Nicht nur für Kommunikationsanalysen

Administrative Konzepte sind Wegbereiter für CIM

30.11.1990

Die Einführung von Computer Integrated Manufacturing (CIM) erfordert ein Denken in Prozeßketten und Kommunikationsbeziehungen. Entsprechende Instrumentarien sind bisher aber eher für Kommunikationsanalysen im Bürobereich entwickelt worden. Anhand eines prozeßorientierten Verfahrens zeigt Klaus Georg Götzer*, wie sich diese Erfahrungen und Methoden auf den CIM-Bereich anwenden lassen.

Bei einer Analyse der installierten DV-Systeme in der Investitionsgüter-Industrie stellte sich heraus, daß administrative Systeme in etwa 50 Prozent (Textverarbeitung) bis sogar 80 Prozent (Buchhaltung) der Unternehmen installiert sind (Vergleiche Wirtschaftswoche vom 8. April 1988, ISF-Studie). Produktionsnahe Bereiche wie CAD, PPS, etc. unterstützten dagegen nur etwa 15 Prozent der Unternehmen, wobei diese Systeme nur zu einem ganz geringen Teil (eins bis vier Prozent) vernetzt waren.

Ursache für die fehlende Vernetzung mag die inkompatible Hardware- und Softwarestruktur sein, die bei vielen Unternehmen anzutreffen ist. Dieses Bild relativiert sich ein wenig, wenn die Größe der Unternehmen mit berücksichtigt wird. So verfügen zum Beispiel ungefähr 80 Prozent der Maschinenbau-Unternehmen mit mehr als 1 000 Mitarbeitern über CAD-Systeme (Vergleiche CW vom 2. November 1990, ISF-Studie).

Diese insgesamt doch geringe Durchdringung mit DV-Technik in Verbindung mit dem gesteigerten Interesse an der Idee des Computer Integrated Manufacturing (CIM) macht es nötig, DV-gestützte Tools für den "CIM-Organisator" zu entwickeln: Werkzeuge für die Analyse, Planung und Realisierung von integrierten DV-Systemen für den produktionsnahen Bereich sind gefragt.

In diesem Beitrag soll dargestellt werden, wie der Anwender auf der Basis dessen, was im administrativen Bereich erreicht wurde, vorgehen kann, um auf dem produktionsnahen Sektor ähnliche Erfolge zu erzielen. Außerdem sollen die entsprechenden Übereinstimmungen und neuen Probleme aufgezeigt werden.

Bei der Betrachtung von Prozessen der Informationsverarbeitung stehen oft die Ziele "Reduzierung der Durchlaufzeit" und "Wirtschaftlichkeit" im Vordergrund. "Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit soll alle direkten und indirekten Kosten- und Leistungskonsequenzen erfassen, die sich in kürzerer oder längerer Frist durch den Einsatz einer neuen Kommunikationstechnik am Arbeitsplatz, im Arbeitsverbund und im Organisationsumfeld zeigen." (Picot)

Die Kosten und Erträge der Kommunikationstechnik müssen also nicht nur hinsichtlich des unmittelbaren Einsatzortes betrachtet werden, sondern auch in bezug auf ihre Auswirkungen auf die gesamte Organisation und darüber hinaus. Die Durchlaufzeit kann als die Zeit zwischen dem Ereignis, das den Prozeß auslöst, und der Fertigstellung des Produkts definiert werden. Dabei kann ein Produkt auch ein Büroprodukt sein, zum Beispiel ein Angebot oder ein Plan.

Wichtig ist hierbei, daß der Wert eines Produktes oft entscheidend von dem Zeitpunkt abhängt, an dem es zur Verfügung steht. An derartigen Produkten sollte sich auch die Definition des Prozesses orientieren. Demnach umfaßt ein Prozeß alle Arbeiten, die zur Erstellung des Produktes notwendig sind.

Die Ermittlung der Durchlaufzeit und der Wirtschaftlichkeit in Abhängigkeit von einer geplanten technischen Ausstattung des Untersuchungsfeldes ist meistens sehr schwierig und arbeitsaufwendig. Eine auf diese Ziele orientierte Optimierung der technischen Infrastruktur ist ohne ein effektives DV-gestütztes Tool kaum durchführbar.

Im Bereich Bürokommunikation gibt es einige Verfahren zur Analyse und Planung aber nur wenig Instrumente für eine echte Prozeßoptimierung. So benötigt der Anwender zum Beispiel eine Warteschlangen-Analyse (mathematische Verfahren zur Ermittlung der Wartezeiten), um zuverlässige Aussagen über die zu erwartende Durchlaufzeit bei organisatorischen oder technischen Maßnahmen treffen zu können. Wenn das Verfahren gute technische Empfehlungen geben soll, dann sind intelligente Algorithmen in Verbindung mit einer Investitionsrechnung notwendig.

Hier soll nun ein Verfahren, beziehungsweise eine computergestützte Methode zur Analyse, Planung und Realisierung von DV-gestützten Informationsprozessen vorgestellt werden, die beide Aspekte kombiniert. Ausgehend von der Ist-Situation im Untersuchungsfeld ermittelt das Verfahren optimale technische Ausstattungsempfehlungen. Der Anwender kann auch selbst Vorschläge eingeben, die durch das Verfahren bewertet werden können.

Auf diese Weise können die Zielgrößen "Kosten" ins gesamten Untersuchungsfeld und "Durchlaufzeit" der Prozesse entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet werden. Medienbrüche werden automatisch erkannt und berücksichtigt. Das Verfahren versucht dann entsprechende Lösungen zu ermitteln (Siehe Abbildung 1).

Grundlage für das Verfahren ist einerseits eine Technikdatei, welche die Leistungsfähigkeit der alternativen technischen Systeme beschreibt, andererseits eine Datei mit den Daten des Untersuchungsfeldes (Prozesse, Aufgaben, Archive etc.). In einem Beispiel wurde ein Untersuchungsfeld analysiert, welches den Vertriebs- und Logistikbereich eines Industriebetriebes umfaßte. Dabei wurden mehrere Prozeßketten identifiziert, erhoben und optimiert (Siehe Beispiel in Abbildung 2). Durch den Einsatz des Verfahrens konnte zuerst eine Reduzierung der Kosten und der Durchlaufzeit erreicht werden (Siehe Abbildung 3). Unter Kosten werden hier alle Kosten innerhalb des Planungszeitraums - zum Beispiel fünf Jahre - verstanden: Darunter fallen unter anderem die Bereiche Investition, Personal, Material oder Zinsen. Eine weitere Beschleunigung des Prozesses "Auftragsbearbeitung" ließ sich nur noch durch höhere Kosten erreichen.

Anfangs können die Ziele Optimierung von Kosten und Durchlaufzeit noch parallel verfolgt werden. Bei fortschreitender Verbesserung tritt eine Konkurrenzsituation zwischen den Zielen auf (Siehe Abbildung 3). Diese Situation läßt sich auch durch den Einsatz eines Tools nicht aufheben, aber sie wird transparent. Dadurch besteht eine objektive Grundlage für die Beurteilung der ermittelten Lösungsalternativen.

Der Anwender kann nun unter Berücksichtigung des Prozeß-Ergebnisses beurteilen, ob das schnellere Vorliegen des Ergebnisses die ermittelten höheren Kosten wert ist. (Literatur zu diesem Verfahren und dem Beispiel: Klaus Götzer, Optimale Wirtschaftlichkeit und Durchlaufzeit im Büro, Springer Verlag, Berlin 1990).

Informationsprozesse im Rahmen von CIM, wie zum Beispiel PPS-, CAD- oder CAM-Verfahren, sind in der Regel produktionsnah. Während im administrativen Bereich mehr Planungs- und kaufmännische Fragestellungen im Vordergrund stehen. Welche Problemstellungen stehen bei CIM im Vordergrund?

- Das Erreichen von möglichst kurzen Durchlaufzeiten,

- eine hohe Flexibilität - mit der gleichen Ausstattung müssen unterschiedlichste Prozeßketten unterstützt werden,

- Abbau von Medienbrüchen, das heißt, die durchgängige DV-technische Unterstützung der Prozesse ist nötig, ohne die Notwendigkeit, Daten doppelt zu erfassen oder aufwendig umzusetzen.

Diese Anforderungen entsprechen im Kern der Leistungsfähigkeit des oben vorgestellten Verfahrens für die administrativen Prozesse. Die Grundideen dieses Tools lassen sich also auch hier anwenden. Es sind natürlich zusätzliche Faktoren zu beachten. So müssen zum Beispiel die untersuchten Prozesse detaillierter betrachtet werden:

- Statt der bei der Bürokommunikation üblichen Unterscheidung der Information in "Text, Daten, Grafik und Sprache" muß hier eine wesentlich feinere Differenzierung vorgenommen werden (zum Beispiel unterschiedliche CAD-Grafikmodelle).

- Bei den administrativen Prozessen, kann man oft darauf verzichten, einzelne Dokumente zu betrachten. Diese Vereinfachung dürfte im Zusammenhang mit CIM meist nicht möglich sein, da sich die Prozesse anhand der Dokumente durchaus detailliert verfolgen lassen.

- Die Medienbrüche werden komplexer, da nun auch Wechsel der Informationsarten berücksichtigt werden müssen. So werden aus CAD-Grafiken zum Beispiel PPS-Stücklistendaten und NC-Programme.

- Neu hinzu kommen Schnittstellen zu Fertigungssystemen.

Alle diese Modifikationen ändern aber im Kern nichts daran, daß sich diese Prozesse analog zu den rein administrativen Informationsprozessen abbilden lassen. Letztendlich sind sie mit diesen verknüpft.

Administrative und produktionsnahe Informationsprozesse weisen also einen hohen Grad an ähnlichen Problemstellungen auf:

- Durchlaufzeit und Kosten als wichtige Ziele,

- Abbau von Medienbrüchen und Schaffung von Flexibilität,

- Ermittlung der optimalen technischen Ausstattung.

Weitere Übereinstimmungen gibt es in folgenden Bereichen:

- Ähnliche Beschreibung des Untersuchungsfeldes, wie die Prozeßstruktur ("und" und "oder"-Beziehungen, etc.),

- die Basis der technischen Ausstattung ist oft gleich.

In letzter Konsequenz kann man diese Prozesse nicht trennen, sondern muß sie als eine Einheit betrachten und daher auch zusammen optimieren.