Kolumne

"Abstieg aus der TK-Oberliga?"

24.10.2003
Jürgen Hill Redakteur CW

Droht der europäischen TK-Industrie das gleiche Schicksal wie der deutschen Hifi-Industrie in den 80er Jahren, als die asiatische Konkurrenz so klangvolle Namen wie Telefunken, Dual, Metz oder Wega vom Markt fegte? Ein Rundgang über die diesjährige Telecom World, die alle vier Jahre von der ITU in Genf veranstaltete Leistungsschau der Telekommunikationsindustrie, gibt Anlass zu schlimmsten Befürchtungen. Wer die europäischen TK-Schwergewichte wie Nokia, Ericsson, Alcatel oder Siemens suchte, wurde nicht fündig. Und selbst die Telekom, zu Hochzeiten des Dotcom-Booms noch als Player mit globalen Ambitionen angetreten, fehlte. Von der deutschen TK-Industrie, die 1999 in den Sonntagsreden der Politiker gerne als Deutschlands Wechsel auf die Zukunft gefeiert wurde, fanden gerademal 26 Aussteller den Weg nach Genf.

Nun ist ein teurer Messeauftritt eine Seite und der erfolgreiche Verkauf von attraktiven Produkten auf dem Weltmarkt die andere. Doch die asiatische Konkurrenz protzte nicht nur mit großen Ständen, sondern auch mit Innovationen. Erste IP-Faxgeräte, schnurlose Telefone mit Wireless-LAN-Anschluss oder Handys mit eingebauter Videokonferenz für die Mobilfunknetze der dritten Generation kommen nicht aus Deutschland, das sich einst mit ISDN als Innovationsmotor der TK-Welt fühlte, sondern aus Asien.

Und während hierzulande noch über die Chancen und Risiken der neuen Technologien sowie die adäquaten Preismodelle diskutiert wird, führen die Asiaten bereits vor, wie man erfolgreich Massenmärkte generiert: mit Pauschalangeboten. So verlangt etwa die Korean Telecom (KT) für die landesweite Hotspot-Nutzung einen Pauschaltarif von zwölf Dollar im Monat, kombiniert mit einem DSL-Anschluss für 34 Dollar. Dagegen quält hierzulande T-Mobile den Hotspot-User mit einer minütlichen Nutzungsgebühr von 16,3 Cent - und wundert sich über die geringe Nachfrage. Durch ein Preismodell, das die Benutzer nicht abschreckt, haben die Koreaner zudem für eine ganze Industrie von Content-Anbietern einen neuen Markt geschaffen: Das hierzulande regelmäßig auf der Internationalen Funkausstellung beschworene Multimedia-Home-Gateway ist im Fernen Osten mit Video on Demand über IP-Netze bereits Realität.

Angesichts dieser asiatischen Kombination von attraktiven Preismodellen und innovativen Produkten wäre es wünschenswert, wenn manche Unternehmenslenker einmal in sich gingen: Statt im Wochenrhythmus in Fernseh-Talkshows über die Nachteile des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu lamentieren, sollten sie ihre Energie lieber auf die Entwicklung neuer und innovativer Produkte konzentrieren, die auch auf den internationalen Märkten gefragt sind.