Selbst in den USA ist man von den vielen Anrufen genervt

Aggressive Verkäufer sind out

29.08.1997

"Wir wollen nicht nerven, sondern durch proaktive Verfahren präsent bleiben", verteidigt Gabriele Rittinghaus, CA-Vertriebs-Managerin für das Großkundengeschäft ihr Unternehmen. Ihren Worten zufolge unterscheiden sich die hierzulande üblichen Vertriebsmethoden nicht von denen ihrer Kollegen in den USA, wo es zu den Beschwerden kam.

Rittinghaus kann sich die negativen Ergebnisse einer Umfrage der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" lediglich durch Einzelfälle erklären, in denen die "Chemie zwischen Vertriebsbeauftragten (VB) und Kunde nicht gestimmt hat". Tatsächlich handelte es sich um eine Stichprobe bei 106 Anwendern, von denen immerhin 55 Prozent schlechte Erfahrungen mit übermäßig aggressiven Verkaufspraktiken gemacht haben.

In mehr als zwei Dutzend Interviews ging die "Computerworld" Einzelfällen auf den Grund. Besonders negativ fielen dabei der Software-Allrounder CA und der Datenbank-Spezialist Oracle auf. Schwarze Schafe gibt es aber auch unter den Verkäufern von Hardware und Dienstleistungen.

Zu den verärgerten IT-Managern gehört Maribeth Anderson von der First Chicago Mercantile Services LLC. Nachdem ein Oracle-Verkäufer eine technische Frage nur ausweichend beantworten konnte, wurde sie mehrfach täglich von Anrufen sowie unangekündigten Besuchen bedrängt, um den schlechten Eindruck aufzubessern. Richtig sauer wurde Anderson, die diese Vorgehensweise als "nahezu belästigend" beschreibt, als der Verkäufer sie umging, um den Auftrag über ihren Vorgesetzten an Land zu ziehen. Den Zuschlag erhielt jedoch Konkurrent Informix.

Drängen ist kontraproduktiv

Zu aggressive Verkaufsstrategien erwiesen sich nicht nur in dem geschilderten Fall als kontraproduktiv. So gaben acht von zehn befragten DV-Managern an, daß sie - wo immer es geht - nicht bei Anbietern mit derartigen Vorgehensweisen kaufen.

CA-Vetriebs-Managerin Rittinghaus hat ein differenziertes Verhältnis zu aggressiven Verkaufsstrategien. "Aggression muß nicht immer negativ sein", argumentiert sie, schließlich müsse man am Ball bleiben und kontinuierlich den Kontakt zu den verschiedenen Ansprechpartnern pflegen. Dazu gehöre auch, daß bei wichtigen Produkten, im Falle von CA das System-Management-Paket "Unicenter TNG", "eigentlich täglich Kundenveranstaltungen stattfinden". "Natürlich lassen wir einen Kunden in Ruhe, wenn er uns zu verstehen gibt, daß wir lästig werden", ergänzt Rittinghaus.

Immer mehr Firmen haben zudem entdeckt, so Harvey Shrednick, Ex-President einer amerikanischen Vereinigung von DV-Managern, daß es erfolgreicher ist, zu den Kunden ein partnerschaftliches Verhältnis aufzubauen, anstatt den Kontakt auf häufige Werbebotschaften zu beschränken. Der neueste Trend sei, Verkäufer zu kompetenten Beratern auszubilden, die die Branchen und DV-Probleme ihrer Kunden kennen. Für ein Umdenken in diese Richtung scheint es höchste Zeit zu sein. So beklagten drei Viertel der befragten Anwender, daß die Verkäufer ihre spezifischen Probleme nicht verstünden. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind im Falle von CA Großkunden-Betreuer nicht nur Regionen und Anwendern zugeordnet, sondern auch bestimmten Produkten. Bei etwa 500 Programmen sei es jedoch nicht leicht, alle Kundenfragen zu beantworten.