass nicht die Ausgabe der Optionen als geldwerter Vorteil zu versteuern ist, sondern erst der bei der Ausübung erzielte Vorteil, das heißt die Differenz zwischen Aktienkurs und Ausübungspreis (strike price). Allerdings ist die Kurssteigerung der Aktien zwischen dem Zeitpunkt der Begebung der Option und dem Zeitpunkt der Ausübung der Option auf jeden Fall zu versteuern.

Arbeitgeber verschweigen Alternativen

Nicht selten wird die für die Ausübung geschuldete Steuer vom Arbeitgeber oder seiner Investmentbank vollständig einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Dies ist möglich, wenn der Mitarbeiter bei Ausübung einen sofortigen Veräußerungsauftrag erteilt. In solchen Fällen wird meist kein Ausübungspreis entrichtet. Dieser wird von der vom Arbeitgeber beauftragten Investmentbank "für Minuten" kreditiert und mit dem Veräußerungserlös der Aktien verrechnet.

Oftmals verschweigen die Arbeitgeber den Arbeitnehmern allerdings diverse Möglichkeiten, wie die steuerliche Belastung für den Arbeitnehmer gemindert werden könnte. Bei der Umrechnung von Erlösen in Fremdwährungen kann zwischen zwei verschiedenen Wechselkursen gewählt werden. Außerdem kann bei der Berechnung des geldwerten Vorteils der jeweils niedrigste Aktienkurs an einer amtlichen Börse des entsprechenden Tages herangezogen werden. Zusätzlich mindern Auslandsaufenthalte die Steuerschuld.

Am wichtigsten für den optionsberechtigten Mitarbeiter ist allerdings die Frage, ob überhaupt ein Lohnsteuereinbehalt vorgenommen werden darf. Nach deutschem Steuerrecht darf Lohnsteuer nur in Höhe des folgenden, zur Auszahlung stehenden Monatsgehaltes zurückgehalten und vom Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführt werden. Gewährt ein ausländischer Mutterkonzern die Optionen, behaupten Kritiker, dass der Arbeitgeber keine Lohnsteuer einbehalten darf. Die Praxis sieht oft anders aus. Die ausländische Konzernmutter führt einen Anteil des Erlöses an das Finanzamt ab, der weit über der geschuldeten Lohnsteuer liegt.

Auf Seiten des Arbeitgebers ist die mangelhafte Ausnutzung des steuerlichen Optimierungspotenzials verständlich. Da der Arbeitgeber bei zu wenig abgeführter Lohnsteuer für die Differenz haftet, ist ihm nicht daran gelegen, diese so gering wie möglich zu berechnen. Zudem kann der Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter argumentieren, dass er sich Differenzen im Rahmen seiner Einkommenssteuererklärung erstatten lassen kann. Für den Mitarbeiter bedeutet das einen erheblichen Zinsnachteil und setzt voraus, dass sein Steuerberater dieses Spezialgebiet beherrscht.

In letzter Zeit diskutieren Experten wieder über so genannte Phantom Stock Programme. Sie stellen im Ergebnis ein Tantiemesystem dar, bei dem sich die Höhe der Tantieme an der Aktienkurssteigerung des Unternehmens orientiert. SAP und die Allianz verfügen über solche Modelle, Daimler-Chrysler denkt darüber nach. Die steuerlichen Auswirkungen für den Mitarbeiter sind einfach. Der ausbezahlte Betrag unterliegt ohne Abzüge der Lohnsteuer. Der Arbeitgeber muss jedoch darauf achten, dass er bei einer Steigerung des Aktienkurses bei Fälligkeit der Tantiemen ausreichend liquide ist. Unternehmen versuchen solche Engpässe zu vermeiden, indem sie so genannte "Deckel" als Begrenzung der Wertsteigerungsmöglichkeiten einsetzen.

Amazons Aktienprogramm

Die Nachteile von Aktienplänen lassen sich durch Wertsteigerungsrechte mildern. Amazon bietet seit Anfang dieses Jahres seinen Angestellten dieses Programm an. Ein Mitarbeiter erhält das Versprechen, nach einer bestimmten Zeit Aktien in einem bei Abgabe des Versprechens festgelegten Wert geschenkt zu erhalten, sollte er zu diesem Zeitpunkt noch Mitarbeiter des Unternehmens sein. Hier handelt es sich um eine Option und zwar mit einem "strike price" von "0,00". Da die Aktie erst nach Ende der Bindungsfrist geschenkt wird, tritt auch erst zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerpflicht ein - allerdings dann zu dem Wert der Aktie am Tag der Schenkung.

Der Mitarbeiter kann bei diesem Modell auch dann etwas verdienen, wenn der Aktienkurs zwischen Versprechensabgabe und Versprechenseinlösung fällt. Er bekommt auf jeden Fall etwas unentgeltlich, auch wenn es dann weniger wert ist. Da allerdings im Vergleich zu Optionsprogrammen eine entscheidend geringere Anzahl an Rechten gewährt wird, ist der Hebel bei Kurssteigerungen um ein Vielfaches geringer. Bei den Optionsprogrammen fällt erst dann Lohnsteuer an, wenn der Mitarbeiter die Aktien verkauft. Die anfallenden Steuern entsprechen denen eines Optionsprogramms. Unklar ist noch, wie die Aktionärsschützer reagieren, wenn die Mitarbeiter mit diesen Programmen auch dann etwas verdienen, wenn der Kurs der Aktie sinkt.

Trotz aller Bedenken stellen Optionsprogramme nach den Gesichtspunkten "Risiko, Chance, gebundenes Kapital und Steuerbelastung" nach wie vor ein sinnvolles Motivationsmodell dar. Mitarbeiter sollten bei der Einlösung genau darauf achten, dass der Arbeitgeber nicht nur die eigenen steuerlichen Interessen verfolgt, sondern auch die der Beschäftigten im Auge behält. (iw)

Sven Fritsche ist Rechtsanwalt und Steuerberater sowie Partner der Sozietät Peters, Schönberger & Partner GbR in München. www.pspstockoptions.de.

Risiko und Steuern

Die steuerliche Belastung bei Aktienplänen ist maßvoll, doch der Kapitaleinsatz und das Risiko sind für Mitarbeiter nach deutschem Steuerrecht relativ hoch. Ein überschaubares Risiko und eine geringere Vorfinanzierung kennzeichnen Optionsprogramme. Die Kehrseite sind im Erfolgsfall höhere Steuern. Für Optionen gilt, dass nicht deren Ausgabe als geldwerter Vorteil zu versteuern ist, sondern erst der bei der Ausübung erzielte Vorteil, also die Differenz zwischen Aktienkurs und Ausübungspreis.