RAG AG lagert TK-Infrastruktur aus

Abschied von der langen Leitung

24.06.2009
Von Mandy Kühn
Von der Modernisierung und dem Betrieb der Netz- und TK-Infrastruktur durch Siemens erhofft sich der Bergbauspezialist Einsparungen von 30 Prozent.

Die politisch verordnete Schlankheitskur der so genannten Kohlebeschlüsse fordert die deutschen Bergbauunternehmen heraus. Nicht nur das Personal und die Steinkohleförderung sollen bis 2012 um die Hälfte reduziert werden. Auch die IT- und TK-Strukturen müssen nach unten skalierbar sein. Die RAG Aktiengesellschaft haben sich für diese Aufgaben externe Unterstützung gesucht.

Mit IT-Outsourcing hat der Bergbauspezialiset bereits gute Erfahrungen gemacht. Die Siemens IT-Dienstleistung und Beratung (SIDB), Gelsenkirchen, eine Tochter von SIS (Siemens IT Solutions and Services), betreibt seit 1997 die gesamte IT und das Rechenzentrum des Unternehmens. 2008 kam ein neuer Auftrag hinzu: Für die nächsten vier Jahre soll der IT-Dienstleister die gesamte Netz- und TK-Infrastruktur an den Standorten in Deutschland modernisieren und betreiben.

Primäres Ziel: eine hoch skalierbare Infastruktur

Dirk Ostermann, RAG: Unsere Infrastruktur muss so skalierbar sein, dass wir uns bis 2018 ohne Funktionseinbußen von Bereichen trennen können.
Dirk Ostermann, RAG: Unsere Infrastruktur muss so skalierbar sein, dass wir uns bis 2018 ohne Funktionseinbußen von Bereichen trennen können.

Das strategische Ziel ist dabei klar definiert: "Heute nutzen noch 30.000 Mitarbeiter unsere Infrastruktur. Sie muss aber so skalierbar sein, dass wir uns bis 2018 von allem trennen können, was nicht mehr benötigt wird - ohne dadurch auf wesentliche Funktionen für die verbleibenden Mitarbeiter verzichten zu müssen", erläutert Dirk Ostermann, Zentralbereichsleiter IT-Strategie und CIO der RAG AG. Angestrebt und auch vertraglich geregelt sind zudem Einsparungen von 30 Prozent innerhalb der Laufzeit. Sie sollen dadurch erreicht werden, dass sich die administrativen Abläufe mit weniger Personal realisieren lassen und die Zahl der Systeme kontinuierlich abnimmt.

Vom Kupferkabel zur Hightech-Verbindung

Zentraler Bestandteil des 35-Millionen-Euro-Projekts ist die Migration des unternehmenseigenen Fernkabelnetzes auf ein von Siemens bereitgestelltes IP-basiertes Netzwerk. Wie die meisten Bergbaufirmen hatte RAG aus Sicherheitsgründen jahrzehntelang ein eigenes Telefonnetz, das sich über das gesamte Ruhrgebiet erstreckt. Über das 1300 km lange Netz läuft die interne Sprach- und Datenkommunikation zwischen dem Hauptsitz in Herne und den unterschiedlichen Bergwerken und Tochtergesellschaften. Der Wechsel von alten Kupferkabeltechnik zu MPLS (Multi Protocol Label Switching) soll den physikalischen Rückbau und den Betrieb flexibler machen. Dafür mussten zunächst sämtliche Dienste vom Netz genommen werden und auf die IP-basierte Verbindung migrieren.

Um den laufenden Betrieb nicht zu beeinträchtigen und den engen Terminplan von einem Jahr einzuhalten, erfolgte die Migration ausschließlich am Wochenende. Gleichzeitig mit dem Netzwechsel wurden sowohl die Backbone-Komponenten als auch die Endgeräte ausgetauscht. Dies betraf etwa 20.000 Telefone. Zusätzlich wurden weitere 5000 Telefone unter Tage in den Bergwerken an das Netz angebunden. Für alle Apparate übernimmt Siemens die TK-Services sowie den Helpdesk, über den die RAG-Mitarbeiter schnelle Hilfe bei Problemen mit PC oder Telefon erhalten. "Die Kommunikation läuft über eine Siemens HiPath 4000-Anlage, die uns alle TK-Funktionen bietet, die wir brauchen", so CIO Ostermann. Gleichzeitig ermögliche die Anlage dem Dienstleister eine kostengünstige Administration durch Standardisierung und Automatisierung.

Hindernisse weitgehend überwunden

Im bisherigen Projektverlauf sahen sich die Partner beim Technologiewechsel mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Zum einen wird das bisherige RAG-eigene Fernkabelnetz etwa auch von dritten Unternehmen aus der Region genutzt. "Um einvernehmliche Konzepte für einen Wechsel der weiteren Netznutzer entwickeln, mussten wir viele Gespräche führen", berichtet der IT-Leiter. Teilweise sei der Umstieg noch nicht erfolgt, wodurch sich die geplante Abschaltung des alten Netzes verzögern könne. Eine weitere Überraschung erlebten die Verantwortlichen bei der Inbetriebnahme des Netzes: Das System funktionierte nicht. Schuld waren technische Probleme bei der TK-Infrastruktur, die ein größerer Zulieferer bereitstellte. In diesem Fall erwies sich das Markt- und Verhandlungsgewicht von Siemens bei den Herstellern als wichtiger Vorteil. Nach eingehenden Gesprächen konnten die Partner die technischen Probleme schnell und ohne Auswirkungen auf den Zeitplan beheben.

Das Unternehmen

Die Förderung deutscher Steinkohle ist das Kerngeschäft der "schwarzen RAG" mit Sitz in Herne. Sie bündelt Unternehmen mit rund 34.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von mehr als vier Milliarden Euro. Seit 1998 sind hier sämtliche Aktivitäten des heimischen Steinkohlebergbaus zusammengefasst. Mit sieben Bergwerken in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland sowie einer Kokerei ist RAG ein wichtiger Auftrag- und Arbeitgeber.

Die Migration der Hauptverwaltung in Herne sowie die Anbindung aller etwa 100 Standorte an die neue TK-Technologie sind mittlerweile abgeschlossen. Dazu gehören auch bereits stillgelegte Bergwerke und Schächte, bei denen aus Sicherheitsgründen neben regelmäßigen Messungen auch noch die Datenübermittlung gewährleistet sein muss. (sp)