Softwareentwicklung und Unternehmensorganisation

Agil auf allen Ebenen

20.11.2021
Von 
Philipp Hellwig ist als Senior Consultant bei der PENTASYS AG tätig. Er ist als Scrum Master, Product Owner und Agile Leader zertifiziert. In dieser Rolle unterstützt Philipp Hellwig Unternehmen dabei, die agile Transformation erfolgreich durchzuführen. Weitere Stationen seiner fast zwanzigjährigen Karriere umfassen Tätigkeiten als Entwickler und Marketing-Spezialist unter anderem bei der Boston Consulting Group.
Lesen Sie, wie auch große Organisationen vom Trendthema Agilität profitieren können.

In vielen kleineren Unternehmen, IT-Beratungen, Abteilungen und Teams ist das Thema "Agilität" bereits fest etabliert. Vor allem in größeren Unternehmen, vom Mittelständler bis zum Weltkonzern, hadert die Unternehmensführung teils noch mit der Implementierung agiler Methoden. Denn je mehr Mitarbeiter involviert sind und je stärker die Wechselwirkungen, welche sich mit anderen Abteilungen ergeben, desto komplexer gestaltet sich der Wandel hin zur agilen Kultur. Die Resultate der agilen Teams betreffen auch alle anderen Fachbereiche - denn beispielsweise sind Forschung und Entwicklung, Personal oder auch Marketing von der Verfügbarkeit einer IT-Lösung abhängig. CIOs sowie die höhere Management-Ebene müssen den "Tunnelblick" über die IT hinweg öffnen und sich auf einen Kulturwandel im gesamten Unternehmen einstellen.

Agilität wird von kleinen Teams bereits erfolgreich genutzt. Bei der Skalierung in großen Organisationen stellen sich jedoch neue Herausforderungen.
Agilität wird von kleinen Teams bereits erfolgreich genutzt. Bei der Skalierung in großen Organisationen stellen sich jedoch neue Herausforderungen.
Foto: qoppi - shutterstock.com

Agile Methoden in der Softwareentwicklung

Aber alles von Beginn an: Noch vor fünfzehn Jahren hätte kaum jemand damit gerechnet, wie die Arbeitswelt sich in der IT-Branche verändern würde. Während die vorab definierte Softwarearchitektur damals noch wie eine "Bibel" war, an die sich Entwickler streng halten mussten, entsteht Software heute in einem agilen Prozess. Dieser ermöglicht es, ein Produkt zu entwickeln, das den Bedürfnissen der Anwender im hier und jetzt wirklich gerecht wird. Denn sonst kann es vorkommen, dass nach langem Spezifizieren und Festlegen ein Produkt entsteht, welches gestern noch gewollt und gebraucht wurde; welches aber bei der Fertigstellung schon wieder überholt ist.

Agile Methoden wie Scrum und Kanban stellen Softwareentwicklern ein Modell bereit, mit dem sie ihre Fortschritte in hoher Granularität überprüfen, evaluieren und anpassen können. Dabei handelt es sich keinesfalls um bloße Deregulation oder "geplantes Chaos". Die agilen Methoden unterscheiden sich von bestimmten Ansätzen her, haben jedoch die folgenden Punkte gemeinsam: Sie sind "lean" (schlank) und "agil" (wendig); setzen ein "Pull-System" voraus, bei dem jedes Team-Mitglied sich neue Aufgaben selbstständig abholt; begrenzen die Anzahl der aktuell zu bearbeitenden Aufgaben; fokussieren sich darauf, release-fähige Software-Inkremente in vordefinierten Arbeitsschritten ("Sprints") auszuliefern; basieren auf selbstorganisierten Teams mit flachen Hierarchien; evaluieren den Releaseplan anhand der Auswertung empirischer Daten wie beispielsweise der durchschnittlichen Teamgeschwindigkeit. Damit handelt es sich bei den agilen Methoden um eine hochstrukturierte, aber gleichzeitig elastische Vorgehensweise.

Vorteile agiler Methoden in der Unternehmens-IT

Agilität ist in Zeiten der rasanten Entwicklung von IT-Systemen eine bloße Notwendigkeit. Gemäß dem Moore'schen Gesetz steigt nicht nur die Leistungsfähigkeit der Schaltkreise laufend, sondern auch die Anforderungen an die Software-Frameworks. Zudem treten gerade in jüngerer Zeit immer neue Anbieter von disruptiver Software-as-a-Service (SaaS) auf. Dies bedeutet, dass eine Software-Lösung, die gestern noch mit hohem Aufwand selbst entwickelt werden musste, heute schon zu einem Bruchteil der Kosten eingekauft werden kann. Es muss daher stets von neuem hinterfragt werden, welche Art von Funktionalität entwickelt, in welche Schnittstelle sie eingebettet und welche Anforderungen von ihr erfüllt werden soll. Wer auf die zukünftigen Paradigmenwechsel in der IT-Branche gewappnet sein und ihr Potenzial voll ausschöpfen will, kommt um agile Methoden daher eigentlich nicht mehr herum.

Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen auf Hand: Das Risiko, dass ein Projekt fehlschlägt, verringert sich enorm. Denn regelmäßige Abnahmen und Tests, wie sie die agilen Methoden vorschreiben, sorgen für eine hohe Transparenz im Projektverlauf. Hierdurch sind Entscheider immer im Bilde, ob sie die Anforderungen an das Projekt modifizieren und Ressourcen hinzufügen beziehungsweise abziehen sollen. Insbesondere verringert sich die Time-to-Market des Projekts, denn noch während der Entwicklung können Anwender schon auf fertiggestellte Teilfunktionen zurückgreifen. Das fertige Produkt ist stabil, vielfach getestet und entspricht den aktuellen Anforderungen, die sich aus der IT-Landschaft und den Wünschen der Anwender ergeben.