Hinter den Anzeigetafeln steckt ein dezentrales Mikroprozessorsystem:

Airport Frankfurt beschleunigt Fluginformation

23.11.1984

Fluggäste, die häufig den Frankfurter Airport frequentieren, werden bemerkt haben, daß aktuelle Fluginformationen und Sondermeldungen mittlerweile auf allen Anzeigetafeln gleichzeitig "klappern". Dahinter steckt ein dezentrales Mikroprozessorsystem, das die Steuerung der Tafeln besorgt. Günter Bleimann-Gather von der Aachener GEI Gesellschaft für elektronische Informationsverarbeitung mbH, dem Lieferanten des Systems, beschreibt im folgenden Konzept und Prinzip des neuen lokalen Kommunikationsnetzes.

Der Trend auf dem Frankfurter Flughafen ging - wie überall in der modernen Informationsverarbeitung - zur Dezentralisierung der Prozesse, zum Aufbau eines lokalen Netzes. In einer stark abgemagerten Zentrale werden nur noch solche Daten gehalten, die für die gesamte Peripherie relevant sind. Alle Informationen, die nur für einen speziellen Ausgabekanal Bedeutung haben, werden in Spezialprozessoren ausgelagert, die sich innerhalb eines Netzes genau an der Stelle befinden, wo sie auch benötigt werden.

Die GEI installierte Mikroprozessoren - und zwar ihr System Gipsy - in unmittelbarer Nähe aller Tafeln. Diese übernehmen die Aufbereitung der Information für diese Tafel, steuern den Einstellungsvorgang und kontrollieren die Anzeige. Im zentralen Knoten, einem PDP 11/23-Rechner von DEC, der die Flugdaten-von einem Siemens-Rechner bezieht werden lediglich noch die Fluginformationen verwaltet und an die Mikroprozessoren abgesetzt. Dies geschieht über das sogenannte Gipsy-Protokoll, ein gesichertes Halbduplex mit ACK/NAK Handshake. Das auf diese Weise geschaffene lokale Netz, in dem die Mikroprozessoren Knoten sind, bringt für die Fluggäste eine Reihe von Vorteilen, die mit der alten hierarchischen Struktur nicht zu erzielen waren.

Zum einen können alle Tafeln vom Leitrechner gleichzeitig bedient werden, dadurch dauert das Hoch- beziehungsweise "Schwarz"-Fahren aller Tafeln nur so lange wie für die größte Einzeltafel. Dieser Zeitgewinn bedeutet für die Anzeigen eine ständige Aktualität.

Zudem können die Mikros in unmittelbarer Nähe der Tafeln aufgestellt werden. Das führt zum Verzicht auf die 500-adrigen Kabelstränge, die vordem das Flughafengebäude durchzogen und damit zu kurzen Wegen für die Leitungs- und Steuerkabel zu den einzelnen Schrittmotoren. Die Mikros selbst werden über einfache 4-Draht-Leitungen angesteuert. Das minimiert den Aufwand für die Verkabelung, was wiederum in der Installations- und Wartungsphase den Aufwand reduziert.

Auch für die Ausfallsicherheit des Tafelsystems hat das neue Netzkonzept Konsequenzen: Ehemals konnte eine defekte Tafel das gesamte System blockieren. Jetzt bleibt ein solcher Fehler lokal beschränkt, hat also keine Auswirkungen auf die übrigen Tafeln. In einem dreimonatigen Leistungs- und Funktionstest wurde eine Sicherheit vor Ausfällen von 99, 7 Prozent nachgewiesen.

Durch eine Reihe von Maßnahmen wurden außerdem die Servicefreundlichkeit des modernisierten Systems erhöht: Bei Inbetriebnahme installierte man einen Simulationsrechner für Wartungs- und Dokumentationszwecke. Mit Hilfe eines mobilen Prüfkoffers kann das gesamte Tafelnetz von der Zentrale aus "per Hand" eingestellt werden. Dieses Testgerät ist außerdem an die einzelnen Gipsys anschließbar und erlaubt es dann einzelne Tafeln zu Reinigungszwecken oder für die Wartung zu steuern.

Lokale Netze zur Steuerung von Anlagen beruhen auf möglichst ausfallsicheren Mikroprozessorfamilien. Die Gipsy-Systeme basieren auf MC-6809-Bausteinen und sind modular im Europakartenformat aufgebaut. Sie arbeiten unter dem Betriebssystem Gipsos und werden vorwiegend in C programmiert. Die Prozeßperipherie umfaßt derzeit etwa 50 verschiedene Karten.

An der Rückseite des Gehäuses befindet sich die Systembusplatine, die das Netzteil und alle eingesteckten Karten miteinander verbindet. Als Interface zu dem steuernden und zu überwachenden Prozeß sowie zu den anderen Knotenrechnern sind Input/output-Karten erforderlich. Große zulässige Eingangsspannungsbereiche sowie kurzschlußfeste Ausgänge gewährleisten größtmögliche Ausfallsicherheit.

Durch optische Entkopplung der Signalein-- und Ausgänge des Steuerungssystems (einschließlich der

seriellen Schnittstellen) wird ein hohes Maß an Störsicherheit bei extremen Betriebsbedingungen erreicht.

Die Ansteuerung der Tafeln läuft nach folgendem Prinzip ab: Bei Empfang eines Telegramms vom Leitrechner aktiviert das Mikroprozessorsystem softwaregesteuert alle Betriebsspannungen der zugehörigen Tafel. Die weitere Bedienung erfolgt unter Kontrolle der Software, die die benötigten Steuersignale für die gewünschte Stellfunktion erzeugt und über die "Spezielle digitale Output"-Karte (SDO), die Zeilen-Adreß-Karte (ZAK) und Kolonnen-Treiber-Karte (KTK) zur Tafel durchschaltet.

Die über die einzelnen Kolonnendrähte zurücklaufenden Meldungen werden über die Eingänge der KTK-Platinen ausgekoppelt und ausgewertet, Korrekturmaßnahmen werden eingeleitet oder bei Nichterfolg ein Fehlertelegramm abgesetzt.

Die Bestückung der angeschlossenen Tafeln mit Schaltwerken wird auf dem Leotrechner durchgeführt und per Down-Line-Loading an die Steuerungen übertragen. Die Klappenbelegung wird in der Software des Mikroprozessors durch zwei Tabellen definiert, die eine für Ziffern die andere für Buchstaben und Sonderzeichen. Beide Tabellen enthalten die betreffenden Zeichen in der Reihenfolge, wie sie auf den Klappen vorkommen und außerdem noch eine Kennung für die Position der beiden Synchronisationsnocken.

Darüber hinaus kann die Gipsy-Steuerung mit anderer Kartenbestückung auch als Video-Konverter eingesetzt werden. Die Informationen, die auf den Tafeln erscheinen sollen, können dann am Bildschirmterminal editiert oder kontrolliert werden. Es besteht hier die Möglichkeit, das Informationssystem mit mehreren Ausgabemöglichkeiten zu versehen und beispielsweise in Büroräumen die aktuellen Informationen per Bildschirm zu verbreiten. Die Bildschirme bieten außerdem noch Sonderfunktionen wie Blinken, Invertieren, Unterstreichen, übergroße Schrift und Farbdarstellung für Vorder- und Hintergrund, die alle vom Mikroprozessor aus verwaltet werden.