Telecom-Markt im Umbruch/Telekommunikationsgesetz 1996

Äußerst vages Kursbuch für das Abenteuer Telekommunikation

28.06.1996

Das Telekommunikationsgesetz 1996 soll die vorläufig letzte Runde der Liberalisierung und Privatisierung des deutschen Telekommunikationsmarktes einläuten. Die Postreform I aus dem Jahre 1989 hatte bereits mit der Trennung der Aufsichtsfunktion (die seinerzeit dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) übertragen wurde) von der unternehmerischen Tätigkeit sowie der Verselbständigung der damaligen drei Postunternehmen Deutsche Bundespost Telekom, Deutsche Bundespost Postdienst und Deutsche Bundespost Postbank die wesentlichen Voraussetzungen dafür geschaffen. Seit 1989 ist zudem der Endgerätemarkt vollständig liberalisiert - jedermann kann also Telekommunikations-Einrichtungen (Telefone, Anrufbeantworter, Nebenstellenanlagen, Vermittlungseinrichtungen etc.) besitzen, herstellen und vertreiben, sofern dieses Equipment bestimmte technische Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

"Wettbewerb als die Regel, Monopol als die Ausnahme" lautete damals schon das Motto, und in den Bereichen Mobilfunk und Satellitenfunk wurde dies zum Vorteil der Kunden - vor allem auch im internationalen Maßstab - schnell in die Tat umgesetzt. Was blieb, waren die Telekom-Monopole bei der Netzinfrastruktur und beim öffentlichen Telefondienst.

Mit dem Telekommunikationsgesetz 1996 sollen nun auch diese Einschränkungen obsolet werden und Deutschland damit zu einem der Länder mit den weltweit liberalsten Regelungen für den Telekommunikationsmarkt machen. Dieser Entwicklung vorausgegangen war die Postreform II, die 1994 die Grundlagen für die Umwandlung der damaligen Deutschen Bundespost Telekom in eine Aktiengesellschaft und damit den für den Herbst geplanten ersten Teil des Börsenganges des Unternehmens legte.

Ursprünglichen EU-Richtlinien folgend, sollte das Gesetz zunächst den Telekommunikationsmarkt zum 1. Januar 1998 öffnen. Durch die lange Zeit auf tönernen Füßen stehende strategische Allianz der Telekom mit France Télécom und Sprint wurde der Fahrplan jedoch beschleunigt.

Die amerikanische Regulierungsbehörde FCC und die EU-Kommission bestanden darauf, daß eine Genehmigung des Joint-ventures Global One nur dann erfolgen kann, wenn Frankreich und Deutschland zumindest ihre Märkte für Anbieter alternativer Netzwerkinfrastruktur unverzüglich öffnen. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat dies für den 1. Juli 1996 zugesagt, und der Entwurf des Telekommunikationsgesetzes 1996 sieht auch entsprechendes vor. Lediglich die Vorschriften zur Liberalisierung des Sprachdienstmonopols bis zum 1. Januar 1998 blieben unberührt.

Wettbewerbern bietet das neue Telekommunikationsgesetz verschiedene Chancen. Sie können künftig eine oder mehrere der neuen Telekommunikationslizenzen beantragen. Die Zahl der Lizenznehmer ist grundsätzlich unbegrenzt. Eine Lizenz kann jeder erhalten, der über die erforderliche Sachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit verfügt. Nur wenn keine nutzbaren Frequenzen (zum Beispiel im Bereich des Mobilfunks) vorhanden sind, kann eine Lizenz verweigert werden. In diesem Fall erfolgt ein Ausschreibungsverfahren oder eine Versteigerung der Frequenzen. Das Telekommunikationsgesetz 1996 sieht ferner vor, daß binnen sechs Wochen über einen Lizenzantrag zu entscheiden ist.

Lizenzpflichtig ist ferner der Betrieb von Übertragungswegen, die zum Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit genutzt werden. Gleiches gilt für öffentliche Sprachtelefondienste, wenn hierfür eigene Telekommunikationsnetze verwendet werden. Der Wiederverkauf von Sprachtelefon- Dienstleistungen (zum Beispiel durch die diversen Service-Provider im Mobilfunk oder im Rahmen sogenannter Call-Back-Dienste) erfordert demnach künftig keine Lizenz. Die vor dem Erlaß des Telekommunikationgesetztes 1996 erteilten Lizenzen und Genehmigungen behalten zudem ihre Gültigkeit.

Während die Lizenzklassen 1, 2 und 3 das heutige Netzmonopol ablösen und mit Verkündigung des Telekommunikationsgesetzes 1996 erteilt werden können, müssen die Wettbewerber der Telekom bis zum 1. Januar 1998 warten, um öffentliche Sprachtelefondienste - einschließlich der dann nicht mehr lizenzpflichtigen Dienste - anbieten zu können. Die entsprechenden Lizenzen werden voraussichtlich schon ab dem Jahr 1997 erteilt und treten frühestens am 1. Januar 1998 in Kraft. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es bei den bisherigen Regeln, die insbesondere hinsichtlich der Genehmigung von Sprachtelefondiensten für geschlossene Benutzergruppen "kreativen" Marktteilnehmern die eine oder andere interessante Möglichkeit eröffnen dürften.

Die Regulierung sogenannter marktbeherrschender Anbieter im Telekommunikationsgesetz 1996 soll sicherstellen, daß sich Wettbewerb in einem durch das frühere Monopol geprägten Umfeld entwickeln kann. Die Vorschriften richten sich zunächst überwiegend gegen die Telekom - und die Frage der räumlich und sachlich relevanten Märkte für die Feststellung der Marktbeherrschung im Sinne von Paragraph 22 GWB (2) (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Anm. d. Red.) wird einschlägige Experten in den nächsten Jahren mit Sicherheit hinreichend beschäftigen.

Grundsätzlich gilt, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen Wettbewerbern auf diesem Markt den Zugang zu seinen intern genutzten und zu seinen am Markt angebotenen Leistungen, soweit sie wesentlich sind, zu den Bedingungen zu ermöglichen hat, die es "sich selbst bei der Nutzung dieser Leistungen" einräumt (Paragraph 32, Absatz 1 des neuen Telekommunikationsgesetzes).

Offener Netzzugang führt zu Problemen

Insbesondere sind dabei die EU-Anforderungen zur Verwirklichung eines offenen Netzzugangs einzuhalten. Dies bedeutet zum Beispiel, daß die Telekom ihren Wettbewerbern Inkasso-Dienstleistungen, also die Abrechnung beziehungsweise Einziehung von Teilnehmergebühren ebenso zur Verfügung stellen muß wie Netzwerk-Services und technische Schnittstellen. Man muß kein Prophet sein, um vorherzusehen, daß es künftig bezüglich der internen Verrechnung dieser Dienstleistungen und insbesondere der Angemessenheit der jeweiligen Verrechnungstarife heftige Auseinandersetzungen geben wird.

Die Entscheidung dieser Streitfragen wird einer der wesentlichen Aufgabenbereiche der künftigen Regulierungsbehörde sein. Die Erfordernis, für lizenzierte und nicht-lizenzierte Geschäftsfelder marktbeherrschender Unternehmen eigene Rechnungslegungs-Kreisläufe einzuführen, ist dabei nur eines der Instrumente, mit denen der Regulierungsbehörde die Bewältigung dieser Aufgabe ermöglicht werden soll.

Rechtsanspruch auf die Interconnection

Offener Netzzugang und Zusammenschaltung sind weitere wesentliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Wettbewerb. Aufgrund der hohen Kosten für den Aufbau einer wettbewerbsfähigen Netzinfrastruktur werden die privaten Anbieter zumindest in der Anfangsphase darauf angewiesen sein, die Netze anderer Marktteilnehmer und insbesondere der Telekom mitbenutzen zu können. Nur wenige Unternehmen werden die Investitionen aufbringen können, die beispielsweise notwendig sind, um alle Haushalte flächendeckend mit einem Telefonanschluß zu versorgen. Die Kritik der möglichen Wettbewerber an dem Entwurf des Telekommunikationsgesetzes 1996 richtete sich daher - nicht ganz unberechtigt - vor allem auch gegen die ihrer Auffassung nach unzureichenden Vorschriften für die Ausgestaltung des Netzzuganges und der Zusammenschaltung (Interconnection). Tatsächlich besteht in diesem Bereich erhebliches "Diskriminierungspotential", insbesondere für marktbeherrschende Unternehmen, und klarere Regelungen wären hier mehr als wünschenswert gewesen.

Das Telekommunikationsgesetz 1996 gibt den Wettbewerbern einen Rechtsanspruch auf offenen Netzzugang und Zusammenschaltung. Dies gilt auch, wenn die Beteiligten nicht marktbeherrschende Unternehmen sind. In diesem Fall besteht zunächst eine Verhandlungspflicht. Die weiteren Regelungen bleiben jedoch einer durch die Bundesregierung noch zu erlassenden Zusammenschaltungsordnung überlassen. Es bleibt zu hoffen, daß diese den Wettbewerbern die Planungssicherheit gibt, die sie zum Aufbau einer alternativen Dienstleistungspalette benötigen. Dabei sollte auch die in einem früheren Entwurf enthaltene Veröffentlichungspflicht der Zusammenschaltungsvereinbarungen wieder aufgegriffen werden. Eine strukturelle Trennung der Telekommunikationsaktivitäten von Unternehmen, die auf anderen Märkten eine marktbeherrschende Stellung haben, soll insbesondere Bedenken Rechnung tragen, die die im neuen Telekommunikationsmarkt besonders engagierten Energieversorgungsunternehmen betreffen. Diesen wird bekanntlich vorgeworfen, daß sie möglicherweise mit Geldern, die sie in ihren eigenen Monopolbereichen erwirtschaften, ihre neuen und aufwendigen Telecom-Aktivitäten quersubventionieren.

Die Unentgeltlichkeit der Benutzung öffentlicher Wege ist seit Vorstellung des ersten Entwurfs des Telekommunikationsgesetzes eine der am heftigsten umstrittenen Regelungen.

Die Deutsche Telekom AG und ihre Vorgänger haben und hatten seit je her das im Telegrafenwegegesetz verbriefte Privileg, öffentliche Straßen und Wege kostenlos und über ein im wesentlichen selbstbestimmtes Planungsverfahren zur Verlegung von Fernmeldeleitungen nutzen zu können. Mit dem Aufbau alternativer Netzinfrastrukturen stellte sich jedoch die Frage, ob die Telekom dieses Recht verlieren sollte, oder ob es auch auf die anderen Wettbewerber auszudehnen ist. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat sich für letzteres entschieden - die vermeintlich einfachere, wohl aber auch im Interesse aller Beteiligten liegende Lösung. Der Umstand, daß das neue Gesetz trotz eines allgemeinen und parteiübergreifenden Konsenses im Bundestag nun auch aus diesem Grund im Vermittlungsausschuß gelandet ist, zeigt aber, daß dabei die Rechnung ohne die Länder und Kommunen gemacht wurde. Diese bestehen (zumindest noch offiziell) darauf, daß ähnlich wie im Bereich der Energieversorgung auch die Telekommunikationsunternehmen eine Gebühr für die Nutzung der öffentlichen Trassen bezahlen sollen.

Tatsächlich wäre die im Telekommunikationsgesetz 1996 vorgesehene Unentgeltlichkeit für die Marktteilnehmer auch nichts wert, wenn sie nicht auch durch ein schnelles und kostengünstiges Vergabeverfahren abgesichert wird. Dies um so mehr, wenn - wie in manchen innerstädtischen Bereichen zu vermuten ist - nicht in einem ausreichenden Maße Trassen zur Verlegung der Leerrohre zur Verfügung stehen. Die dann letztlich pragmatische Auflage, gegebenenfalls Leerrohrkapazitäten zur Verlegung von Telekommunikationsleitungen teilen zu müssen, dürfte nicht immer zu befriedigenden Ergebnissen führen. Ein marktwirtschaftlich ausgerichtetes Vergabeverfahren, das auch den Bedenken der Länder und Kommunen gegen die Unentgeltlichkeit Rechnung getragen hätte, wäre vermutlich in der Lage, zumindest einen Anreiz zur ökonomischen Nutzung von Leerrohren zu bieten. Die Stadt Frankfurt am Main hat mit dem Abschluß von Verträgen mit zwei alternativen Netzbetreibern gezeigt, daß sich schnelle und im Interesse der Beteiligten liegende Lösungen finden lassen.

Den Verbrauchern soll das Telekommunikationsgesetz 1996 zunächst über vielfältigen Wettbewerb eine Verbesserung des Dienstleistungsangebots sowie eine Senkung der Tarife bringen. Derartig positive Entwicklungen haben sich bereits in der Vergangenheit überall dort gezeigt, wo Wettbewerb eingeführt wurde, etwa im Endgerätemarkt, im Mobilfunk und auch im Bereich alternativer Stadtnetze.

Zudem sollen Universaldienstleistungen sicherstellen, daß bei aller Betonung des Wettbewerbs nicht ein Mindestmaß an Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen verloren geht. Die Bundesregierung kann daher über eine sogenannte Universaldienstleistungsverordnung verschiedene Services (zum Beispiel Basisanschluß, Auskunftsdienst, öffentliche Telefonzellen etc.) festlegen, die flächendeckend zu erschwinglichen Preisen angeboten werden müssen.

Wird festgestellt, daß dies nicht der Fall ist, schreibt die Regulierungsbehörde die Universaldienstleistung zur Erbringung aus und der Anbieter, der bereit ist, die Leistung zu den besten Konditionen, höchstens aber zu dem festgesetzten erschwinglichen Preis, zu erbringen, wird damit beauftragt. Findet sich kein Unternehmen, das hierzu bereit ist, kann die Regulierungsbehörde ein - auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt - beherrschendes Unternehmen zur Erbringung dieser Dienstleistung verpflichten.

Sollte das in die Pflicht genommene Unternehmen geltend machen, daß es den festgesetzten erschwinglichen Preis für die Universaldienstleistung nur anbieten kann, wenn es entsprechende Subventionen erhält, wird die Dienstleistung nochmals ausgeschrieben - diesmal mit dem Ziel der Vergabe an den Anbieter, der die geringsten Ausgleichszahlungen fordert. Erst wenn dies fehlschlägt, erfolgt die endgültige Verpflichtung eines marktbeherrschenden Unternehmens. Die Ausgleichszahlung, die dem "Ausschreibungssieger" beziehungsweise dem verpflichteten Unternehmen gewährt wird, ist durch eine Universaldienstleistungsabgabe zu finanzieren, die alle Lizenznehmer im betreffenden Markt mit einem Mindestumsatzanteil von fünf Prozent, leisten müssen.

Dem Kundenschutz wird durch die Ermächtigung der Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung zum Schutz der Verbraucher erlassen zu können, Rechnung getragen. Es ist zu erwarten, daß sich diese Rechtsverordnung an die bestehende Telekommunikations-Kundenschutzverordnung, die das Verhältnis der Telekom zu ihren Kunden regelt, anlehnen wird. In der Liste der diesbezüglich aufgeführten Regelungsinhalte fehlt allerdings ein für die "Startphase" wesentlicher Punkt: Die Möglichkeit der Kündigung in der Vergangenheit abgeschlossener langfristiger Verträge. Nur wenn die Kunden mit Einführung des Wettbewerbs auch die Möglichkeit eines Anbieterwechsels haben, wird die Entfaltung des Wettbewerbs beschleunigt.

Das Fernmeldegeheimnis und der Datenschutz nehmen einen breiten Raum im Telekommunikationsgesetz 1996 ein. Daneben wird es auch künftig eine gesonderte Datenschutzverordnung für Unternehmen, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringen, geben. Zusammen mit den Regeln des Bundesdatenschutzgesetzes wird so ein Dickicht an (scheinbaren) Schutzvorschriften ausgebaut, von dem zu befürchten ist, daß es unter Umständen Unternehmen abschrecken könnte, sich mit spezifischen Angeboten überhaupt auf dem deutschen Markt zu engagieren (etwa im Bereich Online-Dienste). Gleichzeitig ist aber auch eine Überforderung der Verbraucher zu befürchten, die ohne intensive Beschäftigung mit der Materie ihre vielfältigen Rechte zur Verweigerung der DV beziehungsweise zur Auskunft über DV- Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen und ausüben können.

Hinzu kommt, daß alle Lizenznehmer einen Sicherheitsbeauftragten zu ernennen und ein Sicherheitskonzept zu erstellen haben, um einen dem Stand der Technik entsprechenden Schutz ihrer Telekommunikationsanlagen vor unerlaubten Zugriffen Dritter, erheblichen Störungen und äußeren Einwirkungen zu gewährleisten. Zumindest vom wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet bedenklich sind auch die Vorschriften zur technischen Umsetzung von staatlichen Überwachungsmaßnahmen. Die Betreiber von Telekommunikationsanlagen müssen auf ihre Kosten die technischen Einrichtungen zur Umsetzung der gesetzlich vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen bereitstellen. Erst wenn dies der Regulierungsbehörde angezeigt wurde, darf der Betrieb der Anlage aufgenommen werden. Wegen der hohen Kosten, die mit dem technischen Aufwand, zum Beispiel im Bereich des digitalen Mobilfunks, verbunden sind, ist weiterer erheblicher Widerstand der Lizenznehmer gegen diese Bestimmung so gut wie vorprogrammiert. Da sich der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht nur auf Sprachdienstleistungen beschränkt, wird sich für viele Unternehmen im Bereich der Datendienste neben der Frage der technischen Umsetzung zwangsläufig auch die berühmte "Standortfrage stellen.

Regulierungsbehörde wird eine Bundesoberbehörde, die dem Bundesministerium für Wirtschaft untergeordnet ist. Ihre Leitung erfolgt durch einen Präsidenten und zwei Vizepräsidenten, die auf Vorschlag eines Beirates durch die Bundesregierung benannt und durch den Bundespräsidenten ernannt werden. Ein weiterer Grund der Verweisung des Tele- kommunikationsgesetzes in den Vermittlungsausschuß soll die relative Bedeutungslosigkeit des aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates bestehenden Beirates gewesen sein. So kann die Bundesregierung gemäß dem letzten Entwurf des Telekommunikationsgesetzes 1996 das Vorschlagsrecht des Beirates bei der Benennung des Präsidenten und der Vizepräsidenten umgehen.

Mittlerweile ist allerdings zu befürchten, daß die Position und damit die Einflußmöglichkeiten des nach Ansicht der meisten Fachleute ohnehin überflüssigen Beirats vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes aufgewertet wird. Schon die Gerüchte um die Person des ersten Präsidenten zeigen (Angeblich ist der SPD-Bundestagsabgeordnete und Postexperte Arne Börnsen im Gespräch, Anm. d. Red.), daß die Rolle der Regulierungsbehörde in einem vermutlich der Sache selbst nicht dienenden Sinne "politisiert" wird. Nicht ohne Grund ist man in anderen Ländern durch eine bewußte Abgrenzung der Regulierungsbehörde von politischen Organen und Persönlichkeiten einen anderen Weg gegangen (zum ersten Chef der britischen Regulierungsbehörde Oftel wurde beispielsweise ein Wissenschaftler ernannt).

Durch die bevorstehende Privatisierung der Telekom befindet sich jedoch die deutsche Politik zwangsläufig in einer Interessenkollision. Zu groß scheint die Gefahr beziehungsweise Versuchung, zur Förderung des Privatisierungserfolges oder zur Sicherung des Besitzstandes der im internationalen Vergleich noch bei weitem zu hohen Zahl der Telekom-Mitarbeiter den noch jungen Wettbewerb in seiner Entwicklung nachhaltig kontrollieren und damit einschränken zu wollen.

Neben den bereits erwähnten Zuständigkeiten bei der Lizenzerteilung, der Überwachung und Garantie eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs und dem Verbraucherschutz hat die Regulierungsbehörde auch die Aufgabe der Frequenzzuordnung und Rufnummernverwaltung. Die Frequenzzuordnung soll in Übereinstimmung mit internationalen Vereinbarungen die effiziente und störungsfreie Nutzung der Funkfrequenzen sicherstellen.

Vor allem die Rufnummernverwaltung ist eine in ihrer Bedeutung oft unterschätzte Aufgabe. Das Telekommunikationsgesetz 1996 hat dies durch eine Verpflichtung der Netzbetreiber bis zum 1. Januar 1998 sichergestellt, daß die Kunden bei einem Wechsel des Netzbetreibers ihre Rufnummer behalten können (natürlich nur, wenn kein Wohnortwechsel vorliegt). Man spricht in diesem Zusammenhang von der Netzbetreiberportabilität.

Freie Wahl des Netzbetreibers garantiert

Eine weitere Verpflichtung der Anbieter besteht darin, den Kunden die Möglichkeit einzuräumen, den Netzbetreiber, über den die Verbindung in das Telekommunikationsnetz aufgebaut wird, frei auswählen zu können - das heißt zum Beispiel, es einem Kunden in München, der ein privates öffentliches Telekommunikationsnetz in Hamburg anwählen will, freizustellen, welchen Netzbetreiber er für die Verbindungsstrecke München-Hamburg wählt. Die Bedeutung, die den beiden genannten Verpflichtungen zugemessen wird, ist auch aus dem möglichen Zwangsgeld zur Durchsetzung dieser Verfügungen ersichtlich, das bis zu einer Million Mark betragen kann. Ein nicht explizit im Telekommunikationsgesetz 1996 angesprochenes Thema ist zudem die sogenannte Wahlgleichheit, die verlangt, daß eine Diskriminierung einzelner Anbieter durch Zuweisung ungünstiger Rufnummern (zum Beispiel Vorwahl einer gesonderten Netzkennzahl oder ähnliches) ausgeschlossen werden muß.

Was bleibt abschließend festzuhalten: Das Telekommunikationsgesetz 1996 wird es schwer haben, alle hochgesetzten Erwartungen an ein liberalisiertes Telekommunikationsumfeld zu erfüllen. Nachbesserungsbedarf besteht insbesondere hinsichtlich der Aufstellung effizienter Verfahren zur Sicherung und vor allem zur Durchsetzung der Rechte der Wettbewerber. Zu einer großen Gefahr für die Entwicklung des Wettbewerbs könnte ferner die sich abzeichnende "Politisierung" der Regulierungsbehörde werden.

Dem Interesse der beteiligten Firmen aber vor allem auch der Verbraucher wäre besser gedient, wenn das "Abenteuer Telekom- munikation" für die neu in den Markt eintretenden Unternehmen durch klare, kurze und effiziente Entscheidungswege die nötige Planungssicherheit böte. Dies gilt für die Frage der Entgeltlichkeit der Wegerechte ebenso wie für die Feststellung von Wettbewerbsverstößen.

In diesem Sinne hätte man es durchaus begrüßen müssen, wenn das Telekommunikationsgesetz auch eindeutig Stellung zur Regulierung der neuen elektronischen Informationsdienste genommen und das Feld nicht dem Bundesministerium für Forschung mit dem Entwurf eines Mediendienst-Staatsvertrags überlassen hätte. In diesem Fall wäre aber vermutlich mit einer Verabschiedung des Gesetzes in absehbarer Zeit nicht zu rechnen gewesen.

Zu hoffen bleibt, daß das Ziel, das Telekommunikationsgesetz 1996 noch vor der Sommerpause zu verabschieden, trotz der jüngsten Entscheidung des Bundesrates noch erreicht werden kann. Sollte dies wider Erwarten nicht gelingen, bleibt es zunächst beim Status quo. Problematisch würde damit die Situation erst zum 1. Januar 1998, denn dann verlieren die wesentlichen Gesetze und Vorschriften im Bereich der Telekommunikation aufgrund einer durch die Postreform II eingeführten zeitlichen Beschränkung ihre Wirksamkeit.

Kundenschutzverordnung

Die Kundenschutzverordnung regelt insbesondere:

- die Haftung der Anbieter

- Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche der Kunden

- die Entbündelung von Telekommunikationsdienstleistungen

- die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter

- Informationspflichten der Anbieter

- Angebotsänderungen

- Rechnungsstellung sowie

- außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren.

Lizenzklassen

Künftige Lizenzklassen für den Betrieb von Übertragungswegen (gültig mit der Verkündung des Gesetzes)

Lizenzklasse 1:

Mobilfunklizenz (Öffentlichkeit)

Lizenzklasse 2:

Satellitenfunklizenz (Öffentlichkeit)

Lizenzklasse 3:

andere Dienstleistungen für die Öffentlichkeit sowie Sprachtelefondienst (ab 1.1.1998)

Lizenzklasse 4:

Sprachtelefon-Dienstleistungen auf Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze

Sprachmonopol

Das Sprachdienstmonopol untersagt die zeitgleiche Vermittlung von Sprache für einen unbeschränkten Personenkreis das heißt, abgesehen von