Abschaffung des Netzmonopols bis 1998 Aktionsplan der EU-Kommission praezisiert Information-Society

26.08.1994

MUENCHEN (gh) - Europas Weg in die Informationsgesellschaft ist unumkehrbar. So laesst sich in etwa das Motto eines jetzt vorgestellten Aktionsplanes der EU-Kommission zusammenfassen, der die Empfehlungen der sogenannten Bangemann-Gruppe in einem konkreten Massnahmenkatalog buendelt. Entscheidend fuer Bruessel sind dabei zwei zentrale Punkte: Die Abschaffung des Netzmonopols bis 1998 sowie eine voellige Neuorientierung der europaeischen Forschungspolitik.

Der bereits seit Ende Juli vorliegende Aktionsplan ist, wie Joerg Wenzel, Kabinettschef des fuer gewerbliche Wirtschaft, IT- und TK- Technologien zustaendigen Kommissionsmitgliedes Martin Bangemann vor Journalisten in Muenchen erlaeuterte, die Fortschreibung der Empfehlungen der Bangemann-Gruppe, die vom EU-Ministerrat Ende Juni in Korfu gebilligt worden waren. Darin hatten sich unter Federfuehrung des deutschen EU-Kommissars fuehrende Vertreter der europaeischen Industrie fuer einen beherzten Aufbruch Europas in die globale Informationsgesellschaft ausgesprochen.

Ministerrat soll Aktionsplan Ende September beschliessen

Der Massnahmenkatalog, den der Bangemann-Stab nun erarbeitet hat und der Ende September dem EU-Ministerrat zur Abstimmung vorgelegt werden soll, gliedert sich in vier Bereiche: ordnungspolitische und rechtliche Rahmenbedingungen, Netze, Grunddienste, Anwendungen und Informationsinhalte, gesellschaftliche und kulturelle Aspekte sowie Oeffentlichkeitsarbeit. Ziel der darin praezisierten Reformvorschlaege sei, wie Wenzel in Anlehnung an die Empfehlungen der Bangemann-Gruppe betonte, Europas Weg in das digitale Informationszeitalter festzuschreiben - und in einen Markt, der Wenzel zufolge bereits im Jahr 2000 mehr als sechs Prozent des gesamten EU-Bruttosozialproduktes erwirtschaften duerfte.

Wesentliche Eckpfeiler einer zukuenftigen Informationsgesellschaft sind, wie in dem Aktionsplan zum Ausdruck kommt, geaenderte ordnungpolitische Rahmenbedingungen. Dazu gehoeren die Liberalisierung aller TK-Infrastrukturen, die Einrichtung einer Autoritaet auf europaeischer Ebene, etwa in Form eines europaeischen Kartellamtes beziehungsweise europaweiten Regulierers, sowie eine staerkere Beruecksichtigung der globalen Dimension von TK-Diensten, zum Beispiel durch Einbeziehung in die GATT-Verhandlungen. Als erster namhafter EU-Vertreter sprach Wenzel in diesem Zusammenhang offen aus, was fuer Insider ohnehin kein Geheimnis mehr ist: Ende des Jahres will sich die Bruesseler Kommission in einem Gruenbuch fuer die zeitgleiche Abschaffung von Telefondienst- und Netzmonopol zum 1. Januar 1998 aussprechen.

Daneben sollen ausser dem Mobilfunk und der Satellitenkommunikation vor allem Euro-ISDN sowie integrierte Breitbandkommunikation auf Basis von ATM als Grunddienste einer zukuenftigen Informationsgesellschaft forciert werden. Ziel sei, so Wenzel, der Bau transeuropaeischer Netze. Dabei bedarf es jedoch keiner "zusaetzlichen Ausgaben fuer Forschung und Entwicklung". Die Errichtung europaeischer Information-Highways sei in erster Linie Angelegenheit privater Investoren aus Industrie und Wirtschaft, die Politik muesse dabei allerdings "Flankenschutz geben und den Moderator spielen".

Unabdingbar ist fuer Bruessel in jedem Fall eine Umorientierung in der Forschungspolitik. "Es duerfen nur noch anwendungsorientierte Projekte gefoerdert werden", fasste Wenzel den Tenor des Aktionsplanes zusammen, in dessen Einleitung das Hohelied einer zentralisierten F&E-Politik gesungen wird: "Europa muss auf die Herausforderung mit einer in sich konsistenten Antwort reagieren und Initiativen vermeiden, die sich gegenseitig aufheben oder unvereinbar sind." Als europaeische Koordinierungsstelle wird ein "Information Society Project Office" vorgeschlagen, das diverse Pilotprojekte (Verkehrs-Telematikdienste, transeuropaeisches Behoerdennetz) im Sinne eines "One-Stop-Shoppings" betreuen soll.

Im Blickfeld haben sollte man aber auch, wie Wenzel einraeumte, den Grossteil der europaeischen Bevoelkerung. Aehnlich wie in den USA und Japan gehe es auf dem Alten Kontinent darum, eine Art nationalen Konsens fuer den Aufbruch in die digitale Informationsgesellschaft herbeizufuehren. Hierfuer sei in naechster Zeit "verstaerkt Oeffentlichkeitsarbeit zu machen". Dabei muessten alle Probleme, die dieser Weg mit sich bringe, auf den Tisch; fehlender Datenschutz, der "glaeserne Buerger", die Zweiteilung der Gesellschaft in Wissende und Nichtwissende sowie die Segnungen der Massenkommunikation in Form von 500 Fernsehkanaelen seien Facetten einer Entwicklung, mit denen man sich, so Wenzel, auch in Bruessel auseinandersetze. Bei der Diskussion dieser Fragen koenne sich Europa jedoch "keine Bunkermentalitaet leisten".