Unklares Aktionärsvotum lähmt HP und Compaq

Abgestimmt - und alle Fragen offen

29.03.2002
MÜNCHEN (jm) - Die Aktionäre von Hewlett-Packard (HP) und Compaq haben über die Fusion der beiden Firmen abgestimmt. Während die Compaq-Aktionäre dafür votierten, müssen die Stimmen der HP-Anleger erst noch in einem mehrwöchigen Prozess ausgezählt werden. Bis ein eindeutiges HP-Votum vorliegt, gibt es nur einen Sieger: die Konkurrenz.

Zwar hat HP-Chefin Carleton Fiorina gleich im Anschluss an die Hauptversammlung verkündet, die Fusion sei mit einer knappen Mehrheit der Stimmen gebilligt worden. Allerdings beeilte sie sich anzumerken, bei dieser Äußerung handele es sich nicht um ein offizielles Abstimmungsergebnis. Fusionsgegner Walter Hewlett schob nach, die Stimmendifferenz zwischen Befürwortern und Gegnern der Fusion sei zu knapp, als dass jetzt schon ein Sieger ausgerufen werden könne.

Compaq: Klares Ja zur FusionAnders verlief die Abstimmung der Compaq-Aktionäre: Hier wurde direkt nach der Hauptversammlung bekannt gegeben, dass für 58 Prozent der 1,6 Milliarden Aktien ein Votum abgegeben wurde. Von diesen befürwortete eine große Mehrheit im Verhältnis neun zu eins die Fusion mit HP.

HP-Chefin Fiorina machte noch einmal klar, warum der Firmenzusammenschluss im Interesse der Anleger und der vereinten Firmen sei: Zum einen werde mit dem fusionierten Unternehmen ein Konzern mit einem Umsatz von 87 Milliarden Dollar geboren, der eine veritable Konkurrenz zur IBM darstelle. Ein HP-Compaq-Gebilde stehe im Einzelnen für ein Speichergeschäft, das rund sieben Milliarden Dollar Umsatz erwirtschafte. Gleich viel generiere das fusionierte Unternehmen mit Dienstleistungen. Außerdem erwachse mit der zusammengeführten Industriemacht ein Marktführer bei fehlertoleranten Systemen und Wintel-basierenden Servern.

Interessant an dieser Einschätzung ist, dass Fiorina damit implizit sagt, dass HP mit dem Kauf der fehlertoleranten Nonstop-Himalaya-Rechner und der starken Intel-Server-Plattform von Compaq genau die Unternehmenssparten stärken möchte, deren Verluste jahrelang nur durch den hochprofitablen Drucker- und Imaging-Bereich des Hauses ausgeglichen werden konnten. Auffällig auch, dass Fiorina den größten einzelnen Produktblock, den Compaq mit in die Ehe einbringt, nicht erwähnt: den der PCs. Immerhin katapultiert sich ein vereintes HP-Compaq in diesem Industriesegment mit weitem Abstand an die Weltmarktspitze. Wohl, weil dieses Marktsegment generell extrem schwierig ist und dieses Produktsegment beiden Firmen gerade auch in den letzten Quartalen erhebliche Verluste einbrachte, erwähnte Fiorina dieses Segment mit seinen weitgehenden Produktüberschneidungen zwischen beiden Fusionspartnern nicht.

HP-Service: Probleme, ProblemeAuch das Dienstleistungsgeschäft von HP ist ins Gerede gekommen. Ausgerechnet einen Tag vor der HP-Abstimmung beklagte Ann Livermore, President HP-Services, in einer internen E-Mail an ihre Mitarbeiter, sowohl Umsatz als auch Profit der von ihr verantworteten Service-Division lägen "signifikant unter den Planzielen" des laufenden Quartals (Ende: 30. April). "Ein weiterer Grund zur Sorge ist", schrieb die oberste Verantwortliche der Hewlett-Packard-Dienstleistungssparte weiter, "dass die Auftragseingänge für das Servicegeschäft sehr gering bleiben." Kaum wurde dieses Memo am Tag nach der Compaq-Aktionärsabstimmung publik, fiel der Wert des HP-Papiers um zeitweise bis zu 5,4 Prozent.

In ersten Stellungnahmen äußern IT-Verantwortliche inzwischen Sorgen darüber, dass Produktlinien wie etwa HP-UX und Compaqs Tru-64-Unix nach der Fusion aufgegeben werden könnten. Die Unternehmensberater von Gartner teilen diese Meinung: HP und Compaq würden den Zusammenschluss für einen radikalen "Hausputz der Produkte" nutzen. Tru 64, Open VMS, Netaction und verschiedene Speicherplattformen seien gefährdet. Von Gartner nicht explizit angesprochen, darf auch für den PC-Bereich angenommen werden, dass es zu erheblichen Aufräumaktionen kommen wird. Linux-Anbieter und IBM mit AIX werden, so Gartner, ihren Support für Independant Software Vendors (ISVs) ausbauen, was auf Kosten von HP-UX und True 64 gehen dürfte.

Die Schlacht um die JobsSollte die Fusion von den HP-Aktionären genehmigt werden, wofür die Anzeichen zunehmend sprechen, sieht Gartner weitere substanzielle Probleme auf den Gemeinschaftskonzern zukommen: In den zusammengeworfenen Service- und Vertriebsmannschaften wären erhebliche Reibereien um Posten und Zuständigkeiten zu erwarten. Außerdem schlage dann die Stunde der Schnäppchenjäger: Im Bestreben, die neu gewonnene Marktmacht des vereinten Unternehmens unter Beweis zu stellen, werde sich HP-Compaq darauf einlassen müssen, Kunden über Jahre erhebliche Preisnachlässe einzuräumen. Pikanterweise, so Gartner, wird dieser Effekt auch dann eintreten, wenn die Fusion wider Erwarten doch nicht gelingt und beide Firmen als Einzelkämpfer ihre Geschäfte weiter getrennt fortführen.