CW-Roundtable: Wie Bachelor- und Master-Studiengänge die Informatik verändern

Abstriche an der Qualifikation

27.08.2004
Die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge sollen bis 2010 das Diplom ablösen. Damit die Bachelor-Absolventen nach dreijährigem Studium nicht als Schmalspurinformatiker gelten, müssen die Hochschulen ihre Hausaufgaben erledigen. In der CW-Diskussion forderten die Personal-Manager, Lehrpläne zu entrümpeln und Studenten besser zu betreuen. Die Hochschullehrer befürchten indes, dass eine Verschulung die Absolventen auch weniger selbständig macht.

CW: An die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge knüpfen sich viele Hoffnungen: Unter anderem sollen die Studiendauer verkürzt und die hohen Abbrecherquoten im Fach Informatik gesenkt werden. Glauben Sie, dass diese Ziele erreicht werden?

AXEL LENTZER: Wenn man den Diplomingenieur einfach in Bachelor oder Master umtauft, wird sich gar nichts ändern. Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg wurde im vergangenen Wintersemester plötzlich von Bewerbern überrollt. Man nahm alle auf - mit dem Ergebnis, dass nach zwei Semestern eine große Anzahl bereits abgebrochen hat. Ohne Eignungstests bekommt man die Abbrecherquoten nicht in Griff. Die Verkürzung der Studiendauer klappt nur, wenn man die Studenten stärker führt, entweder im Klassenverband oder durch eine intensivere Betreuung. Dann ist das Bachelor-Studium auch in sechs plus eins Semestern zu schaffen. Wenn jemand etwas nicht verstanden hat, soll mit einem Tutor nachgearbeitet werden.

Josef Nossek, TU München: "Es geht mir nicht um den Namen Diplom, sondern um das Angebot eines einstufigen Studiums."

JOSEF NOSSEK: Wenn man eine Übereinstimmung zwischen nomineller und tatsächlicher Studiendauer herstellen will, kann man das nur mit einer rigorosen Prüfungsordnung schaffen. Letztlich bedeutet das eine Verschulung des Studiums, was sich auch auf die Absolventen auswirkt: Sie sind zwar stärker an die Hand genommen und schulmäßiger betreut worden, aber auch weniger selbständig. Dieses Spannungsfeld muss einem bewusst sein. Wenn ein Student nicht an die Hand genommen wurde, seine Freiheiten genutzt und dann aber 13 oder 14 Semester für das Studium gebraucht hat, ist er in seiner Persönlichkeit weiter entwickelt als ein Student, der im Schnelldurchgang durchs Studium geschleust wurde.