Geschäftsmodelle für den E-Commerce/E-Business im Ökosystem

Agenten vernetzen isolierte Marktplätze

16.03.2001
Elektronische Assistenten in Gestalt von Softwareagenten werden immer intelligenter und leistungsfähiger. Schon heute übernehmen sie selbständige und individuelle Aufgaben im E-Commerce. Auch bei der Vernetzung von virtuellen B-to-B-Marktplätzen kommen Agenten verstärkt zum Einsatz. Von Hartmut Bick*

Elektronische Assistenten können das E-Business zu einer entspannten Angelegenheit machen: Mit einem gezielten Auftrag entlässt der Händler seine Assistenten auf eine elektronische Handelsplattform. Diese kümmern sich um die Identifikation von Anbietern und Produkten, verhandeln, schließen einen Deal ab und führen die entsprechenden Transaktionen durch.

Noch ist dieses Szenario Zukunftsmusik. Momentan organisieren Agenten in erster Linie Back-Office-Prozesse wie die Benachrichtigung der Marktteilnehmer bei Vertragsabschluss oder den Anstoß von Transaktionen in ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning). Doch die elektronischen Helfer werden immer intelligenter und leistungsfähiger. Sie übernehmen zunehmend selbständige Aufgaben bei der Abwicklung von komplexen Business-Transaktionen via Internet. Damit bieten sie ein enormes Potenzial. Den Analysten von IDC zufolge wird der Markt für Softwareagenten von 112,3 Millionen Dollar im vergangenen Jahr auf 873,2 Millionen im Jahr 2004 anwachsen.

Typische Aufgabe: InformationssucheAgenten sind eigenständige, autonome Softwaremodule, die Prozesse und Entscheidungen intelligent unterstützen können. Sie werden vom User autorisiert, bestimmte Aktionen auszuführen - von der Systemüberwachung und dem Sammeln von Informationen über die Kommunikation bis hin zur Ausführung komplexer Verhandlungsstrategien auf virtuellen Marktplätzen. Beispiel Informationssuche: Statt mit hohem Zeitaufwand und entsprechenden Online-Kosten diverse Quellen im Web zu durchsuchen, schickt der User einen Agenten auf die Reise ins Netz. Dieser meldet sich zurück, wenn er die passende Information gefunden hat.

Auch bei der Vernetzung von B-to-B-Marktplätzen kommen Softwareagenten immer häufiger zum Einsatz. Viele Marktplatzteilnehmer betrachten ihre Aufgabe mit dem Handelsabschluss als erledigt. Die optimale Wertschöpfung definiert sich aber erst durch die komplette Transaktion. Dazu gehört die Verhandlung der Vertragsparameter (Preis, Volumen, Qualität, Belieferung, Termin, Produktgarantie), die physische Lieferung des Gutes (Lieferbedingungen, Liefertermin, Liefergarantie, Transportversicherung, Transportdurchführung) sowie Risiko-Management, Vertragsgestaltung und finanzielle Abwicklung des Geschäfts: Clearing und Settlement - juristisch einwandfreie Verträge und deren finanztechnische Umsetzung.

Die meisten Betreiber sind jedoch nicht in der Lage, all diese für die Transaktion erforderlichen Leistungen anzubieten. Eine marktplatzübergreifende, dynamische Abwicklung von Transaktionen lässt sich nur über ein vernetztes Gesamtsystem realisieren, das einem umfassenden Wertschöpfungsverständnis Rechnung trägt. Ein solches System wird in Anlehnung an die effizienten Prozesse in der Natur auch als B-to-B-Ökosystem bezeichnet.

Transaktionskosten senkenEin Beispiel für ein solches System ist die Living-Markets-Plattform der Living Systems AG, Donaueschingen, auf deren Basis die Internet-Stahlhandelsplattform Metaltradenet.com mit dem virtuellen Clearing-Haus Capclear.com und dem E-Logistik-Marktplatz Tradenetone.com vernetzt wurde. Ausführende Elemente dieser Technologie sind Java-basierte Agenten.

Sie übernehmen im Ökosystem die Kommunikation, organisieren Transaktionen dynamisch über Marktplätze hinweg und reduzieren als elektronische Helfer den Transaktionskosten- und Zeitaufwand. In der Praxis läuft der Stahlhandel auf Metaltradenet.com wie folgt ab: Ein registrierter Händler gibt eine Nachfrage auf der Site ein, der beauftragte Softwareagent versucht daraufhin, ein passendes Angebot zu finden (Matching). Ist ein Match gefunden, prüft das an die Plattform angeschlossene Clearing-Haus Capclear, ob sich das bevorstehende Handelsgeschäft innerhalb der gesetzten Regeln bewegt. Wenn ja, erhalten Käufer und Verkäufer binnen weniger Sekunden eine Bestätigung in Form eines rechtlich bindenden Vertrags mit allen Details der Transaktion. Anschließend kann der Kunde direkt von der Plattform aus die erforderlichen Logistikdienstleistungen in Auftrag geben: Per Mausklick werden die entsprechenden Suchinformationen zum Logistikmarktplatz Tradenetone.com weitergeleitet und dort veröffentlicht. Der Käufer erhält dann automatisch ein passendes Angebot für den Transport des Stahls.

Den Kunden von Metaltradenet stehen auf diese Weise alle für die Transaktion erforderlichen Leistungen über eine einzige Plattform zur Verfügung. Selbst den Transport der erstandenen Ware können sie organisieren - ohne dabei die Benutzeroberfläche des Marktplatzes verlassen zu müssen. Das ist nicht nur zeitsparend und bequem, sondern auch effektiv. Der Vorteil für den Betreiber des Tradenetone-Marktplatzes liegt vor allem darin, neben Logistikdienstleistern und deren Auftraggebern das gesamte Potenzial eines B-to-B-Marktplatzes nutzen zu können. Der dritte Teilnehmer, Capclear, wickelt in der Dreierbeziehung die Finanztransaktionen ab, übernimmt das Management von Kreditrisiken und überwacht die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Künftig sollen die Teilnehmer von Metaltradenet auch ihre ERP-Systeme an die Plattform anbinden können. Auf diese Weise ließe sich eine durchgängige Darstellung der Wertschöpfungskette abbilden. "Mit einer vertikalen Integration über den gesamten Beschaffungsprozess ergibt sich für die Nutzer ein enormes Rationalisierungspotenzial", meint André Radebach, Mitbegründer von Metaltradenet.

Neben den Einsparmöglichkeiten, die die elektronische Beschaffung bietet, sieht Evelyn Cronin, Senior Analyst bei Gartner Group, die Vorteile eines B-to-B-Ökosystems vor allem in den nahtlosen Übergängen zwischen den einzelnen Prozessen: "Es erlaubt Käufern und Verkäufern, mehr Anteile des Geschäfts online abzuwickeln, ohne sich offline auf die mühselige Suche nach zusätzlichen Dienstleistungen begeben zu müssen." Als kundenzentriertes Modell schaffe es zudem eine Umgebung von Effizienz und Vertrauen. Dies führe zu größeren Gewinnmargen des Marktplatzes und damit zu mehr finanzieller Lebensfähigkeit. Auch die Analysten von Forrester Research weisen auf die Notwendigkeit der Vernetzung von B-to-B-Marktplätzen hin. Ihrer Ansicht nach werden in Zukunft nur solche Plattformen entwicklungsfähig sein, die über den eigentlichen Handel hinaus Mehrwert bieten. Vor allem Finanz- und Logistikdienstleistungen würden verstärkt nachgefragt.

B-to-B-Ökosysteme erfordern allerdings intelligente Schnittstellen, die nicht nur Datentransfer ermöglichen, sondern vor allem auch Prozessabläufe eigenständig in Abhängigkeit von Systemzuständen organisieren. So kann die Transportversicherung auf einem Marktplatz zwar vorverhandelt werden, abgeschlossen werden darf sie jedoch erst, wenn alle anderen erforderlichen Leistungskomponenten ebenfalls verhandelt sind. Elektronische Assistenten, die auf die Anforderung des Teilnehmers hin tätig werden und seine Strategie umsetzen, sind hier von großem Nutzen. Mit der immer größeren Anzahl an Möglichkeiten und Informationen, komplexeren Transaktionen und schnelleren Entscheidungsprozessen wird die Bedeutung der intelligenten Helfer künftig noch zunehmen.

*Hartmut Bick ist freier Journalist in Köln

Abb.1: Vernetzter B-to-B-Marktplatz

Die virtuelle Stahlhandelsplattform Metaltradenet.com wird über die Agenten von Living Systems mit dem Clearing-Spezialisten Capclear und dem Logistikanbieter Tradenetone.com vernetzt. Damit sind alle für die Transaktionen via Internet erforderlichen Leistungen auf einer Plattform verfügbar. Quelle: Living Systems

Abb.2: Großes Marktpotiental

Laut IDC wird der weltweite Markt für Softwareagenten bis zum Jahr 2004 auf 873,2 Millionen Dollar wachsen. Quelle: IDC, 2000