Anti-lBM-Strategen auf dem Weltkongreß der DV-Dienstleistungsindustrie:

ADR: IBM sollte gesechsteilt werden

18.07.1980

SAN FRANCISCO- Die größten IBM-Konkurrenten im Softwaregeschäft formierten sich beim Weltkongreß der "Association of Data Processing Service Organizations" (Adapso) in San Francisco zu einer Gruppe, die sich die Köpfe darüber zerbricht, wie man dem Koloß zu Leibe rücken kann.

Martin A. Goetz, Senior Vice President der Applied Data Research Inc., ADR, schlägt dem amerikanischen Justizministerium, das in Sachen Antitrustvergehen bereits mit IBM im Clinch liegt, sowohl eine horizontale als auch vertikale Entflechtung des Konzerns in sechs operativ voneinander unabhänige Gesellschaften vor. Die ADR ist bereits als Zeugin gegen IBM im Antitrustverfahren aufgetreten. Hier der Bericht des CW-Korrespondenten.

Goetz meinte im einzelnen: Gegenwärtig verhandelt das amerikanische Justizministerium mit IBM mit dem Ziel, IBM einvernehmlich zu einer weltweiten Teilung seiner Computer-Division in mindestens zwei völlig voneinander unabhängige Gesellschaften, eine Software-Firma und eine Hardware-Firma aufzuteilen. IBM weigert sich bisher rigoros.

Vertikal und horizontal

Schon 1969 und Anfang 1970 wollte die amerikanische Regierung IBM in fünf ungefähr gleich große Gesellschaften aufbrechen. Jede der fünf Gesellschaften sollte den anderen in etwa gleichen, nur eben kleiner sein als die gegenwärtige Gesellschaft. Man versprach sich von dieser sogenannten horizontalen Entflechtung insgesamt mehr Wettbewerb, fand damit aber wenig Gegenliebe in der übrigen Computerindustrie. Die Mitbewerber fürchteten, daß "sich fünf mittlere Tiger am Markt als gefräßiger erweisen würden, als ein großer", daß sich an der Diskriminierung der Software-Anbieter durch das Bündeln von Hard- und Software nichts ändern werde, daß IBM den Markt für Peripherie-Geräte in der Hand behalten werde, daß IBM weiter mit dem Instrument der Vorankündigung operieren könne und daß der Wettbewerbsvorteil der IBM als der Welt großer Computer-Lehrmeister erhalten bleibe. Schließlich wurde von Benutzern vorgebracht, daß eine horizontale Entflechtung der IBM zur Entwicklung nicht kompatibler Hard- und Software beitragen könne.

Obwohl sich seit 1970 die Marktbedingungen zum Teil als Folge der damaligen Verfahren, zum Teil aber auch als Folge sowohl des Hardware- als auch des Software-Wettbewerbs geändert hätten, hält Goetz die Marktüberlegenheit der IBM nach wie vor für zu groß; deshalb greift er mit folgendem Vorschlag in die Verhandlungen des amerikanischen Justizministeriums mit der IBM ein.

Die IBM solle vertikal und horizontal zugleich entflochten werden. Es solle die Bildung von mindestens sechs gesellschaftsrechtlich, wirtschaftlich, personell und in jeder Hinsicht operativ voneinander unabhängigen Nachfolgegesellschaften erzwungen werden:

- eine Software-Gesellschaft

- zwei Hardware-Gesellschaften

- eine Peripherie-Gesellschaft

- eine Gesellschaft für Lieferungen an die öffentlichen Hände

- eine Gesellschaft für Büromaschinenprodukte.

Goetz glaubt, eine derartige Entflechtung werde die monopolartige Stellung der IBM in der Computer-Industrie abbauen, weil sie

- zur Entwicklung, Veröffentlichung und Einhaltung von Hardware- und Software-Standards und Schnittstellen zwingen werde,

- die personelle Überlegenheit im vertrieblichen Bereich verringere,

- geschlossene Teil-Märkte und Gegengeschäfte aufbrechen,

- für Wettbewerbspreise sorgen,

- die Qualität der IBM-Software verbessern und

- sowohl Software- als auch Hardware-Produkte länger am Markt halten werde.

Verstreute Software-Zentren

In seinem Vortrag setzte sich Goetz gleich mit zwei Einwänden auseinander, die er erwartet. Könne der Marktführer in einer "getrennten" Gesellschaft überhaupt die zu der in einer anderen Gesellschaft entwickelten Hardware passende Software produzieren?

Er bringt dazu vor: Schon jetzt werde die Software in über die ganze Welt verstreuten Software-Zentren entwickelt, die zum Teil bereits weitgehend das Eigenleben unabhängiger Gesellschaften entwickelten. IBM veröffentlichte intern Hardware-Spezifikationen. Beispiele seien der PL/1Compiler und CICS, die aus Großbritannien stammten, Teile des Betriebssystems der Serie 4300, die aus Deutschland stammten, und, neben vielem anderen, Sortiergeneratoren, die in Schweden entwickelt seien. Außerdem habe IBM auch seit den 60er Jahren substantiell wesentliche Teile von Betriebssystemen und Anwendungssoftware extern, das heißt von unabhängigen Software-Firmen entwickeln lassen.

Es werde der Gesamtqualität der IBM-Software ganz erheblich zugute kommen, wenn der Konzern prinzipiell gezwungen sein werde, die Gesamtentwicklung seiner Software dem Markt zu überlassen und nicht jeweils an zufällig gerade freie Entwicklungsabteilungen des eigenen Hauses zu übergeben oder an Software-Firmen, die nach von den IBM-Anwendern nicht beeinflußbaren Kriterien ausgesucht würden. Unabhängige Software-Hersteller hätten in der Vergangenheit immer und immer wieder bewiesen, daß es praktisch kein IBM-Produkt gebe, zu dem Unabhängige nicht eine bessere oder wirtschaftlichere Alternative hätten. Diese Leistungsverbesserung werde durch seinen Vorschlag institutionalisiert.

Der zweite Einwand lautet so: Wenn IBM eine eigene Software-Firma bildet, wird sie so groß sein, daß sie den gesamten übrigen Markt zertrampelt. Man solle doch nicht so dumm sein, den schlafenden Löwen zu wecken.

Dies war in der Tat der Punkt, in dem Goetz später vom Publikum zum Teil mit heftigen Worten (rubbish) widersprochen wurde. Das Publikum bestand in San Francisco aus Vertretern eigentlich aller Firmen, die weltweit im Software-Geschäft Rang und Namen haben. Dieses Publikum bestritt Goetz ganz entschieden, für seine Vorschläge ein Mandat der ganzen Branche zu haben. Trotz aller Tricks und in den USA, unerlaubten Diskriminierungen, mit denen sich die IBM ihrer Wettbeweber zu erwehren suche, sei es geschäftlich aussichtsreicher, im Windschatten der zum Teil schweren Fehler zu segeln, die IBM allein wegen seiner immensen Größe unterliefen. Wenn es erst ein eigenes, gesellschaftsrechtlich unabhängiges, auf Gewinn hungriges IBM-Software-Management gebe, werde es wesentlich weniger Planungsfehler, Abstimmungslücken und Lieferverzögerungen bei der IBM geben als jetzt. Und dies sei nun einmal für die Branche das Fundament des Geschäfts.

Der Redner hielt dem entgegen, daß der Löwe keineswegs schlafe, er sei ausgeruht und umsatzhungriger denn je. Für 1979 sei der IBM-Software-Umsatz bereits auf eine Größenordnung von 1 Milliarde Dollar zu schätzen, für 1985 sei mit einer Größenordnung

von 3 bis 5 Milliarden Dollar zu rechnen, und konservative Hochrechnungen vermuteten daß zum Ende des Jahrzehnts etwa die Hälfte von IBMs Umsatz auf Software-Produkte entfallen werde. Der Riese konzentriere auch jetzt schon seine Anstrengungen intensiv auf Software-Entwicklung, stelle dort zum Beispiel jedes Jahr Tausende von Absolventen aus den Hochschulbereichen der Computer-Wissenschaften ein.

Angst vor der schieren Größe

In der gleichen Veranstaltung des Kongresses äußerte sich Ken Simonds Vice President von Amdahl, USA, ebenfalls zu der IBM Dominanz. Er führte die Marktstärke nicht in erster Linie auf deren schiere Größe, sondern auf die Ängstlichkeit vieler Mitbewerber vor dieser Größe, aber auch darauf zurück, daß IBM nach wie vor das Instrument der Vorankündigungen meisterhaft benutze.

Aus dem Publikum wurde mehrfach über die immer restriktiver werdende Informationspolitik der IBM geklagt. In der Praxis seien Einzelheiten über Interfaces und Software-Standards immer schwerer und immer später erhältlich - und immer weniger detailliert zugänglich. Vor allem aber mache IBM den Wettbewerben das Leben dadurch schwer, daß die Gesellschaft gelegentlich ohne vorherige Veröffentlichung winzige Kleinigkeiten in der Software oder in Hardware-Schnittstellen ändere.

Simonds ging auf diese Vorwürfe mit der Forderung ein, IBM solle darauf festgelegt werden, ausnahmslos alle Änderungen der Interface-Architekturen mindestens ein Jahr vor der entsprechenden Kundenauslieferung zu veröffentlichen.