Das neue Barometer Netzpolitik, das der eco - Verband der Internetwirtschaft e.V. seit Vorstellung der Digitalen Agenda halbjährlich veröffentlicht, kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Bundesregierung kommt nur schleppend mit der Umsetzung ihrer Digitalen Agenda voran. Im vergangenen Halbjahr konnten die zuständigen Ministerien im Vergleich zum vorherigen Halbjahr nur wenige weitere Punkte der im Jahr 2014 vorgestellten Digitalen Agenda 2014-2017 (als pdf hier zu finden) als erledigt abhaken. Laut eco sind 60 Prozent der Ziele noch nicht erreicht. So seien über die Hälfte der untersuchten 45 Vorhaben entweder noch in Arbeit (44 Prozent, beziehungsweise 20 Vorhaben) oder noch gar nicht angegangen worden (16 Prozent, beziehungsweise sieben der untersuchten Vorhaben).
Fortschritte bei Störerhaftung und Netzneutralität
Wichtige Fortschritte sieht der eco in jüngster Zeit lediglich bei den Themen Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber und Leitlinien zur Netzneutralität. So begrüßt der Verband, dass der Bundestag nach langem Hin und Her ein Gesetz beschlossen hat, das Anbietern öffentlicher WLAN-Hotspots mehr Rechtssicherheit gibt und damit die Verbreitung von mobilem Internet fördert. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang aus Sicht der Internetwirtschaft auch, dass die ursprünglich im selben Gesetz vorgesehene Verschärfung der Host-Provider-Haftung wieder gestrichen wurde.
Beim Thema Netzneutralität erkennt der eco ebenfalls Fortschritte. Anfang Juni hat das Gremium europäischer Regulierungsbehörden für elektronische Kommunikation (BEREC) einen Entwurf für Leitlinien vorgelegt, mit dem sie die EU-Verordnung Digitaler Binnenmarkt und Netzneutralität (VO/2015/2120) vom Oktober konkretisieren will. Der Entwurf könnte - aus Sich des eco - zu einer Versachlichung der Diskussion führen, da er das Potential hat, die Interessen von Internetzugangsanbieter und Endnutzern, Verbrauchern sowie Inhalte- und Applikationsanbietern in Ausgleich zu bringen. Das klare Bekenntnis zur Netzneutralität, zum best-effort-Prinzip und zum Endkundenschutz begrüßt der Verband ausdrücklich. Geleichzeitig kritisiert er die Anforderungen in Bezug auf Zero-Rating, Spezialdienste und Transparenzmaßnahmen als zu streng.
Drei offene Baustellen
Während der Verband in diesen Bereichen die Fortschritte lobt, sieht er in der Digitalen Agenda noch drei offene Großbaustellen bei Urheberrechtsreform, Datenschutz und Infrastruktur. "Im völlig veralteten Urheberrecht muss die Politik noch viel stärker auf eine EU-weite Modernisierung drängen und sicherstellen, dass diese nicht in die falsche Richtung läuft - wie bei den aktuellen Überlegungen zum EU-Leistungsschutzrecht", kommentiert Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht beim eco.
Handlungsbedarf beim Datenschutz
In Bezug auf die im April dieses Jahres offiziell vom Europäischen Parlament verabschiedete Datenschutz Grundverordnung hat die Bundesregierung in den Augen des eco ebenfalls ihre Hausaufgaben noch nicht gemacht. Die Mitgliedstaaten hätten sich dabei unter anderem auf folgende Punkte geeinigt: Marktortprinzip, Nutzereinwilligung, Portabilität, Privacy by Design, Recht auf Vergessen werden. Diese Punkte muss der Gesetzgeber nun bis 2018 in nationales Recht umsetzen. Die Bundesregierung sollte hier, so der Verband, vorhandene Spielräume nutzen und nicht durch überbürokratisierte Regelungen Innovation und neue Dienste gefährden.
Sorgenkind Breitband
Viel Arbeit für die Bundesregierung sieht der Verband auch noch in Sachen Digitaler Infrastruktur. Nach wie vor, so kritisiert der eco, fehlt ein überzeugendes ambitioniertes Konzept für den flächendeckenden Breitbandausbau, auch wenn zuletzt immerhin die finanzielle Förderung angehoben wurde. "Der Breitbandausbau ist und bleibt das wichtigste Infrastrukturprojekt in den nächsten zehn Jahren. Das derzeitige Ziel flächendeckender Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Mbit/s bis 2018 ist wichtig, aber nur ein Zwischenschritt. Der Ausbau der Netze muss auch nach 2018 entschieden weiter vorangetrieben werden. Deutschland braucht eine Gigabitinfrastruktur, wenn wir weltweit nicht den Anschluss verlieren wollen", fordert eco-Vorstand Süme.