Wenig Interesse bei etablierten Carriern

ADSL wird den europäischen Markt nur sehr langsam durchdringen

16.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Stagnierende Umsätze und fallende Margen zwingen die TK-Anbieter, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Als eine Möglichkeit gilt das Verfahren Asymmetric Digital Subscriber Line (ADSL), alleiniger Heilsbringer ist es nach Einschätzung der Yankee Group jedoch nicht.

Für den Vertrieb und die Nutzung von ADSL gibt es zwei entscheidende Argumente: Zum einen stößt ADSL in neue Geschwindigkeitsdimensionen vor. Selbst heutige Schmalspurvarianten, die mit 512 Kbit/s bis zu 2 Mbit/s deutlich unter den theoretisch möglichen 8 Mbit/s bleiben, sind für Video-Übertragungen, Online-Konferenzen, Musik-Downloads und Sprachkommunikation geeignet. Zum zweiten entfallen für den Anwender die Einwahlroutinen. ADSL unterhält eine Permanentverbindung zum Internet, so dass die Anbieter streng genommen auf eine rein volumenbasierte Abrechnung umstellen könnten.

Dass ADSL-Dienste sich zu einem gewichtigen Umsatzträger für die europäischen Carrier entwickeln werden, bezweifelt die Yankee Group - zumindest was die nächsten fünf Jahre betrifft. So soll die Marktdurchdringung im Jahr 2005 europaweit gerademal 8,4 Prozent betragen. Das liegt auch daran, dass ADSL für die Anbieter sehr teuer ist. Pro angebundenen Kunden rechnen die Analysten mit einem Preis von 300 bis 500 Dollar. Um beispielsweise alle bislang ans Internet angeschlossenen Anwender auf ADSL umzustellen, wäre somit ein Investitionsvolumen von 25 Milliarden Dollar erforderlich.

Vor allem die etablierten, ehemals staatlichen TK-Anbieter dürften wenig Interesse an einem schnellen Umstieg auf ADSL haben. Sie kontrollieren in den meisten europäischen Ländern den Zugang zum Endkunden und bedienen im Durchschnitt ein Drittel der Internet-Zugänge. Gerade Letzteres ist für die Carrier in Zeiten schwindender Margen und langsamer Umsatzsteigerungen im Basisgeschäft ein sicherer Umsatzträger. So beziffert die Yankee Group beispielsweise die jährlichen Zuwachsraten bei den Telefondiensten auf maximal zwei Prozent pro Jahr, ab dem Jahr 2001 soll der Markt in einigen Ländern sogar schrumpfen.

Von den marktbeherrschenden TK-Anbietern erwartet die Yankee Group keine Initialzündung für den ADSL-Markt. Für neue Carrier ist angesichts der mangelnden Infrastruktur beim Endkundenzugang der entbündelte Teilnehmeranschluss die wichtigste Voraussetzung für ein entsprechendes Angebot. In Europa gibt es allerdings derzeit nur wenige neue Anbieter mit konkreten ADSL-Plänen, und zwar nur in Ländern, in denen der entbündelte Teilnehmeranschluss vereinbart wurde.

Abb: Stetiges Wachstum prognostiziert die Yankee Group dem Zugriffsverfahren ADSL. Eine große Verbreitung in den Haushalten wird es auf absehbare Zeit dennoch nicht erreichen. Quelle: The Yankee Group