Akers: Big (Fat) Blue-wat nu?

14.06.1991

Dies vorweg: Die Konstitution der IBM ist bemerkenswert gut. Big Blue hat nach wie vor weitaus mehr Erfolg als jede andere Computerfirma der Welt, die hochgehandelte "Japan Inc." eingeschlossen. Kurz: Die IBM ist finanziell pumperlgesund. Nicht zu vergessen: Die Stärke der IBM (Umsatz, Marktanteil, Ertrag, FuE-Ausgaben) kann jederzeit und von jedem gemessen werden - da dürfte es keine Gesundbeterei geben und folglich auch keine Manipulation. Selbst in einem schwachen Quartal - und das letzte war für IBM-Verhältnisse nicht berauschend - geht die (Gewinn-und Verlust-) Rechnung immer noch auf. Für die schwierige Gratwanderung von proprietären zu offenen Systemen, vor der einige Alt-Wettbewerber bereits kapitulieren mußten, ist der blaue DV-Riese also bestens gerüstet. Die Erklärung ist simpel: Bevor es bei Big (Fat) Blue wirklich an die Substanz geht, geraten die anderen Hersteller in Schwierigkeiten - Beispiele dafür gibt es en masse.

Da muß man sich wundern, warum von dem Krisengerede innerhalb der IBM (Boß John Akers: "Ich werde krank, wenn ich an die Bequemlichkeit unserer Leute denke.") soviel Aufhebens gemacht wird. Es soll unterstellt werden, daß Akers meinte, was er sagte, als er von der "IBM in der Krise" sprach (vgl. auch CW Nr. 23 vom 7. Juni 1991). Zunächst ließe das doch nur eine Deutung zu: Der Mann kann - stellvertretend für die Aktionäre nie genug kriegen. Man darf davon ausgehen, daß die hintergründigen Ziele der IBM damit zutreffend beschrieben sind.

Nehmen wir weiter an, daß die Konzernspitze in Armonk nicht vergessen hat, welche Gefahren für Leib (Firmenstruktur) und Leben (Mitarbeiter- und Kundenloyalität) von einem Antitrust-Verfahren gegen den vermeintlichen Mainframe-Monopolisten IBM ausgehen können, dann macht das Jammern über eigenes Unvermögen in doppelter Hinsicht Sinn. Zum einen muß das IBM-Management in der Tat fürchten, daß sich die Wettbewerbshüter in Washington erneut für gewisse Geschäftspraktiken des DV-Giganten zu interessieren beginnen. Leasing-, Outsourcing- und Bundling-Praktiken seien hier erwähnt. Das Akers-Lamento, so ein mögliches Fazit, soll von diesem für IBM überaus heiklen Punkt ablenken - kein schlechter Schachzug übrigens.

Zum zweiten hat Akers wohl recht, wenn er dem mittleren Management unternehmerische Sattheit und Zahnlosigkeit bescheinigt. Zuverlässig ermittelt hat freilich noch niemand, in welchem Maße die Arbeitsqualität abgenommen hat. Sicher ist nur, daß die IBM mit dem Grundsatz "Keine Entlassungen" nicht mehr leben kann. Doch Akers läuft Gefahr, auch die guten Leute zu vergrätzen. Was die Kunden von der Nestbeschmutzung halten, steht auf einem ganz anderen Blatt.