Kommentar zu BGH-Urteil

Access-Provider können für Dritte haften

09.12.2015
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Prof. Dr. Markus Schwarzer (LL.M.) berichtet insbesondere über medienrechtliche Aspekte der Informations- und Kommunikationstechnologie. Dabei hat er als Professor für Medien und Kommunikation an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Stuttgart vor allem das Urheber- und das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Fokus. Vertiefte Kenntnisse im Medienrecht erlangte Markus Schwarzer neben einer medienrechtlichen Promotion durch das Weiterbildungsstudium zum Master of Laws (LL.M.) im Medienrecht. Er sammelte praktische Erfahrungen in unterschiedlichen Funktionen als Redakteur, Pressesprecher und Rechtsanwalt und publiziert zu Rechts- und Kommunikationsthemen.

In zwei aktuellen Urteilen hat der Bundesgerichtshof entschieden, wie Unternehmen, die den Zugang zum Internet vermitteln (so genannte Access-Provider), für Urheberrechts-Verletzungen Dritter haften. Die Entscheidung der Karlsruher Richter kann allerdings nur teilweise überzeugen.

Die GEMA und verschiedene Musikfirmen verklagten unterschiedliche Telekommunikations-Unternehmen, weil diese Unternehmen als Access-Provider ihren Kunden den Zugang zu den Webseiten "3dl.am" und "goldesel.to" vermitteln. Über diese Webseiten konnte auf urheberrechtlich geschützte Musikstücke zugegriffen werden, die widerrechtlich hochgeladen worden waren. GEMA und Musikfirmen sahen darin eine Verletzung ihrer Rechte aus dem Urheberrecht. Nach ihrer Ansicht sollten es die Telekommunikations-Unternehmen unterlassen, über von ihnen bereitgestellte Internetzugänge Dritten den Zugriff auf die erwähnten Musikstücke zu ermöglichen.

Der BGH nimmt die Internetprovider zum Thema illegale Downloads teilweise in die Pflilcht.
Der BGH nimmt die Internetprovider zum Thema illegale Downloads teilweise in die Pflilcht.
Foto: Thomas Reichhart - shutterstock.com

Die Entscheidung

Hierzu vertritt der BGH die Auffassung: Ein Telekommunikations-Unternehmen, das Dritten den Zugang zum Internet bereitstellt, kann grundsätzlich in Anspruch genommen werden, den Zugang zu Internetseiten zu unterbinden, auf denen urheberrechtlich geschützte Werke rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden. In der Vermittlung des Zugangs zu Internetseiten mit urheberrechtswidrigen Inhalten liege ein Tatbeitrag der Telekommunikations-Unternehmen zu den Rechtsverletzungen der Betreiber von "3dl.am" und "goldesel.to".
An dieser Ansicht des BGH gibt es sicher keinen Zweifel.

Zunächst gegen Betreiber oder Host-Provider vorgehen

Allerdings komme eine Haftung des Unternehmens, das den Zugang zum Internet vermittelt, nur in Betracht, wenn zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen wurden, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder zur Rechtsverletzung durch Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben.

Mit anderen Worten: Zunächst muss versucht werden, gegen den Betreiber der Internetseite oder den Host-Provider vorzugehen. Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb anderenfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Access-Providers zumutbar. Denn: Betreiber und Host-Provider seien wesentlich näher an der Rechtsverletzung als derjenige, der nur allgemein den Zugang zum Internet vermittle. Diese Ansicht des BGH ist sicher ebenfalls richtig.

Problematische Forderungen

Problematisch an dieser Rechtsprechung sind jedoch die Anforderungen, die der BGH an die tatsächliche Ermittlung der Beteiligten stellt. Danach sind bei der Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten in zumutbarem Umfang Nachforschungen vorzunehmen. Dies soll nach Ansicht des BGH etwa durch die Beauftragung einer Detektei oder eines Unternehmens, das Ermittlungen im Zusammenhang mit rechtswidrigen Angeboten im Internet durchführt, oder durch die Einschaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden geschehen.

Hier stellt sich die Frage, ob diese Anforderungen an die tatsächliche Ermittlung des Homepage-Betreibers und des Host-Providers zu weit gehen. So verlor die GEMA beispielsweise ihren Prozess mit der Begründung: Mit der Feststellung, dass die Adressen des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers falsch waren, durfte sich die GEMA nicht zufrieden geben, sondern hätte weiter nachforschen müssen.

Nachforschungspflicht zu umfangreich

Diese weitere Nachforschungspflicht mag in Deutschland vielleicht mit vertretbaren Kosten verbunden sein. Wobei eigentlich auch nicht einzusehen ist, warum derjenige, dessen Urheberrechte verletzt wurden, auch noch Geld für die Beauftragung einer Detektei ausgeben soll? Weitaus schwieriger und teurer wird eine solche Nachforschung auf jeden Fall bei Homepage-Betreibern und Host-Providern, die im Ausland sitzen.

Deshalb muss eigentlich gelten: Sollten Betreiber von Internetseiten und Host-Provider auf ihrer Internetpräsenz falsche Kontaktdaten angeben oder womöglich ganz auf solche Daten verzichten, so müssen Telekommunikations-Unternehmen verpflichtet sein, den Zugang zu diesen Internetseiten zu unterbinden. Das wäre ein starkes Signal des BGH, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.

Die Aktenzeichen der beiden Urteile: I ZR 3/14 und I ZR 174/14. (bw)