Tagungsband "Informatik in der Schule" erschienen:

Abbild der Bildungsdiskussion über die EDV

29.08.1980

WIEN (to) - Die junge Universität Passau dient als Treffpunkt für die Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungstechnologie, die im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Informatik und der Österreichischen Computergesellschaft das Thema "Informatik in der Schule" diskutierte. Eine nunmehr von Dr. Helmut Schauer und Dr. Michael Tauber herausgegebene Broschüre ermöglicht auch der breiten Öffentlichkeit eine Auseinandersetzung mit den Tagungsgedanken und -ergebnissen.

Die Passauer Veranstaltung befaßte sich zunächst mit der didaktischen Bewertung des Faches Informatik an allgemeinbildenden Schulen. Dabei wurde auch die Zielsetzung der Schule als Institution klar herausgearbeitet, da die Integration eines neuen Unterrichtsfaches - wie es die Informatik werden könnte - sinnvollerweise nur im Rahmen des didaktischen Gesamtkonzepts erfolgen kann.

In seiner Zusammenfassung am Ende des im Oldenburg Verlag erschienenen Titels erklärt Tauber, daß es erstens bildungspolitisch nicht vertretbar sei, in einem Schulfach "lnformatik" vornehmlich die Gefahren der Datenverarbeitung aufzuzeigen und dies zweitens dem Wesen der Informatik als Geistes- und Ingenieurwissenschaft kaum Rechnung trage. Der allgemeinbildende Aspekt und die kulturelle Bedeutung sollten bei einer Einführung im Vordergrund stehen. Daraus leitet sich auch die Forderung einer großen Gruppe von Fachleuten her, die Informatik nicht als eigenständiges Schulfach in den Lehrplan aufzunehmen .

Daß das Informatik-Problem viel komplexer ist, als es die Diskussion um anders geartete Unterrichtsfächer vermuten läßt, stellt Prof. Dr. Manfred Brockhaus von der TU Wien dar. Er sieht eine Revolution der Bildungsziele auf uns zukommen und verdeutlicht das mit den Worten: "Durch den Einsatz des Computers kann jede formale geistige Tätigkeit automatisiert werden. Dies ... zwingt auch die Schule den Stellenwert des formalen geistigen Trainings neu zu überdenken." Seiner Ansicht nach soll die Schule vor allem jene menschlichen Fähigkeiten fördern, die der Computer nicht ersetzen kann, also beispielsweise intuitives assoziatives Denken.

Die Begründungen für die Einführung eines neuen Schulfachs hat Prof. Dr. Volker Claus von der Universität Dortmund in drei Gruppen eingeteilt: Akademische, politische und suggestive. Fungieren letztere, um die breite Masse zu überzeugen, so richten sich die beiden anderen an die Fachwelt. Für den Informatikunterricht spricht zum Beispiel, daß er analytisches und algorithmisches Denken schult, die Grundlage für eine zunehmende Anzahl von Berufen schafft und die nötige Aufklärung für die immer weiter in die Privatsphäre des Einzelnen eindringende Datenverarbeitung bringt. In seinem Beitrag wägt Claus pro und contra ab.

Prof. Dr. Milos Lßnsky am Paderborner Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren gibt eine knappe Einführung in die Didaktik der Informatik unter Zuhilfenahme von Quasialgorithmen. Dieser sehr praktisch orientierte Beitrag steht etwas unvermittelt in der Gesamtheit der Referate, die sich mehr mit der Grundproblematik beschäftigen.

Eine Parallele zur Elementarmathematik wünscht sich Prof. Dr. Herrmann Stever von der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz als Grundvoraussetzung für die Didaktik der Informatik. Nur aufbauend auf eine genaue Definition der "Elementarinformatik" könne sinnvolles Unterrichten in der neuen "Fachwissenschaft" vorstellbar sein. Richtungweisend seien die Erfahrungen an den Hochschulen, die an den gleichen Kriterien, die für den Mathematikunterricht gelten, auf die Eignung an allgemeinbildenden Schulen getestet werden müßten.

Im zweiten Tagungsteil wurden zehn konkrete Projekte zur Einführung des Unterrichtsfachs Informatik erörtert: Lehrerbildungskonzepte, Bestandsaufnahmen über das Interesse der Öffentlichkeit und der Schüler, gesetzliche Möglichkeiten und praktisches Angebot des Schulfaches, Praxisprobleme sowie geeignete Lehrmittel.

Besonderen Wert wurde in der Ausarbeitung auf Literaturquerverweise gelegt, die im jeweiligen Referat angemerkt sind. So ist für den interessierten DV-Laien, der mittelbar oder unmittelbar mit der Ausbildungssituation im Fach Informatik zu tun hat, der Weg für einen Einstieg in Theorie und Praxis geebnet.

Im vorliegenden Werk wird allerdings nur der schulinterne Standpunkt des Informatikunterrichts beleuchtet. Die Auswirkungen einer solchen Innovation auf Industrie und Verwaltung sowie das Angebot elektronischer Einrichtungen als Servicedienst für jedermann wurden in den Beiträgen höchstens am Rande gestreift.

Das Buch "Informatik in der Schule" ist mehr oder weniger eine Momentaufnahme der geistigen Strömungen und praktischen Bestrebungen zum Thema Bildungswert der Informatik und vermittelt ein sehr großes Abbild der heutigen Bildungsdiskussion um die Datenverarbeitung.

Informationen: Österreichische Computer Gesellschaft, Komitee für Öffentlichkeitsarbeit, Garnisongasse 7/21, 1090 Wien, Tel.: 0222/42 41 21.