64 Bit: Die stille Revolution

09.03.2005
Von 
Jan Schulze ist freier Autor in Erding bei München.
Die 32-Bit-Ära der x86-Maschinen scheint sich dem Ende zuzuneigen. Nachdem die 64-Bit-Technik den Server-Bereich auch im Lowend-Segment erreicht hat, stürmen AMD und Intel nun den Desktop-Markt.

Das 64-Bit-Computing ist in aller Munde. Im Server-Bereich ist diese Technik zumindest in der gehobenen Leistungsklasse bereits seit einiger Zeit fast schon der Standard. Was früher den teuren, Unix-basierenden Risc- und Sparc-Architekturen vorbehalten war, ist seit den Markteinführungen von AMDs "Opteron" und Intels "Itanium" auch mit kleineren Budgets erschwinglich.

Der Angriff gegen die Unix-basierende Sparc- und Risc-Welt wurde 2001 von Intel eingeleitet. Mit der Markteinführung seines ersten, in Zusammenarbeit mit Hewlett-Packard entwickelten 64-Bit-Prozessors Itanium sollte ein Konkurrenzmodell zu Risc etabliert werden. Im Jahr darauf wurde der Nachfolger Itanium 2 ins Rennen geschickt. Doch der Markterfolg war nicht so, wie es sich der Desktop-CPU-Marktführer wünschte, die verkauften Stückzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück: Der Prozessor ist nur bedingt kompatibel zu den weit verbreiteten 32-Bit-Modellen wie etwa dem Intel Xeon oder Pentium. Denn das reine 64-Bit-System hat den gravierenden Nachteil, dass es den heute üblichen 32-Bit-Code nicht nativ ausführen kann, sondern nur mit erheblichen Leistungseinbußen in einem speziellen Modus.

Wenig Bedarf

Um das Potenzial der CPU auszuschöpfen, müssten Anwender und Softwarehersteller ihre Applikationen oft nicht nur neu kompilieren, sondern aufwändig portieren. Die schwachen Verkaufszahlen von Itanium und Itanium 2 zeigen, dass dieser Aspekt die breite Masse der Käufer bislang davon abgehalten hat, sich diese Architektur ins Haus zu holen.

Beim Einstieg in die 64-Bit-Welt bewies AMD ein glücklicheres Händchen: Im Gegensatz zum Itanium basiert der 2003 eingeführte Server-Prozessor Opteron auf einer 32-Bit-x86-Technologie, die um 64-Bit-Funktionalität erweitert wurde. Der Vorteil dabei ist, dass der Prozessor sowohl 32-Bit- als auch 64-Bit-Anwendungen nativ verarbeitet. Die Architektur beherrscht drei Modi: einen nativen 32-Bit-Modus, die 32-Bit-Emulation im 64-Bit-Modus sowie den reinen 64-Bit-Betrieb. Damit steht laut Forrester Research den Anwendern eine Migration in drei Stufen zur Verfügung: Im ersten Schritt können 32-Bit-Anwendungen und -Betriebssysteme auf der neuen Hardware genutzt werden. Der zweite Schritt ist, bestehende 32-Bit-Anwendungen mit 64-Bit-Betriebssystemen zu nutzen, um schließlich im letzten Schritt in eine reine 64-Bit-Welt zu gelangen. Die Server-Hersteller haben das honoriert und vor allem im Lowend-Bereich den Opteron frühzeitig ins Portfolio aufgenommen.

Ein weiterer Schachzug, der AMDs Erzrivalen Intel zunächst ins Hintertreffen brachte, folgte noch im selben Jahr: AMD portierte die als "AMD64" bezeichnete Technologie auf seine Desktop-Prozessoren und brachte den "Athlon 64" auf den Markt - zu diesem Zeitpunkt der einzige 64-Bit-Prozessor für PCs und Notebooks. Entsprechende Produkte sind zwar noch kein Massengeschäft, werden aber vom Handel angeboten und auch von technisch interessierten Anwendern nachgefragt.

Aber auch Intel hat erkannt, dass die Kunden nicht den 64-Bit-Big-Bang wünschen, sondern dass diese Technologie langsam am breiten Markt etabliert werden muss. Bereits im Februar vergangenen Jahres kündigte der Hersteller an, AMD nachzueifern und auch so genannte x64-Prozessoren zu entwickeln. Das erste Kind dieses Umschwungs war der mit 64-Bit-Fähigkeit versehene "Xeon"-Prozessor, der im Herbst 2004 vorgestellt wurde. Seine 64-Bit-Erweiterung wird als "EM64T" (Extended Memory 64 Technology) bezeichnet und ist kompatibel zum AMD-Ansatz. Außerdem wurden in diesem Jahr die Notebook- und Desktop-Prozessoren der Pentium-4-Serie um 64-Bit-Instruktionen erweitert, die unter dem Namen "Sequence 6xx" auftreten. Selbstverständlich wurde auch in die Desktop-CPUs EM64T integriert.

Mit Intels neuer Ausrichtung wird die Luft für AMD nach Ansicht von Marktforschern wieder etwas dünner, trotz der zwei Jahre Vorsprung. Denn im Bereich der Commodity-Server und der Desktops hat Intel klar die Nase vorne und dominiert den Markt. So prognostizierte Forrester Research bereits kurz nach der 64-Bit-Xeon-Ankündigung, dass Intel auch im 64-Bit-Bereich der klare Gewinner bei den verkauften Stückzahlen sein wird. Allerdings werde die weitere Einführung des Itanium dadurch gebremst, dass mit den x64-CPUs eine preiswerte Alternative bereitstehe.

Megahertz-Rennen ausgereizt

Die 32-Bit-Welt, die seit der Markteinführung des Intel-Prozessors "80386" im Jahr 1985 den Massenmarkt bestimmt, geht damit ihrem Ende entgegen. Die großen Vorteile, die der Umstieg auf 64 Bit bringt: Mehr Instruktionen können pro Taktzyklus verarbeitet werden, den Betriebssystemen und Anwendungen steht mehr Speicher zur Verfügung. Da das Megahertz-Rennen auf dem Weg zu immer schnelleren Prozessoren inzwischen weitgehend ausgereizt ist, kann nur eine neue Architektur den Drang nach noch mehr Rechenleistung befriedigen.

Im nahezu grenzenlosen Speicher sehen die Marktbeobachter den Hauptvorteil der 64-Bit-Welt. Denn ein absehbares Problem der 32-Bit-Prozessoren wird sein, dass sie maximal 232 Byte Arbeitsspeicher verwalten können, das entspricht 4 GB. Was 1985 noch unvorstellbar - und unbezahlbar - war, ist heute zwar noch nicht Standard, aber bei x86-Servern durchaus üblich. Vor allem Datenbanken und Business-Intelligence-Anwendungen benötigen große Speicherkapazitäten, weshalb sie oft auf den etablierten 64-Bit-Architekturen unter Unix betrieben werden. Die 64-Bit-Prozessoren können theoretisch 16 Exabyte (EB) adressieren. 1 EB entspricht 1 152 921 504 606 846 976 Bytes. Dieser Wert wird allerdings physikalisch noch nicht erreicht und daher meist als "virtueller Speicher" bezeichnet.

In der Praxis liegt der Speicherraum der heute verfügbaren 64-Bit-Prozessoren im Terabyte-(TB-)Bereich. So kann zum Beispiel der aktuelle Power-PC-G5-Prozessor von IBM und Apple laut Datenblatt 4 TB physikalisch verwalten. Das entspricht 4096 GB und liegt damit um den Faktor 1000 über den 32-Bit-x86-Prozessoren. Doch auch dieser beeindruckende Wert ist graue Theorie: Kein Mainboard kann so viel Speicher aufnehmen. Über 8 GB wird man also zurzeit bei Commodity-Servern und PCs nicht hinauskommen. Doch immerhin bedeutet das schon eine Verdoppelung im Vergleich zur 32-Bit-Welt.

Eine einfache Rechnung macht ein anderes Problem dieser gigantischen Arbeitsspeicher deutlich: Der Straßenpreis für 1 GB des üblichen DDR-Speichers (DDR = Double Data Rate) liegt bei zirka 170 Euro. Für 4 TB müsste man also fast 700000 Euro hinlegen.

Doch abseits der praktischen Speichergrenzen bringen die neuen Prozessoren einige Vorteile - auch bei den Desktops. So haben sowohl AMD als auch Intel Mobiltechnologien in die CPUs integriert: AMDs Stromspartechnik "Cool & Quiet" und das "Speed-Step"-Pendant von Intel takten den Prozessor herunter, wenn die volle Leistung nicht benötigt wird. Damit sinken der Energiebedarf und die Abwärme. Das hängt zwar nicht kausal mit den 64-Bit-Funktionen zusammen, wird aber im Rahmen dieser Erweiterung in die CPUs integriert.

Eine wichtige Neuerung der 64-Bit-Welt unterstützen beide Hersteller ebenfalls: die NX-Funktion (NX = No Execution). Sie markiert bestimmte Speicherbereiche als "nicht ausführbar". Damit wird ein gravierendes Problem der 32-Bit-Welt entschärft: x86-Architekturen erlauben es, Code und Daten zu vermischen. Dadurch ist es möglich, Code zum Beispiel in Textdateien zu verstecken und in einem System unbemerkt auszuführen. Die x64-CPUs dirigieren solche Daten in den als NX markierten Speicher, die Codeausführung ist dort nicht möglich. AMD bezeichnet seine Umsetzung von NX als "EVP" (Enhanced Virus Protection), Intel als "XD" (Execute Disable). Allerdings muss NX auch vom Bios und vom Betriebssystem unterstützt werden. Bei Microsoft ist das mit dem Service Pack 2 für Windows XP der Fall.

Im Server-Bereich hat sich die 64-Bit-Plattform auf x86-Basis einen festen Platz gesichert, bei den Desktops ist das nur eine Frage der Zeit. Es geht den 64-Bit-Prozessoren nicht anders als den 32- und 16-Bit-Vorgängern: Sie stoßen zunächst auf wenig Akzeptanz und müssen sich die Frage nach dem Sinn von 64-Bit-PCs gefallen lassen. Dennoch ist die Welt nicht bei 8-Bit-Prozessoren stehen geblieben. Die 64-Bit-Maschinen am Schreibtisch kommen als konsequente Fortsetzung der CPU-Evolution. Bis zum Jahr 2010 werden laut der Aberdeen Group die Vorzüge der neuen Prozessortypen am Massenmarkt benötigt. (ue)