Personal-Management an der Schwelle zum nächsten Jahrtausend

Abschiednehmen von der Oase der Sicherheit

10.04.1998

"An die Stelle von Arbeitsplatzsicherheit rückt die Beschäftigungsfähigkeit", schrieb Lufthansa-Personalentwickler Thomas Sattelberger in seinem Eröffnungsvortrag den Teilnehmern ins Stammbuch. Dies sei eine Aufgabe sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Während die Unternehmen Strukturen und Kapital bereitstellen, müßten Mitarbeiter ihre freie Zeit dafür investieren: "Lernen ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition in die Zukunft. "Selbstgesteuertes Lernen habe dabei höchste Priorität.

Laut Sattelberger arbeitet die Lufthansa an bereichsinternen "Talentbilanzen", die später Bestandteil der konzernweiten Vergütungspolitik werden sollen. Als Beispiel für die Nachwuchsförderung nannte Sattelberger das Projekt "Explorers 21", ein berufsbegleitendes Programm für jüngere Mitarbeiter, an dem weltweit über 200 Beschäftigte teilnehmen. Ihre Projekte, die sich mit neuen Trends beschäftigen, müssen sich in einem konkreten Return on investment niederschlagen. Ein anderes Programm ist "Proteam", das 18 Monate dauert und einem Trainee-Programm ähnelt. Teilnehmer sind "talentierte" Uni- und FH-Absolventen sowie einige MBAs. An Führungskräfte richtet sich schließlich das Programm "Steigflug 99", vergleichbar mit einer Sommerakademie.

Mit ihrem Angebot will die Lufthansa eine Balance herstellen zwischen interner Personalentwicklung und externer Rekrutierung. Im Intranet sollen sich Führungskräfte über strategische Fragen verständigen.

Während die Lufthansa-Personaler gerade dabei sind, die Informationstechnik für ihre Arbeit zu entdecken, ist die schwedische Versicherungsgruppe Skandia schon weiter. "IT ist die Kernkompetenz unseres Unternehmens", sagt Leif Edvinsson, Director Intellectual Capital. Edvinsson, vielleicht weltweit der erste Manager mit diesem Titel, nannte das Kind beim Namen: "Wenn man in Menschen, Technologien und Netze investiert, steht die betriebswirtschaftliche Bilanz nicht im Vordergrund, sondern das im Unternehmen vorhandene intelektuelle Kapital. "Um den Organisationsfluß zu erhöhen und Reaktionszeiten zu senken, seien Ideen-Netzwerke erforderlich.

Edvinsson ermunterte die Teilnehmer, selbst Intellectual-Capital-Bilanzen aufzustellen und sich allmählich von den überkommenen Methoden der Betriebswirtschaft zu verabschieden.

Mit weniger Vision, dafür um so mehr Veränderungswillen geht Heinz Fischer, seit fast anderthalb Jahren Personalvorstand der Deutschen Bank in Frankfurt, ans Werk. Der gestandene Manager, vor seinem Wechsel ins Bankwesen 26 Jahre bei Hewlett-Packard, will frischen Wind aus der dynamischen IT-Branche in die behäbige Finanzwelt bringen. Verständlich daher sein Credo: "Nur die Banken mit bester Datenverarbeitung werden überleben. "Die Voraussetzungen am Main sind dafür nicht schlecht: Im Entwicklungszentrum der Deutschen Bank in Eschborn arbeiten rund 4500 IT-Spezialisten, zusätzlich absolvieren zirka 70 Young Professionals ihr IT-Trainee-Programm.

Eines scheint indes klar zu sein: Auch bei den Finanzdienstleistern hat der "Arbeitsplatz für ein ganzes Leben" seine Berechtigung verloren. "Heute wird nach Leistung bezahlt", so Fischer. Unternehmen und Mitarbeiter nehmen dabei zu gleichen Teilen Einfluß auf die Einkommensentwicklung.

Lebenslanges Lernen, Mobilität, Zeit- und Kompensationsflexibilität heißen die Steinchen im Mosaik. Mitarbeiter sollen an ihrer "Employability" arbeiten, dafür auch außerhalb des Unternehmens etwas tun. Um ihnen den Kultursprung von der Sicherheitsoase in die rauhe See des Wettbewerbs zu erleichtern, kooperiert die Deutsche Bank nach Fischers Angaben mit der Lufthansa, ABB, AT&T sowie den Zeitarbeits-Unternehmen Randstadt und Manpower. Führungskräfte sollen sich unter dem Dach einer virtuellen Universität für die Zukunft rüsten.

Der große Einfluß der IT auf eine zukunftsgerichtete Unternehmenspolitik war in Berlin immer wieder Diskussionsgegenstand. Einige Personalverantwortliche ließen es sich nicht nehmen, auf den schwierigen Umgang mit den Kollegen aus der Datenverarbeitung hinzuweisen. Erhebliche Mentalitätsunterschiede erschwerten die Zusammenarbeit, vor allem im Zeichen der Neuausrichtung der Banken. Jürgen Müller-Methling, Leiter der Personalentwicklung bei der DG Bank in Frankfurt, berichtete von derart großen Meinungsverschiedenheiten zwischen Personal- und DV-Abteilung, daß man nun einen nur für DV-Fragen verantwortlichen Personal-Manager einstellen wolle. "Wir verstehen uns einfach nicht", so Müller-Methling.

In die gleiche Kerbe schlug auch Heinz Uepping, Geschäftsführer der Incom GmbH in Taunusstein. "Die DV hat ein unverändertes Imageproblem. Im Grunde will niemand etwas mit den Leuten zu tun haben. "Worauf gründet sich Ueppings Einschätzung?"Die Branche und ihre Repräsentanten sind vom technokratischen, linearen Denken beherrscht. Es fehlt der human touch. Nur wenige bilden da eine Ausnahme. "

Wilfried Gertz ist freier Journalist in München.