Neuer CEO gesucht

Affäre lässt Intel-Chef Krzanich stolpern

22.06.2018
Brian Krzanich, CEO des weltgrößten Prozessorherstellers Intel, ist von seinem Amt zurückgetreten. Der Vorstandsvorsitzende hatte gegen den konzerninternen Verhaltenskodex verstoßen, indem er vorübergehend eine Liebesbeziehung mit einer Untergebenen eingegangen war.

Der 58-Jährige werde ab sofort interimsweise vom bisherigen Finanzchef Robert Swan abgelöst, verlautete am gestrigen Donnerstag aus der Konzernzentrale. Krzanich hat demnach seinen Rücktritt eingereicht, weil im Unternehmen ruchbar geworden war, dass er zeitweilig eine Beziehung mit einer Mitarbeiterin geführt haben soll. Das widerspricht dem seit 2011 gültigen Verhaltenskodex von Intel, nach dem Führungskräfte kein Verhältnis mit direkten oder indirekten Untergebenen eingehen dürfen. Die ethischen Prinzipien seien für alle Führungsebenen im Konzern gültig, teilte der Verwaltungsrat mit. Hier verfolge man eine "Null-Toleranz-Politik", die von Corporate-Governance-Experten beaufsichtigt werde.

Brian Krzanich musste den strengen Ethikregeln bei Intel Tribut zollen.
Brian Krzanich musste den strengen Ethikregeln bei Intel Tribut zollen.
Foto: Intel

An der Börse löste die Nachricht einen leichten Kursrückgang, aber keine Schockwelle aus. Tatsächlich dürften die Investoren den Abgang Krzanichs mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Zwar konnte Intel seine führende Position im Markt für PC- und Server-Prozessoren halten, doch dieses Geschäft wächst nur noch mäßig, und mit AMD hat sich ein alter Rivale mit einer Reihe neuer Produkte kraftvoll zurückgemeldet.

Auferstehung von AMD setzt Intel zu

AMD, das beim taiwanesischen Konzern TSCM fertigen lässt, konnte mit der Zen-Architektur und den neuen Prozessorfamilien Ryzen und EPYC Boden auf den Marktführer gutmachen, zumal Intel mit dem teuren Bestreben, die Chipentwicklung im Moore'schen Sinne weiter zu treiben, zuletzt immer wieder an Grenzen stieß. Krzanich selbst räumte ein, dass Intel 2018 Marktanteile im Server-Business an AMD verlieren werde. Das allerdings ist wohl auch unvermeidlich, da AMD in diesem Markt quasi wie ein Neueinsteiger agiert und mit neuen wettbewerbsfähigen Produkten nur gewinnen kann.

Finanzchef Robert Swan wird nur vorübergehend CEO von Intel. Eine neuer Chef wird nun gesucht.
Finanzchef Robert Swan wird nur vorübergehend CEO von Intel. Eine neuer Chef wird nun gesucht.
Foto: Intel

Nvidia gelang es dank des anhaltenden Booms rund um Künstliche Intelligenz und Kryptowährungen, mit seinen Grafikprozessoren die Konkurrenz abzuschütteln - und das im derzeit am schnellsten wachsenden Marktsegment. Trainingsdaten für KI-Szenarien mit höchster Performance zu bearbeiten, ist eine Spezialität von Nvidia. Intel hinkt hier weit hinter dem Wettbewerber her, daran dürfte auch zunächst die 400 Millionen teure Übernahme des Deep-Learning-Spezialist Nervana Systems nichts ändern. Immerhin investierte der Konzern unter Krzanich massiv in neue Technologien, die den Prozessorriesen langfristig in neuen Märkten voranbringen dürften. Unternehmen wie Altera und Mobileye schlugen mit jeweils mehr als 15 Milliarden Dollar zu Buche.

Auch mit dem auf Mobilfunk-Kommunikation spezialsierten Halbleiterhersteller Qualcomm ist Intel ein unangenehmer Rivale erwachsen: Qualcomm greift Intel heute im angestammten Geschäft mit Windows-PCs und Laptops an. Der Prozessor Snapdragon 835 adressiert dabei weniger den Kundenwunsch nach hoher Performance, sondern er ist auf eine besonders batterieschonende Arbeitsweise ausgerichtet. Gerade im Business-Bereich, wo nicht jeder Rechner komplexe Grafikverarbeitung bewältigen muss, dürften tragbare Rechner mit Akkus, die bis zu zwei Arbeitstage durchhalten, gefragt sein.

Solide Quartalzsahlen trotz aller Herausforderungen

Trotz allem liefen die Geschäfte bei Intel unter Krzanich gut, vor allem in den letzten Quartalen konnte der Konzern wieder zulegen. Das Unternehmen erfreut sich eines starken Wachstums im Serversegment und gab eine positive Prognose für das Ergebnis des zweiten Quartals ab. Das liegt wohl auch an der Kostendisziplin, die der 2016 von Ebay geholte Finanzchef Swan dem Unternehmen verordnet. Auch die Intel-Aktie hat sich seit dem vergangenen Herbst kräftig erholt, nachdem zuvor der Börsenboom, den vor allem Nvidia erlebt hatte, an Intel spurlos vorbeigegangen war.

Gleichwohl kommt es für den Konzern jetzt darauf an, in vielversprechenden Wachstumsmärkten wie 5G-Mobilfunk, fahrerlose Autos, maschinelles Lernen und dem Internet der Dinge Präsenz zu zeigen. Hier wird sich Intel etwas einfallen lassen müssen, um Nvidia und Qualcomm herauszufordern. Die Analysten von Barclays resümierten denn auch in einer Notiz an Investoren, der ungeplante Wechsel an der Spitze könne eine Chance für Intel sein. Unter einem neuen CEO, den das Unternehmen nun suchen muss, werde der Konzern seine Position im Chipmarkt möglicherweise neu und besser definieren. (hv)