McKinsey entlarvt Scheinproblem

Agilität und Stabilität? Geht doch!

06.04.2016
Von 
Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Agilität und Stabilität zusammen geht kaum, so lautet ein vermeintliches Dilemma. Ein Scheinproblem, meinen die Berater von McKinsey. Und erläutern, wie Amazon, Coca-Cola und andere den Spagat hinbekommen.
  • Stabile Basis und dynamische Elemente – wie beim Smartphone
  • McKinsey erklärt die Ebenen Struktur, Governance und Prozesse
  • Meetings sind zum Entscheiden da, nicht zum Präsentieren
  • Notwendig im Unternehmen ist eine gemeinsame Sprache
Ein Smartphone verbindet Stabilität und Agilität. Unternehmen sollten sich das zum Vorbild nehmen, meint McKinsey.
Ein Smartphone verbindet Stabilität und Agilität. Unternehmen sollten sich das zum Vorbild nehmen, meint McKinsey.
Foto: McKinsey Quarterly

Smartphones sind schon spitze. Was man alles machen kann mit den robusten Dingern. Und die vielen praktischen Apps - super! Das denken sich viele CIOs bestimmt nicht immer im Alltag, aber widersprechen dürfte kaum einer. Das stimmt schon so mit den Smartphones, selbst wenn sie manchmal nerven. Was den meisten IT-Chefs beim Griff zum Computertelefon aber nicht bewusst sein dürfte: Sie nehmen auch ein Role Model in die Hand, das die Antwort auf eine der drängendsten und kompliziertesten organisatorischen Fragen der IT-Welt von heute liefert. Das sagen jedenfalls die Berater von McKinsey.

Firmen müssen ticken wie ein Smartphone

Die drängende Frage: Wie macht man sein Unternehmen agil, ohne dafür die wichtige Stabilität opfern zu müssen? Die Autoren Wouter Aghina, Aaron De Smet und Kirsten Weerda gehen in ihrem Beitrag "Agility: It rhymes with stability" in McKinsey Quarterly davon aus, dass ein falscher Widerspruch Ausgangspunkt aller Probleme ist: "Die Annahme von Führungskräften, dass sie sich entscheiden müssen zwischen Geschwindigkeit und Flexibilität - beides dringend benötigt - einerseits und andererseits der Stabilität und den Umfängen, die festen organisatorischen Strukturen und Prozessen innewohnen."

Viele werden jetzt sagen, dass das genau das doch das Problem ist. Einstige Startups zum Beispiel, die aus eigener Erfahrung wissen, wie sich ihr einstiger Wettbewerbsvorteil der Handlungsschnelligkeit allmählich verflüchtigte. Oder große Unternehmenstanker, die sich fragen, wie sie angesichts eingeschliffener Regelungen und Management-Hierarchien agil sein sollen. Das McKinsey-Trio meint, dass man sich von diesem Schein-Dilemma nicht einschüchtern lassen darf.

Wirklich agile Unternehmen sind stabil und agil zugleich

Paradoxerweise lernten wirklich agile Unternehmen, sowohl stabil - also belastbar, zuverlässig und effizient - als auch dynamisch - also schnell, behände und adaptiv - zu sein. Am leichtesten lasse sich die Essenz organisatorischer Agilität durch eine simple Produktanalogie begreifen, so die Autoren weiter. Bei Smartphones bildeten Hardware und Betriebssystem die stabile Basis. Aber eine dynamische Anwendungsschicht baue freien Raum ein, so dass bei veränderten Anforderungen neue Apps hinzugefügt werden oder alte Apps erneuert, modifiziert oder auch gelöscht werden können.

"In gleicher Weise gestalten agile Unternehmen ihre Organisationen mit einem Rückgrat aus stabilen Elementen", heißt es im Artikel. Die Elemente haben laut McKinsey eine Lebensdauer von mehreren Jahren - fünf bis zehn. Zugleich gibt es dynamische Ressourcen: die "Apps" eines Unternehmens, die genutzt werden, wenn sich neue Chancen ergeben oder unerwartete Herausforderungen die Stabilität gefährden. Was sie damit konkret meinen, erläutern die Berater an den Beispielen Struktur, Governance und Prozesse.