Photoshop 5.5 mit Image Ready

Adobe strukturiert Palette der Bildprogramme neu

30.07.1999
MÜNCHEN - Das bislang separat erhältliche Internet-Design-Tool "Image Ready" wird Adobe künftig nur noch integriert in "Photoshop 5.5" anbieten. Darüber hinaus soll es eine Light-Variante des professionellen Bildbearbeitungsprogramms geben. Heico Neumeyer* hat sich die Produkte angesehen.

Der kalifornische Grafikspezialist Adobe strukturiert sein Angebot an Bildprogrammen neu: Photoshop, ein Standardprogramm bei Fotografen und Verlagen, steht künftig in zwei Ausführungen zur Verfügung. Die neue Version 5.5 für Macintosh und Windows setzt die High-end-Tradition des Vorgänger-Release 5.03 fort - der Preis bleibt bei etwa 1850 Mark (Updates ab 380 Mark) unverändert. Neu als Einzelprodukt kommt eine Light-Variante unter der Bezeichnung "Photoshop LE" heraus. Dabei handelt es sich um eine deutlich abgespeckte Version für rund 270 Mark. "Image Ready", ein Pixelprogramm für Internet-Gestalter, verschwindet dagegen als Stand-alone-Software vom Markt. Die Anwendung erhält man jetzt in der neuen Fassung 2.0 nur noch zusammen mit Photoshop 5.5.

In dieser Kombination bietet Photoshop 5.5 ausgezeichnete Bildbearbeitungs-Funktionen für Web-Designer. Wichtige Tonwerte eines Bildes wie die Hintergrundfarbe der Seite oder die Kennfarbe einer Firma lassen sich so schützen, daß sie auch bei erheblicher Datenreduktion nicht verfälscht werden. Umgekehrt kann man vorhandene Tonwerte, die nicht in der gängigen Web-Farbtabelle auftauchen, per Mausklick gegen Standardtonwerte austauschen; sie erscheinen dann auch auf älteren Rechnern unverfälscht. Bei Bedarf läßt sich ein wählbarer Prozentsatz an garantiert Web-tauglichen Farben vorgeben. Auch das Dithering (eine Farbstreuung, die nicht verfügbare Tonwerte simuliert) läßt sich stufenlos regeln.

Das aktuelle Bild kann innerhalb der Adobe-Programme für die spezielle Darstellungsart von Windows oder Macintosh sowie unter Berücksichtigung bestimmter Browser simuliert werden. So läßt sich vorab erkennen, ob und wie verfälscht ein 24-Bit-Farbbild auf einem 8-Bit-Grafiksystem erscheint. Bis zu vier individuell reduzierte Variationen eines Fotos stehen nebeneinander.

Unkompliziert und dennoch vielseitig splittet Image Ready größere Bilder in mehrere Segmente auf. Die Einzelteile lassen sich so schneller laden und nach Bedarf komprimieren. Dabei werden grafische Partien anders behandelt als übliche Fotos oder Farbverläufe. Überdies kann man die verschiedenen Bildteile mit Hyperlinks oder mit Mouse-over-Effekten in Javascript-Technik belegen: Bewegt sich der Mauszeiger über das entsprechende Element der Web-Seite, erscheint ein Schriftzug in der Statuszeile, das Objekt leuchtet auf oder hebt sich ab. Die dazu erforderlichen Javascript- und HTML-Daten produziert das Adobe-Programm. Dazu kommt eine gelungene Technik für Trickfilme im Graphics Interchange Format (GIF). Einzelne Objekte einer Fotomontage werden automatisch Schritt für Schritt durch das Bild bewegt oder aus- und eingeblendet.

So sehr diese Funktionen den Internet-Designer unterstützen, problematisch erscheint die Integration der neuen Verfahren in die aktuelle Photoshop-Version: Die fortgeschrittenen Web-Techniken gibt es nur in Image Ready, das zugleich mit Photoshop installiert wird. Per Schaltfläche springt man je nach Aufgabe zwischen Photoshop und Image Ready hin und her. Bei jedem Wechsel zum anderen Programm erscheinen verschiedene Meldungen, die unter anderem zum Speichern auffordern.

Beliebige Arbeitsschritte lassen sich in jedem Programm widerrufen. Auch wurden die beiden Programme reichlich mit identischen Funktionen und identischer Oberfläche ausgestattet. Dennoch muß der Benutzer öfters umschalten, was unter Umständen ausgesprochen lästig sein kann. Besonders unglücklich: Einige Effekte aus Image Ready kann Photoshop nicht darstellen, die Ergebnisse erscheinen verfälscht. Das gilt zum Beispiel für die abschaltbaren Oberflächenstrukturen, die auch bei den mitgelieferten Schaltflächen-Vorlagen zum Einsatz kommen.

Unabhängig vom Internet-Design präsentiert sich Photoshop 5.5 mit einer Reihe von Detailverbesserungen. Das Programm produziert nun Bildkataloge mit Dateinamen in der Bildunterschrift, die sich auch im Internet darstellen lassen. Einen erheblichen Fortschritt bieten neue Tools, die komplexe und halbtransparente Objekte fast automatisch ausschneiden, ohne die Umgebungsfarbe mit zu erfassen.

Viel weniger Gestaltungsmöglichkeiten bietet die Version Photoshop LE, die auch als Scanner- und Kamerabeilage kursiert. Damit greift Adobe das Segment der halbprofessionellen Bildprogramme an, in dem bisher "Ulead Photo Impact" und "Picture Publisher" auffielen. Im Vergleich dazu leidet Photoshop LE unter deutlichen Mängeln. Dem Adobe-Sproß fehlen nicht nur professionelle Farbmodelle wie CMYK (Cyan, Magenta, Yellow, Black). Man vermißt auch 3D- und Schatteneffekte, korrigierbare Textebenen, mehrfaches Widerrufen, Befehlsaufzeichnung und die fortgeschrittenen Techniken für Internet und Kontrastkorrektur. Hier bietet die Konkurrenz wesentlich mehr.

*Heico Neumeyer ist Fachjournalist in Gaißbach bei Bad Tölz.