Image-Processing unter "Rolls-Royce-Bedingungen":

Aktenverwaltungssystem auf die Teststrecke gebracht

11.01.1991

Im September 1989 erklärten sich Rolls-Royce and Associates Ltd. (RRA) bereit, an einem weltweiten Feldversuch teilzunehmen, bei dem Aktenverwaltungssysteme, unter anderen auch Infoimage der Unisys Corporation, getestet werden sollten. Zuvor war dieses Produkt der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

RRA ist ein Privatunternehmen, das der Rolls-Royce Ltd. gehört. Seit über 30 Jahren werden dort unter anderem Druckreaktoren für die Atom-Unterseeboote der Royal Navy gebaut. 1988 hatte RRA begonnen, sich nach optischen Plattenspeichersystemen umzusehen. Zur gleichen Zeit suchte Unisys nach dem richtigen Beta-Kunden für sein neues Aktenverwaltungssystem. Laut Ron Hawley, Manager des Zeichenbüros von RRA und Leiter des Projekts, brauchten er und seine Mitarbeiter nicht lange, um die Vorteile gegenüber herkömmlichen Computer- und CAD-Techniken zu erkennen. RRA entwickelte zur gleichen Zeit das der Teile-Identifikation dienende Datenverwaltungssystem Pims, das auf einer relationalen Datenbank basiert. Sobald die Datenbank einsatzbereit war, beschlossen Hawley und seine Mitarbeiter, Pims mit dem Testsystem zu verknüpfen. Hawley war "vom Synergie-Effekt überrascht".

Allerdings mußten die Synergie-Effekte hart erarbeitet werden. Die Briten hatten am Anfang begonnen, sich nach Bildverarbeitungssystemen mit optischen Platten umzusehen, wie die meisten Unternehmen, die zum ersten Mal derartige neue Technologien erkunden. Man durchblätterte Broschüren, besuchte Messen und Ausstellungen und nahm an Seminaren teil. Zusätzlich versuchte man durch das Sammeln von Informationen aus Tochter-Unternehmen, die bereits ihre eigenen Bildverarbeitungssysteme eingeführt hatten, eine komplette Marktübersicht zu bekommen.

Der Testleiter erklärte, RRA sei zwar grundsätzlich an optischen Informationssystemen interessiert gewesen, das Unternehmen wäre jedoch niemals "nur der Technologie wegen" in die Bildverarbeitung eingestiegen. Das Vorhaben sollte sich auch rechnen. Rolls-Royce konzentrierte sich, nachdem die Kostenfrage geklärt war, zunächst auf seine Konstruktionsunterlagen und dann auf die allgemeine Verwaltung. Hier ergab sich ein zusätzlicher Nutzen, mit dem Hawley und seine Mitarbeiter nicht gerechnet hatten. "Inzwischen gehen wir davon aus, daß die Einsparungen in der Verwaltung größer sein werden als in der Konstruktion", meint der Verantwortliche.

Eine der größten Hürden, die DV-Manager beim Kauf von Bildverarbeitungssystemen nehmen müssen, ist die Begründung ihrer hohen Kosten gegenüber der Firmenleitung. "Es ist recht einfach, über die Vorteile zu sprechen und die Gesprächspartner vom Potential eines solchen Systems zu überzeugen, aber es ist nicht leicht, dies in Dollar umzurechnen."

Qualitätskontrollen, strenge Konstruktionsvorschriften und Sicherheitsauflagen sind nur einige der enormen Forderungen im Zusammenhang mit der Dokumentation für den Bau und die Wartung von Kernreaktoren. Die Notwendigkeit, im Zusammenhang mit der Kernenergie höchsten Qualitätsansprüchen zu genügen, zwingt RRA, Hunderttausende von Dokumente über Zeiträume von bis zu 40 Jahren aufzubewahren. Wegen dieser komplexen Aufgabenstellungen ist eine ausgezeichnete Verwaltung der Spezifikationen eine wesentliche Anforderung, die RRA an das Infoimage-System stellt. Der RRA-Manager im Klartext dazu: "Wir existieren durch Dokumentation."

Hawley fährt viele Gründe an, die das Unternehmen zur Einführung der Bildverarbeitung veranlaßt haben, einschließlich der finanziellen Belastung, die aus der Umwandlung aller Entwurfs- und Konstruktionszeichnungen in CAD resultierten. Argument war auch die Anfälligkeit der Originaldokumente, die ja 40 Jahre aufbewahrt werden müssen. In den Dokumentenlagern von RRA befinden sich Hunderttausende von großen Konstruktionsunterlagen, die das Unternehmen im Laufe seines 30jährigen Bestehens sammeln mußte. "Wir brauchten dringend schnelle und zuverlässige Recherche- und Abrufesysteme", führte Hawley weiter aus.

Als RRA nach einem optischen Bildverarbeitungssystem für seine Dokumentationsbelange Ausschau hielt, brachte Unisys sein System gerade zur Marktreife. Man machte Hard- und Softwaretests; außerdem mußte das System zusätzlich auf einer Kundenanlage gefahren werden, um die Funktionalität zu erproben und zu erfahren, inwieweit das Produkt den Ansprüchen des Kunden genügte. RRA arbeitet mit Anlagen verschiedener Hersteller, unter anderem auch mit den Unisys-Großrechnern 2200/200 und 2200/400, die für technisch-wissenschaftliche Zwecke und für kommerzielle Anwendungen eingesetzt werden. Dies kam Unisys zugute.

Einige Probleme beim ersten Hochfahren

Nach Festlegung der wesentlichen Punkte eines 90-Tage-Implementierungsplans, begannen Unisys und RRA im November mit der Durchführung des Projekts. Vor der ersten Implementierungsphase mußte das Projektteam die Spezifikationen anhand des RRA-Pflichtenhefts erstellen. Mit ihrer Hilfe wurden wiederum die für das Projekt erforderlichen Tests, Mitarbeiter und Ausbildungsressourcen ermittelt. Phase eins bestand aus Geräteinstallation, Schulung und der Überprüfung, ob der Betriebsbereitschafts-Status des Systems mit den Kundenanforderungen übereinstimmte.

Einige Probleme gab es allerdings beim ersten Hochfahren des Systems. Die zentrale Datenbank arbeitete nicht synchron mit den Plattenlaufwerken, das Halb-Zoll-Sicherungsband war nicht verfügbar und der Scanner für Großdokumente zerknäulte gelegentlich Konstruktionszeichnungen. Aber die Fehler wurden schließlich ausgebügelt. Die Software war geladen und für Testzwecke einsatzbereit, und Informationen wurden mit einer Diskette von der Pims-Datenbank in die Datenbank des Aktenverwaltungssystems portiert.

Das Projektteam hatte zu Anfang auch Probleme mit dem Scanner (Einlesegerät). Die Papierzufuhr am Scanner stand ursprünglich nicht im rechten Winkel, so daß die Zeichnungen nicht gerade eingelesen wurden. Inzwischen, so Hawley, könne die Druckqualität durchaus mit der vergleichbarer Geräte mithalten. In Phase eins wurden nur relativ saubere Zeichnungen getestet, die auch problemlos auf Mikrofilm gebracht worden waren.

In Phase zwei kamen Zeichnungen hinzu, die für den Mikrofilm nicht verwendet werden konnten. Auf diese Weise sollte die Effektivität des Scanners weiter getestet werden. In dieser Phase wurden echte Arbeitsanwendungen auf einer Systemkonfiguration getestet, die dem späteren Systemeinsatz entsprachen. Bewertet wurde, wie gut das System Bilder von technischen Dokumenten etwa Konstruktionspläne, Schaltkreis- und Systemdiagramme sowie Diagramme von Rohrleitungen in Kernkraftreaktoren erfassen konnte. Gleichzeitig überprüften der RRA-Manager und sein Team die gesamte Funktionalität des Systems, einschließlich Antwortzeiten, Systembeschränkungen und auch das Abschneiden von Infoimage im Vergleich zu alternativen Systemfunktionen. Zu bewerten war auch, wie sich das Bildverarbeitungssystem mit vorhandenen RRA-Systemen verbinden ließ, einschließlich der relationalen Datenbank Pims und des CAD-Systems. Die Systemsicherheit war entscheidend für den Erfolg des Projektes, da Tausende streng geheimer Dokumente betroffen waren.

So wichtig die Systemsicherheit für die Systemintegrität auch ist, so galt auch die Systeminstallation als ein wichtiges Kriterium. "Wenn für die Definition der Arbeitskategorien und Dokumentattribute nicht genügend getan wird", so Hawley, "ist das Projekt zum Scheitern verurteilt."

Die Einbindung in andere Systeme

Zu den Geräten für die Erfüllung der Testparameter zählten auch ein optischer Plattenspeicher und -wechsler (Jukebox), Arbeitsstationen zum Anzeigen, Markieren und Editieren, ein großer Scanner zum Einlesen von großformatigen Konstruktionszeichnungen, Magnetband- und optische Plattenlaufwerke sowie ausgewählte Drucker und Peripheriegeräte. Diese Geräte wurden in die bei der RRA bereits vorhandenen Informationssysteme integriert - unter anderem liefen Micro-VAX-Minicomputer von DEC und PCs von Sun Microsystems Inc., die alle mit Großrechnern verbunden sind. Die Integration dieser einzelnen Systeme war entscheidend für die Erfüllung der Testvereinbarung. "Die Bildverarbeitung wurde nicht als isolierte Dokumentverarbeitung gesehen, sondern als Weiterentwicklung vorhandener Systeme", kommentierte der Verantwortliche.

Arbeitsgewohnheiten rationalisieren

Bei der Frage, ob sich CAD und Image-Processing koppeln lassen, waren beträchtliche Zweifel laut geworden. Die Zusammenführung der CAD-Datenbank und des optischen Systems innerhalb eines umfassenden Informationssystems weckte aber großes Interesse. "Einige Besucher haben Bedenken dahingehend geäußert, daß sie möglicherweise ihre Dokumentation und ihre Arbeitsgewohnheiten rationalisieren müßten, bevor sie sich einer optischen Lösung zuwenden könnten", erläutert Hawley.

"Da das System bei uns jedoch sehr flexibel ist, kann es vorhandene Arbeitsabläufe abwickeln und sogleich in Betrieb genommen werden." Allerdings hat sich RRA bisher noch nicht für den Kauf des Unisys-Systems entschieden.

Das Unternehmen zieht immer noch alternative Lösungen in Betracht. Zudem untersucht RRA die Möglichkeit, Videobilder und Belegleser-Informationen in das Image-Processing-System zu integrieren, obwohl das möglicherweise "Mehrarbeit" bedeutet.