VDE-Richtlinie sollte Vorschrift sein:

Abstürzen wie ein Blitz aus heiterem Himmel

13.05.1983

Die Allgemeinen Blitzschutzbestimmungen (ABB) reichen keineswegs aus, die allenthalben verwendete Elektronik auch nur einigermaßen zu schützen. Blitzschutzexperte Wilhelm Lambertz aus Krefeld* beklagt, daß die neue VDE-Richtlinie 0185 vom November 1982 zum Schutz der Mikroelektronik nur empfiehlt statt vorzuschreiben.

Ein Anstieg der Blitzschäden indirekter Natur (Schäden durch Überspannungen) um den Faktor 20 ist seit 1960 in Österreich registriert worden. Und dies, obwohl die absolute Zahl der direkten Schäden auf ein Drittel gesunken ist im gleichen Zeitraum. Was die Statistik so aufbläht, sind die indirekten Gewittereinflüsse, die kurz auftretenden Überspannungen, die für die Mikroelektronik verheerende Folgen hat. In Deutschland dürfte das Bild ähnlich aussehen. Prozeßrechner, die vom Blitz zwar nicht getroffen, aber beeinträchtigt werden, bedürfen der vollständigen Sanierung, ebenso wie ihre Peripherie. Dabei sind gleich Summen um die 100 000 Mark im Spiel, und zwar ohne den Produktionsausfall und die internen Kosten des Wiederanlaufs zu rechnen. Auch die Schäden in kommerziell eingesetzten EDV-Anlagen sind erheblich, weil meist eine umfangreiche Peripherie in Mitleidenschaft gezogen wird und bei fehlendem Katastropenplan lange Stillstandzeiten erforderlich sind.

Setzt Überspannung ab

Nach der Erfahrung von Lambertz ist der Schwerpunkt eines Blitzschadens sowie sein Eintreten nicht zu prognostizieren. Es muß nicht einmal in der warmen Jahreszeit geschehen, daß Überspannungen den Rechner schädigen. Auch sogenannte "kalte" Blitze können schlimme Schäden anrichten. Wo der Blitz einschlägt, ist völlig offen: Der Blitz sucht sich seinen Weg, wird dabei abgeleitet, sofern eine Gebäudesicherung angebracht ist, und setzt dabei auf seinem Weg eine Überspannung unterschiedlicher Intensität ab. Was dabei wie getroffen wird, kommt einem Lotteriespiel gleich. Ist aber Mikroelektronik in der Nähe, dann bekommt sie ganz gewiß etwas ab.

Die Schäden lassen sich grob wie folgt klassifizieren:

- Die Elektronik nimmt Schaden. Es müssen Bauteile, möglicherweise sogar ganze Geräte saniert oder ausgetauscht werden. Der Sachschaden ist unterschiedlich je nach Menge der beschädigten Teile und ihrer Wiederbeschaffungskosten.

- Die Beschädigung der Elektronik hat Folgen für den Betriebsablauf. Es kommt zum Head Crash, Ventile werden geöffnet oder geschlossen, Schutzschaltungen rasten ein und stoppen Prozesse, Mechanismen werden in Gang gesetzt (zum Beispiel Öffnen oder Schließen von Klappen), Schutzmechanismen (zum Beispiel gegen Überlauf) funktionieren nicht mehr, weil falsche Betriebszustände angezeigt werden. Die Folgen können vielfältig sein, dementsprechend auch die Folgeschäden. Der Sachschaden kann im Einzelfall deutlich höher (zum Beispiel ein Vielfaches) sein als der an der Elektronik verursachte Schaden.

Entsprechend der Risikolage kann man entweder die Beschädigung von Elektronik in Kauf nehmen (im Fall eines Einschlags) oder aber die Möglichkeiten der von einer beschädigten Elektronik in Gang gesetzten Folgen als derart risikoreich definieren, daß ein Überspannungsschutz zwingend erforderlich erscheint, selbst wenn der mögliche Schaden bei den Mikros als begrenzt anzusehen ist.

Hinzu kommt natürlich die Betrachtung der Folgen für den Betriebsablauf. Angenommen, die Hardware ist zwar billig eingekauft worden, aber nur aus den USA oder Japan umständlich beschaffbar, dann kann der Ausfall eines winzigen, billigen Teils wichtige Betriebsfunktionen für Wochen lahmlegen. Der Sachschaden ist dann eher nebensächlich. Abwehrmaßnahmen verfolgen zunächst das Ziel, auftretende Überspannungen aufzufangen. Dies setzt eine entsprechende Vernetzung der Metallgeräte und - teile voraus. Weiterhin sollen die aufgefangenen Kräfte entsprechend abgeleitet werden. Hierzu bedarf es neben einer Verbindung mit der vom Außen-Blitzschutz vorgegebenen Erdung besonderer Ableitgeräte. Je nach Art der installierten Hardware kommen weitere Anlagen hinzu, insbesondere wenn Leitungen (Übertragungswege) abzusichern sind.

Dem Problem des Überspannungsschutzes wird viel zu wenig Rechnung getragen. Selbst in Unternehmen, in denen die DV-Abteilung sich des Risikos bewußt ist und Maßnahmen ergriffen hat, führt die dezentrale Anschaffung von Hardware wie Bürocomputer, Meß- und Regelanlagen zur Prozeßsteuerung, Betriebsdatenerfassung (Zeiterfassung) und prozessorengesteuerte Alarmanlagen (zum Beispiel Brandentdeckung und -bekämpfung) zum ständigen Anstieg des Risikopotentials, weil die Hersteller dieser Anlagen in der Regel nicht auf die zusätzlich erforderlichen Aufwendungen für den Blitzschutz hinweisen, wenn sie ihre Systeme verkaufen.

*Wilhelm Lambertz GmbH + Co., Krefeld