Verhandlungen mit IBM kurz vor dem Abschluss

ABB plant weltweite Auslagerung der IT

09.05.2003
MÜNCHEN (wh) - Der finanziell angeschlagene Industriekonzern ABB lagert wesentliche Teile seiner IT-Infrastruktur an externe Dienstleister aus. Verhandlungen mit IBM Global Services stehen unternehmensinternen Quellen zufolge kurz vor dem Abschluss. In Deutschland sind zirka 550 Mitarbeiter von dem Vorhaben betroffen.

"Es geht für ABB um eine weltweite Lösung in diesem Bereich", bestätigte ein Sprecher der deutschen Landesgesellschaft. Die Auslagerungspläne beziehen sich sowohl auf die zentrale IT-Infrastruktur als auch auf IT-Mitarbeiter und -Ausrüstung vor Ort. In Deutschland zählen dazu etwa die zwei Hauptrechenzentren in Mannheim und Ratingen einschließlich Server, Speichersystemen und Netzinfrastruktur.

Nach Angaben von deutschen Arbeitnehmervertretern könnten die Verhandlungen mit IBM Global Services schon in wenigen Wochen zum Abschluss kommen. Demnach sollen die meisten der rund 550 hiesigen IT-Mitarbeiter zu dem Outsourcing-Dienstleister wechseln. An den mehr als 100 deutschen Standorten will ABB nur noch wenige eigene IT-Experten beschäfigen. Für den Bereich Anwendungsentwicklung würden auch Gespräche mit anderen Serviceanbietern geführt.

Bemerkenswert ist das Vorhaben auch deshalb, weil der schweizerisch-schwedische Konzern in der Vergangenheit stets betont hatte, IT gehöre zum Kerngeschäft.

Im Frühjahr 1999 hatte die deutsche ABB einen auf sieben Jahre angelegten Outsourcing-Vertrag der aufgekauften Elsag Baily Gruppe mit CSC Ploenzke vorzeitig gekündigt. "Informationstechnologie ist für ABB so wichtig, dass wir sie grundsätzlich nicht in fremde Hände legen", begründete Alfred Spill von der ABB Holding AG in Mannheim seinerzeit die Entscheidung.

Diese Maxime scheint zumindest für die Konzernleitung in Zürich nicht mehr zu gelten. Bereits im letzten Jahr stieß sie unter dem Namen "Yellowstone" ein weltweit angelegtes Projekt an, das die Auslagerung wesentlicher Teile der IT-Infrastruktur zum Ziel hat. Damit dürfte auch die Berufung von Haider Rashid (44) zum CIO der ABB-Gruppe im Zusammenhang stehen, die der Vorstand bereits im November 2002 ziemlich geräuschlos vollzogen hat (siehe Seite 49). Nur wenige Wochen zuvor war Jürgen Dormann, der ebenso wie Rashid vom Chemiekonzern Aventis kommt, vom Aufsichtsrat an die ABB-Konzernspitze gewechselt.

Neuer CIO, neue IT-Strategie

Der gebürtige Pakistani Rashid, dem rund 2300 Mitarbeiter unterstehen, soll das Yellowstone-Projekt international vorantreiben und eine neue IT-Strategie entwickeln. Sein Vorgänger Jim Barrington hatte ABB bereits Anfang 2002 verlassen. Spill werde innerhalb des neuen CIO Office weiterhin den Bereich IS Infrastructure Operations betreuen, erklärte ein Firmensprecher. Allerdings ist fraglich, welchen Stellenwert die Funktion nach einer nahezu vollständigen IT-Auslagerung noch genießt.

In der Schweizer Konzernzentrale gibt man sich unterdessen zugeknöpft. Über die Details wolle man nicht reden, so ein PR-Manager. Allerdings habe die schwedische ABB-Landesgesellschaft ihre IT-Infrastruktur schon im Jahr 2002 "erfolgreich" an IBM ausgelagert. Ausschlaggebend für die Entscheidung seien Kostenersparnisse gewesen, ferner die Strategie des ABB-Konzerns, die Aktivitäten auf Kernkompetenzen zu konzentrieren.

Angesichts der finanziellen Schieflage des Anlagenbauers erscheint diese Begründung plausibel: Für das Jahr 2002 wies das Unternehmen einen Rekordverlust von 783 Millionen Dollar aus. ABB Deutschland verzeichnete bei einem Umsatz in Höhe von 3,1 Milliarden Euro einen Verlust von 160 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern (Ebit).

Im März dieses Jahres kündigte die deutsche Gesellschaft ein umfassendes Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramm an, das unter anderem den Abbau von 1350 Stellen und die "Ausglie-derung von 550 Arbeitsplätzen" beinhaltet. Dass es sich bei den Auszulagernden vor allem um IT-Personal, genauer gesagt um die Mitarbeiter des internen Dienstleisters ABB Group Services Center handelt, hatten die PR-Verantwortlichen zunächst verschwiegen.

Kommt es zum Vertragsschluss mit IBM, könnte die Dienstleistungssparte Global Services einen weiteren Megadeal verbuchen. Experten verweisen allerdings auf die immensen finanziellen Vorleistungen und damit verbundene Risiken, die der Outsourcing-Partner gerade im Fall ABB tragen müsste.