Über IDS-Allianz zu neuen Referenzmodellen

"70 Prozent Umsatz auf Basis von NT-Technologie"

06.06.1997

CW: Im vergangenen Jahr konnte Baan den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 79 Prozent auf 388 Millionen Dollar steigern. Wie wollen Sie diesen Aufwärtstrend sichern?

TINSLEY: Auf der Baan World und im Vorfeld dazu haben wir neue Produkte, Kooperationen und Unternehmenskäufe angekündigt, die unser Wachstum auch künftig sichern sollen. Dazu gehört die enge Zusammenarbeit mit Hyperion, einem Hersteller von Finanzsoftware. Damit wird Baan IV um Funktionen für Budgetierung, Konsolidierung und Reporting ergänzt. Im Bereich Vertrieb- und Marketing haben wir uns durch den Kauf von Aurum, einem Anbieter von Customer-Relationship-Management-Software, verstärkt.

CW: Haben sie eine spezielle Strategie für Deutschland?

TINSLEY: Deutschland ist nach den USA unser zweitgrößter Markt, rund 400 Unternehmen hierzulande setzen unsere Software ein. Wir streben in diesem Jahr einen Umsatz von rund 100 Millionen Mark an, nach 87 im letzten Geschäftsjahr. Schwerpunkte hier sind die Automobilindustrie, deren Zulieferer sowie Firmen, die im Projektumfeld tätig sind, Anlagenbauer etwa. Baan Automotive wird beispielsweise für die Planung und Steuerung der Logistik und Produktion der Micro Compact Car AG eingesetzt, einem Joint-venture zwischen Daimler-Benz und SMH zur Fertigung des Smart Cars.

CW: Baan erweitert seine Produktpalette also durch Allianzen und Zukäufe?

TINSLEY: Wir setzen stark auf diese Kooperationen und runden unser Angebot damit ab. Das zeigt auch die Zusammenarbeit mit IDS Prof. Scheer, die wir hier auf der Baan World angekündigt haben.

CW: In Baan IV ist doch ein eigenes Modellierungswerkzeug, der Dynamic Enterprise Modeller (DEM), implementiert. Müssen sich Kunden künftig auch Aris anschaffen, wenn sie Ihre Software einführen wollen?

TINSLEY: Prof. Scheers Werkzeug Aris setzt über unserem DEM auf. Es hat nicht den direkten Durchgriff auf Baan-Funktionen und Programme. In der Kooperation wollen wir gemeinsam ein Multi-Business-Plattform-Modell erarbeiten.

CW: Das heißt?

TINSLEY: Wir wollen Kunden die Möglichkeit geben, ihre Geschäfts- und Prozeßmodelle durch unterschiedliche Enter- prise-Resource-Planning-(ERP)-Lösungen zu unterstützten, ein best-of-breed also. Dazu sollen künftig Referenzmodelle zwischen Aris und DEM austauschbar sein. Ferner werden Baan und IDS gemeinsam Modelle für neue Märkte erarbeiten und darüber hinaus die Beratungskapazitäten beider Unternehmen verstärken.

CW: Anbieter von Standardsoftware müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, ihre Software sei monolithisch und unflexibel für Anpassung. Wie will Baan künftig schneller auf Trends reagieren können?

TINSLEY: Unsere Nucleus-Technologie, die sowohl Microsofts Distributed Component Object Modelling (DCOM) als auch den OMG-Standard, die Common Object Request Broker Architecture (Corba), unterstützt, ist ein Teil unserer Modularisierung. Darüber lassen sich einzelne Bausteine schnell zu einer Applikation zusammenbinden.

CW: Ein Beispiel: In der Buchhaltung ändern sich Vorschriften, aber die Produktion bleibt davon unberührt. Wann ist Baan in der Lage, auf spezielle Anforderungen zu reagieren, ohne daß Kunden ein komplettes Paket einspielen müssen?

TINSLEY: Wir sehen einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren, bis die Modularisierung soweit fortgeschritten ist, um Einzelfunktionen zu erneuern.

CW: Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen fordern kurze Projektlaufzeiten. Was tut Baan für mittelständische Betriebe?

TINSLEY: Für diese Firmen ist Baan IV Backoffice verfügbar. Das ist die erste ERP-Software mit Microsofts Backoffice-Zertifizierung. Durch die Einbindung in ein breites Vertriebs- und Servicenetz kann optimaler technischer Support und Kundenunterstützung geboten werden. Ferner ist geplant, unsere Software vorkonfiguriert auszuliefern.

Wir setzten voll auf Microsofts Produktpalette und werden, sobald verfügbar die Cluster-Software Wolfpack unterstützen. Damit erreichen wir eine Skalierbarkeit und Ausfallsicherheit, wie sie auch von größeren Unternehmen gefordert wird. Wir glauben, daß wir künftig rund 70 Prozent des Geschäftes auf Basis von Microsoft-Produkten machen.

CW: Wie reagiert Baan auf den Java-Boom?

TINSLEY: Zunächst planen wir binnen der nächsten sechs Monate die Entwicklung einer Java-Benutzeroberfläche für unser ERP-System. Zweitens werden Workflow-basierte Funktionen die Nutzung von Geschäftzprozessen über Internet, Intranet und Extranet ermöglichen. Und drittens wollen wir unabhängige Internet-Lösungen entwickeln, die auch mit ERP-Produkten anderer Hersteller arbeiten können. Verfügbar sind bereits einige Internet-basierte Funktionen aus der Zulieferkette und ab Sommer werden wir Microsofts Merchant Server unterstützten.

CW: Wann ist Baan V verfügbar und was sind die wesentlichen Neuerungen?

TINSLEY: Die Entwicklung ist abgeschlossen und erste Beta-Versionen werden ab September verfügbar sein, das Markt-Release ab Ende des Jahres. Wesentliche Neuerungen gibt es für die Automobil- und Prozeßindustrie.