Scrum im Projektmanagement

Agile Methoden sind erfolgreicher – Wie wir den Wassermeloneneffekt vermeiden können

04.12.2014
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Prof. Dr. Komus – Leiter des BPM Labors – ist Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Koblenz. Er ist außerdem wissenschaftlicher Leiter der Rechenzentren der Hochschule Koblenz und Mitbegründer der Modellfabrik Koblenz. Prof. Komus promovierte am Institut für Wirtschaftsinformatik, Prof. Dr. Dr. h.c.-mult. August-Wilhelm Scheer. Vor seiner Tätigkeit als Hochschullehrer war Prof. Komus 10 Jahre lang als Unternehmensberater mit Fragestellungen wie Organisationsgestaltung, IT-Strategien, SAP-Einführung und -optimierung betraut. Herr Komus ist Certified Scrum Master und ECM Master.
Wie bei der Wassermelone verändert sich in Projekten die Farbe von Statusmeldungen von rot nach grün. Durch Vorgesetzte, die Planabweichungen stigmatisieren, werden ehrliche rote Statusmeldungen ignoriert und stattdessen solange manipuliert, bis scheinbar alles okay ist.

Klassische Planung und Projektmanagement beruhen auf drei einfachen Rahmenbedingungen:

  • Der Auftraggeber weiß, was er will

  • Der Realisierer weiß, wie es umzusetzen ist

  • Nichts verändert sich im Verlauf der Realisierung

Sind diese Voraussetzungen gegeben, so lohnt es sich, viel Zeit und Ressourcen in eine detaillierte Planung und ein umfassendes Unterweisungs- und Controllingsystem zu investieren.

Derartige Planungs- und Managementsysteme finden sich im klassischen Projektmanagement mit detaillierter Ablaufplanung (Gantt-Diagramm) und Aufgabenstrukturierung (Projektstrukturplan) oder in den weit verbreiteten, alljährlichen Planungs- und Budgetierungsrunden in den Unternehmen.

In der Praxis (aus der Sicht der detaillierten Planungsmethoden) sind die drei oben genannten Prämissen aber oft nicht gegeben. In Zeiten disruptiver Veränderungen durch Faktoren wie Digitalisierung, Big Data, Internet of Everything, Social Media, Sharing, politische Krisen etc. lässt sich sogar feststellen, dass diese Prämissen an vielen Stellen immer unrealistischer werden. Egal, ob wir ein neues IT-System implementieren, ein neues Produkt auf den Markt bringen oder als Gesellschaft eine Infrastruktur-Maßnahme realisieren wollen: fehlendes Verständnis der immer komplexeren Zusammenhänge erschweren ein vollständiges Durchdringen der Konstellationen und damit der Identifizierung von Potenzialen und Herausforderungen.

Auch bei den herkömmlichen Methoden, die auf eine genaue Planung (sogenannte Wasserfall-Vorgehensweisen oder besser BDUF - Big Design Up Front) beruhen, finden sich Mechanismen, um mit Veränderungen umzugehen; so etwa das Change Request Verfahren im klassischen Projektmanagement. Doch diese Hilfsmittel bleiben Fremdkörper. Eine Organisation, die viel Aufwand und Energie in einen ausgefeilten Plan investiert hat, wird nur wenig geneigt sein, anzuerkennen, dass die Planung - vor allem in ihrer Detailtiefe - vergebens war. Menschen, Kultur und Anreize werden darauf aus sein, bestehende Pläne aufrecht zu erhalten, statt Wandel und Irrtum willkommen zu heißen.

Entsprechend finden wir an vielen Stellen die typischen "Wasserfall-Symptome":

  • Schätzfehler gehen vornehmlich in eine Richtung. Es wird kaum einmal zu pessimistisch geschätzt.

  • Unangemessen detaillierte Planungen stellen nicht nur eine Ressourcenverschwendung dar, sie behindern vor allem schnelles Reagieren und Anpassung

  • Der verbreitete Wassermelonen-Effekt behindert die Informationsversorgung der Leitungsebene: Wie bei der Wassermelone verändert sich in Projekten die Farbe von Statusmeldungen vom Zentrum nach außen von tiefrot nach hellgrün.Eine Unternehmenskultur, die Planabweichungen stigmatisiert (stigmatisieren muss) führt dazu, dass die Chancen zu ehrlichen "roten" Statusmeldungen durch das mittlere Management ignoriert und negiert werden. Stattdessen werden Statusmeldungen solange manipuliert, bis diese sich zunächst in gelb und schließlich an der Spitze des Projekts in hellgrün ("alles ok") verwandeln.

Agile Methoden wie Scrum

Alternativen zu den klassischen Methoden stehen zur Verfügung und werden trotzdem immer noch überraschend wenig verstanden und umgesetzt.

Neben grundlegenden Planungsansätzen wie der Process School, die den Prozess der Planung und nicht den Plan an sich in den Vordergrund stellt, oder dem Ansatz des Zero-based Budgeting, stellen vor allem die sogenannten "agilen Methoden" einen vielfältigen und reichen Schatz von Werkzeugen und Werten zur Bewältigung von Komplexität und Wandel zur Verfügung.

Die wohl bekannteste agile Methode "Scrum" (also ungefähr "Gedränge") basiert auf der Analyse erfolgreicher Produktentwicklungsprozesse von Autos, Kameras und Kopierern, die bereits in den achtziger Jahren von Nonaka und Takeuchi durchgeführt wurde. Interessanterweise wurden die darin enthaltenen Gedanken wie auch der Begriff "Scrum" zunächst vor allem in der Software-Entwicklung aufgegriffen und in ein schlüssiges Modell - die Scrum-Methode - weiterentwickelt.

In den letzten Jahren haben fast alle großen Softwareentwicklungshäuser die Methode oder weitreichende Elemente daraus übernommen. In unserer Studie "Status Quo Agile" (www.status-quo-agile.de) haben wir dieses Jahr bereits zum zweiten Mal untersucht, wie und wie erfolgreich diese Methoden angewandt werden. Mit über 600 Teilnehmern aus mehr als 30 Ländern zeigte die Studie ein weiteres Mal: Anwender agiler Methoden erfahren Ihre Methoden als deutlich erfolgreicher als klassische Ansätze.

Zunehmend werden Methoden wie Scrum, IT-Kanban oder Design Thinking auch in der Entwicklung verschiedenster Produkte eingesetzt - die Bandbreite reicht von Software über IT-Hardware bis zu medizinischen Geräten, Audiosystemen oder Autositzen, um nur einige Anwendungsgebiete zu nennen. Auch in Bereichen wie dem Prozessmanagement und der Einführung von Standardsoftwaresystemen wie SAP wird zunehmend begriffen, welche Vorteile agile Methoden bieten.

Gleichwohl zeigt sich immer wieder, dass agile Methoden bei vielen Personen noch unbekannt sind bzw. missverständlich aufgefasst werden. Typische Irrtümer sind etwa, agile Teams seien undiszipliniert, die Qualität könne leiden, die Dokumentation würde vernachlässigt. Diese Vorstellungen sind falsch! Zumeist ist das genaue Gegenteil der Fall. Agil geführte Teams sind (auch) in diesen Aspekten deutlich besser als Teams in klassischen Projekten.

Leistungsfähigkeit agiler Methoden und klassisches Projektmanagement
Leistungsfähigkeit agiler Methoden und klassisches Projektmanagement
Foto: BPM-Labor, Prof. Komus, Status Quo Agile

Unternehmen, die sich noch nicht systematisch mit agilen Methoden auseinandergesetzt haben, sollten dies entsprechend nachholen. Sinnvolle Schritte sind:

- die systematische Analyse der Potenziale agiler Methoden (der kostenlose Studienbericht unserer Studie Status Quo Agile (www.status-quo-agile.de) ist ein möglicher Einstiegspunkt)

- Schaffung eines fachlichen Grundverständnisses (z. B. durch Literatur, Training, Kongresse)

- Identifikation geeigneter Anwendungsfelder und agiler Techniken zum Einsatz agiler Methoden in der eigenen Organisation

- Starten, lernen, verbessern, …

Es gibt keinen Grund, die Chancen größerer Agilität in einem Umfeld zunehmender Komplexität und erhöhter Geschwindigkeit des Wandels anderen zu überlassen.

Wassermelonen sollten als Frucht genossen und nicht in Projekten gezüchtet werden.