Pozeßrechner ins Büro?

9 Minis fordern die MDT

13.06.1975

Exclusiv für CW Von Herbert F. W. Schramm

"Wir wollen uns ein zweites Bein wachsen lassen", kommentierte Heinrich Dietz unlängst in Hannover die Premiere des Systems 600/34, Das neue Bein soll im Büro stehen, und die Nummer 2 im hierzulande ablaufenden Prozeßrechner-Geschäft (über 1000 Installationen) unternimmt nicht als einziger einen Vorstoß in den Markt der mittleren Datentechnik. Denn dem kaufmännischen Rechenwesen weihen zugleich auch Data General, Digital Equipment, Era-General Automation, Hewlett-Packard, Krantz Computer, Micral Computer, Rank Xerox und Wang Laboratories teils systemfähige Minicomputer und teils ausgewachsene EDV-Systeme.

Einige dieser Unternehmen haben sich bereits durch ihre OEM-Abschlüsse mit deutschen Computer-Herstellern weitreichende Erfahrungen über die erforderlichen System-Auslegungen für den kommerziellen Anwendungsbereich zulegen können. So ist etwa bekannt, daß der PDP-8-Rechner von Digital Equipment mehr als zehn meist modularen Verarbeitungs- und Peripheriesystemen als Prozessor dient. Aber der Vorsprung der arrivierten Produzenten aus der mittleren Datentechnik liegt nicht in der Hardware; er besteht aus landesweiten Vertriebsorganisationen und umfangreichen Bibliotheken mit problemspezifischen Programmen.

Software-Komfort, aber keine Anwendungen

So dürfte der neue Markt für die technisch-wissenschaftlich orientierten Anbieter eher langfristig aufnahmebereit sein. Sie gehen größtenteils mit preisniedrigen Systemen an den Start, welche die Hauptmerkmale der Herkunft nicht verleugnen. Im Preisbereich der plattenorientierten, dialogfähigen MDT-Computer

bieten sie dezentralisierbare Terminalsysteme mit Multiprogramm- und Echtzeit Betrieb an, von denen einige außer der direkten Datenverarbeitung an Arbeitsplätzen zugleich im Hintergrund eine Stapelverarbeitung, Programmcompiling oder -tests erlauben. Zu den Pluspunkten zählt außerdem der Software-Komfort; den Benutzern stehen in der Regel Basic und mehrere höhere Programmiersprachen zur Verfügung. Besonders günstig mag sich auch die Anpassungsfähigkeit der Konfigurationen auswirken, und es bleibt abzuwarten, ob diese Eigenschaften den Mangel an geeigneten Vertriebsbeauftragten und vor allem an Beratungs/Entwicklungsassistenz kompensieren werden. Die meisten TW-Spezialisten (technisch wissenschaftlich) gehen noch von Verhältnissen in ihrem angestammten Arbeitsfeld aus. Sie wollen "schlüsselfertige" Systeme auf den Markt bringen, die das Hauptproblem der MDT-Einführung ignorieren: den teueren Aufwand für branchen- und hausorientierte Organisationen und Programme, den die kleinen und mittelgroßen Anwender in der Regel noch vom Lieferanten erwarten (möglichst kostenlos).

Harte Konkurrenz

Schon jetzt können die Interessenten eine stattliche Reihe von Systemen in ihre vergleichende Bewertung einbeziehen.

Data General bietet als Eclipse C/300-System einen 16-Bit-Rechner für den Multiterminal-Betrieb mit und ohne Hintergrund-Verarbeitung an (bis 256 K/16 bit ausbaufähig, bei 48 K ab 250 000 Mark).

Bei Dietz findet man die Dialog-Platten-Systeme 600/32 bis 36, denen bis 12 Bildschirmplätze anzuschließen sind (ab 107 500 Mark).

Digital Equipment fängt beim DDS-310 gar unterhalb von 50 000 Mark an; in der kleinsten Version steuert ein PDP-8-Rechner eine Bildschirm-Konsole und Druckausgabe (16 K Byte-Kernspeicher)

Era-General Automation setzen im Bürosystem T.O.M. einen Rechner SPC-16 im Multiprogramm- und Echtzeit-Betrieb mit Bildschirmen, Schnelldruckern und anderen Komponenten ein (Basisausrüstung ab 120 000 Mark).

Hewlett-Packard will mit dem systemfähigen Minicomputer 9830 in den kommerziellen Aufgabenbereich vordringen, bietet hierbei Fertigprogramme für sämtliche kaufmännischen Aufgaben und hilft in der Anpassung mit (bei 16 K-8yte etwa 100 000 Mark).

Schon länger führt Krantz im Grenzbereich zwischen technischen und kaufmännischen Aufgaben den OEM-Computer Mulby 3 ein, dessen kleinste Version /10 durch Stecktafeln bis 64 K-Byte ausgebaut werden kann (kleinste Version mit 8 K-Speicher 9980 Mark).

Aus Frankreich stammt das Micral-System, dessen Zentraleinheit von 0,25 bis 64 KB zu erweitern ist (ab 50 000 bis 60 000 Mark).

Rank Xerox hat auf der Basis des 16-Bit-Rechners Xerox 530 das Data Business System entwickelt, welches alternativ mit Software für Timesharing- oder Datenbank-Betrieb erhältlich ist. Der Hauptspeicher ist bis 128 K-Byte ausbaufähig, und es können bis 64 Datenstationen angeschlossen werden (ab 300 000 Mark).

Wang Laboratories gehen schon seit 1974 mit Minicomputern auf den deutschen Markt, die mit allen üblichen Ein/Ausgabe-Komponenten des kommerziellen Sektors zu verbinden sind. Zielgruppen findet das Unternehmen bei den Steuerberatern und in kleinen Unternehmen (Modell 2200 S unterhalb 20 000 Mark).

Die hohen Umsatzzuwachsraten auf dem Gebiet der TW-Rechner kommen weitgehend den Mikrocomputern zugute, während die Erfolgskurve der Prozeßrechner immer flacher verläuft. In dieser Tatsache liegt denn auch der Hauptgrund für den Ausflug ins Kaufmännische, zu dem sich diese Branche anschickt.

Herbert F. W. Schramm ist freier Fachjournalist.