Green IT

A.T. Kearney: Handlungsbedarf für Green IT ist dringend

12.02.2008
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.
Der durch Unternehmens-IT verursachte Kohlendioxid-Ausstoß in Deutschland wird bis 2020 um 60 Prozent auf 31 Millionen Tonnen ansteigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das geht aus einer Studie der Managementberatung A.T. Kearney hervor.

In der A.T. Kearney-Studie "Von Green-IT zu Green Business – CO2-Reduktion innerhalb und außerhalb des Rechenzentrums" stellt die Managementberatung fest, dass IT ein wesentlicher Energiekonsument ist und im Jahr 2007 nach Angaben der Unternehmensberatung und Marktforschungsfirma Gartner weltweit pro Jahr etwa 600 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen produzierte. Das sind zwei Prozent der gesamten Kohlendioxid-Emissionen. Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von knapp 320 Millionen Kleinwagen. Um das zu kompensieren, benötigte es ungefähr 60 Milliarden Bäume. In Deutschland wird der durch die Unternehmens-IT verursachte CO2-Ausstoß pro Jahr ohne entsprechende Gegenmaßnahmen bis zum Jahr 2020 um 60 Prozent auf 31 Millionen Tonnen ansteigen.

Insbesondere die IT-Industrie sei gefordert, mit innovativen Konzepten und Lösungen zur Senkung des Energieverbrauchs beizutragen, sagte Marcus Eul von der Managementberatung anlässlich der Vorstellung der Studie vor der Presse in München. Sowohl durch einen energieeffizienteren Betrieb der IT selbst, viel mehr aber noch durch den intelligenten Einsatz von IT in den Geschäftsprozessen könnte die Energiebilanz von Unternehmen erheblich verbessert werden. Dies gelte ganz besonders für die Produktion und Logistik energieintensiver Branchen wie beispielsweise Energie, Stahl und Chemie.

Top-Thema bei CIOs: Green IT

Eine der großen Herausforderungen der IT-Verantwortlichen ist, wie sie ihre Rechenzentren künftig ökologisch effizient betreiben können. Eine weitere Anstrengungen ist vonnöten, um via IT die Geschäftsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten – Stichwort hier ist etwa Videokonferenzen statt Vielfliegen.
Eine der großen Herausforderungen der IT-Verantwortlichen ist, wie sie ihre Rechenzentren künftig ökologisch effizient betreiben können. Eine weitere Anstrengungen ist vonnöten, um via IT die Geschäftsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten – Stichwort hier ist etwa Videokonferenzen statt Vielfliegen.
Foto: IBM

"Green IT steht bei den meisten CIOs ganz oben auf der Agenda", sagte Eul weiter. Das war noch vor knapp einem Jahr anders. Seinerzeit sagten laut einer Online-Befragung unter 264 IT-Entscheidern, die in der zweiten April-Hälfte 2007 stattfand, 39,3 Prozent, das Thema "Energieeffizienz" spiele für sie im Zusammenhang mit IT-Investitionsentscheidungen nur eine untergeordnete Rolle. Weitere 50,4 Prozent maßen dem Thema lediglich eine "durchschnittliche" Bedeutung zu und nur 6,6 Prozent meinen, der Stromverbrauch sei ein wirklich wichtiges Thema.

Eine mögliche Erklärung für das damalige Ergebnis reicht A.T.Kearney in seiner aktuellen Studie nach. "Die IT befindet sich aktuell in einer Zwickmühle zwischen ökologischen und ökonomischen Anforderungen. Einerseits muss sie bei weiterhin bestehendem Kostendruck leistungsfähiger werden. Das führt zu mehr CO2-Emission." Andererseits würden sich IT-Verantwortliche auch durch die öffentliche Erwartungshaltung genötigt sehen, energieeffizientere IT-Strukturen aufzubauen und durch intelligenten IT-Einsatz und IT-Werkzeuge der Energieverschwendung entgegenzuwirken. Als nur ein Beispiel nannte Eul, dass man Videokonferenzsysteme einsetzen könnte, um die Zahl von Reisen einzudämmen.

Internetnutzung verantwortlich für Anstieg des Stromverbrauchs

Wichtigster Treiber für den rapiden Anstieg des weltweiten Stromverbrauchs von Rechenzentren ist vor allem die rasant steigende Nutzung internetbasierter Dienste. Die jährlichen Wachstumsraten beispielsweise für den Warenhandel und -verkauf sowie für die Kommunikation und Informationsgewinnung betragen laut Eul 34 Prozent. Hinzu kommen die Zunahme der IT-unterstützten Zusammenarbeit von weltweit verteilten Expertenteams und die Steuerung globaler Unternehmensnetzwerke auf Basis von Internettechnologien. Ganz konkret bedeutet das einen immer höheren Stromverbrauch für den betrieb von Hardware und vor allem deren Kühlung.

Energiesparen mit Haken

Durch eine konsequente Umsetzung von bereits bekannten Energiesparkonzepten könne die IT ihren eigenen CO2-Ausstoß in Summe etwa halbieren, sagte der A.T.Kearney-Mann. Eine der wesentlichen Optionen hierbei sei die Reduktion der physischen Server durch die Virtualisierung und Harmonisierung von Anwendungen. Da Server erfahrungsgemäß durchschnittlich nur weniger als ein Drittel ausgelastet sind, würde dies allein in Deutschland eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um etwa fünf Millionen Tonnen pro Jahr bedeuten.

Durch energieeffiziente Kühllösungen für bestehende Systeme und ein optimiertes Gebäudedesign für zukünftige Rechenzentren könnte etwa eine Million Tonnen CO2 eingespart werden. Green IT bedeutet zudem den Einsatz energieeffizienter Hardware und unter Umständen auch, Hardware und deren Betrieb an energieeffiziente Dienstleister auszulagern, die Leerkapazitäten besser auslasten können. Durch diese Maßnahmen ließe sich der CO2-Ausstoß um weitere vier Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren.

Bekannt ist allerdings, dass etwa der Einsatz von Blade-Systemen zwar zu einer Reduktion von Servern führt, weil in Industriegehäusen via Blades eine starke Komprimierung von Hardware stattfindet. Allerdings ist der Aufwand, solche hochintegrierten Blade-Systeme zu kühlen, um einiges höher als bei herkömmlichen Servern. Dieser Effekt ist – wie ein Artikel auf COMPUTERWOCHE Online schon vor drei Jahren zeigte – lange bekannt. Was durch Verdichtung der Hardware an Energieeffizienz gewonnen werden kann, geht – zumindest teilweise – durch den höheren Kühlungsaufwand wieder verloren. Diesen Umstand konzedierten Eul und sein Kollege Holger Röder auch. Man müsse in solchen Szenarien immer eine Gesamtbetrachtung anstellen.

Forderung nach Energieeffizienklassen auch in der IT

A.T.Kearney fordert, dass künftig IT-Komponenten ähnlich den Usancen bei Haushaltsgeräten auch mit Angaben zum Energieverbrauch versehen werden sollten. Daneben müssten die IT-Nutzer beispielsweise durch regelmäßige Energiemessungen und Energietransparenz für einen stromsparenden Umgang mit Notebooks und PCs sensibilisiert werden. Hierbei könnten Initiativen wie etwa ein im Internet verfügbares Electronic Product Environmental Assessment Tool (EPEAT) helfen. Es setzt auf dem IEEE-Standard 1680 auf, wendet sich allerdings an amerikanische Käufer. Die können sich vor dem Kauf von IT-Gerätschaft auf eine Website begeben und dort Vergleiche anstellen, welche PCs, Notebooks und Bildschirme besonders stromsparend sind.

Darüber hinaus gilt es, schreibt A.T.Kearney, den Einsatz erneuerbarer Energien genau zu prüfen, um die CO2-Bilanz der IT weiter zu optimieren.

Kerngeschäft ist der wesentliche Emissionstreiber

Eul wies darauf hin, dass der Betrieb selbst der IT je nach Branche lediglich zu ein bis drei Prozent zu der gesamten Kohlendioxid-Emission eines Unternehmens beiträgt. Allerdings könne die IT geeignete Hard- und Software-Werkzeuge zur Verfügung stellen, um auch ein emissionsreduziertes Kerngeschäft des gesamten Unternehmens zu verwirklichen. "So wird die IT zum Klimaretter", sagt Röder. "Da durchschnittlich mehr als 97 Prozent der CO2-Emission eines Unternehmens durch das Kerngeschäft verursacht werden, haben entsprechende Maßnahmen in diesem Bereich auch eine sehr viel höhere Wirkung, als wenn man lediglich die IT betrachten würde, die nur für maximal drei Prozent der Emissionen steht."

Finanzdienstleiter erreichen durch die weitere Forcierung des Online-Bankings schon heute weniger Kundenverkehr und reduzieren den Papierverbrauch. Bargeldloser Zahlungsverkehr bedeutet auch geringere Produktion von Bargeld und weniger Bargeldtransporte. Telekommunikationsunternehmen sollten, so A.T.Kearney, vermehrt auf die Nutzung zentraler Dienste setzen wie beispielsweise die T-Net-Box. Hierbei handelt es sich um einen kostenpflichtigen Anrufbeantworter für Telefonanrufe und Faxe im Telefonnetz und auf Servern der Deutschen Telekom. Dieser virtuelle Anrufbeantworter in den Vermittlungsstellen speichert bis zu 30 Nachrichten. Mit solchen Optionen ließe sich der Einsatz zahlreicher dezentraler Hardware minimieren.

Für Autohersteller lohnt sich der Einsatz softwarebasierter Energiesparfunktionen in Autos, zum Beispiel durch Auto-Start-Stop-Funktionen. Computerunterstütztes Design und Simulation in der Produktion sowie eine klimaeffiziente Steuerung der Wertschöpfungskette in den Bereichen Kapazitätsauslastung, Netzwerkdesign und Transporte mittels Best-Practice-PPS-Systeme würden den CO2-Ausstoß nachhaltig verringern, heißt es in der Studie.

Im Bereich Handel würde eine effektive Steuerung der Filial- und Zentrallagerbelieferung und der lokalen Beschaffung für weniger Verkehr sorgen und damit für weniger Schadstoffausstoß. Zudem kann die IT mit der Bereitstellung von Handelsplattformen nachhaltig dazu beitragen, die vorhandenen Frachtkapazitäten besser auszulasten.

Energieunternehmen könnten von einer optimierten IT-Steuerung der Stromerzeugung etwa durch intelligente Merit-Order-Systeme profitieren. Der Begriff Merit-Order benennt, in welcher Reihenfolge Kraftwerke zum Einsatz kommen. Der Ausdruck wird vor allem an Strombörsen benutzt. Branchenübergreifend reduzieren Videokonferenzen und neue IT-gestützte Entscheidungsmodelle die CO2-Emissionen im Tagesgeschäft.

CeBIT 2008: Green IT ist der Messeschwerpunkt

Das Thema Green IT ist mittlerweile so wichtig geworden, dass etwa die Initiative Mittelstand beim Innovationspreis 2008 erstmals die Kategorie Green IT auslobt. Auf der vom 4. bis 9. März 2008 stattfindenden IT-Leitmesse CeBIT in Hannover ist die ökologische Nutzung von IT das Hauptthema. Die CeBIT 2008 platziert das Thema mit einem "Green-IT-Village", einem "Green-IT-Guide" sowie einem speziellen Kongress- und Ausstellungsprogramm als absoluten Messeschwerpunkt.

Das Thema Nachhaltigkeit wird für die Unternehmen nach Erkenntnissen von A.T.Kearney dabei immer wichtiger. "Die zahlreichen Beispiele aus dem Bereich Green IT zeigen, dass dabei – nicht zuletzt auch aufgrund stetig steigender Rohstoffpreise – eine ökologische Optimierung der Geschäftsprozesse meist auch eine Kostenoptimierung mit sich bringt", sagt Eul. Mit Hilfe der IT könnten Unternehmen diese Initiativen noch sehr viel besser steuern und kontrollieren. Sie würden so ihre Prifitabilität verbessern und gleichzeitig die Umwelt schonen. (jm)