Akers oder wer im Glashaus sitzt

11.12.1992

Die Frage bezog sich auf das "ungeschriebene Gesetz" bei der IBM, keine Mitarbeiter zu entlassen: "Ob wir diese Praxis auch in Zukunft aufrechterhalten können, hängt entscheidend von unserem geschäftlichen Erfolg ab, antwortete Haus-Olaf Henkel, Chef der IBM Deutschland, in einem "SPIEGEL"-Gespräch. Dies war und ist das wichtigste Argument, das IBM-Manager ins Feld führen, wenn das No-Layoff-Thema angeschnitten wird. "Würden die Anwender doch nur wieder Mainframes ordern", haderte sinngemäß IBM-Oberboß John Akers mit dem Schicksal, das es derzeit nicht gut mit Big Blue und dem Rest der Computerwelt meine (siehe auch Seite 1: "Die Aktionäre verstärken den Druck auf IBM-Chef John Akers").

Ob Akers und Henkel wissen, daß ihnen diese Sprüche von Branchenkennern nicht mehr abgenommen werden? Wer würde sagen, daß DV-Firmen wie Apple, Compaq, Dell, Hewlett-Packard, Lotus, Novell, Oracle, Sun oder Sybase Leidtragende einer Entwicklung sind, die für den Mainframe-Marktführer zur Zerreißprobe wird - im wahrsten Sinne des Wortes? Natürlich wußte Akers, daß sich sein Vorgänger, John R. Opel, vergaloppiert hatte, als er Anfang der 80er Jahre in einem Fünfjahresplan die IBM Corp. von einer 50-Milliarden-Dollar-zu einer 100-Milliarden-Dollar-Company wachsen ließ. Daß Akers bereits im November 1985, kurz nach seinem Amtsantritt, den Gürtel enger schnallen wollte, daß er 1987 zum "Jahr des Kunden" ausrief, spricht gerade nicht für eine plötzliche Klimaveränderung, der sich die Schönwetter-Company IBM jetzt ausgesetzt sieht.

Nein, das Wollen, das Suchen nach einem neuen Konzept, kann man Akers nicht absprechen. Nur, gebracht hat's nichts. Wo liegen die Ursachen? Um diese Frage geht es. Warum sollen die Anwender Mainframes kaufen? Das IBM-Rezept verrät viel über das Mißverständnis, dem nicht nur die IBM, sondern die gesamte DV-Industrie unterliegt: Danach gehe es, so meinen die blauen Marketiers, um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch Information.

Doch der Dreisatz "Mehr Informationstechnik gleich mehr Information gleich Mehrwert für das Anwenderunternehmen" stimmt nur bedingt, dann nämlich, wenn etwas ganz Entscheidendes hinzukommt: Nichttechnische Kommunikation - das Gespräch unter Teamkollegen - und die Verständigung über die Unternehmensziele. Kurz: Es sind die Mitarbeiter, die Mehrwerte schaffen - nicht die Informationsmaschinen. Weniger Informationstechnik wäre vielleicht nicht selten mehr, ganz bestimmt mehr aber wären weniger DV-Glashäuser. Läßt sich die IBM nicht auf dieses heikle Thema ein, dann wird sie im Glahaus sitzenbleiben, schlimmstenfalls fällt das IBM-Gebäude wie ein Kartenhaus zusammen.