IT als Arbeitsplatzkiller

6,7 Millionen weniger Jobs im Service

20.06.1997

Der Traum von der Jobmaschine Dienstleistung ist ausgeträumt, wenn man den Prognosen von Thome und Kraus glaubt. Sie sind überzeugt, daß es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten aufgrund des Kostendrucks zu starken Veränderungen in dieser Branche kommen wird.

Von den 21,7 Millionen Jobs im Servicesektor untersuchten die Wissenschaftler eigenen Angaben zufolge die Arbeitsabläufe von 15,3 Millionen Beschäftigten. Anhand dreier Bereiche lasse sich die bevorstehende Stellenstreichung exemplarisch veranschaulichen.

So seien beim Handel von den 3,4 Millionen untersuchten Jobs 1,7 Millionen einzusparen. Insbesondere elektronische Shopping-Malls würden Teile des heutigen Handels verdrängen. Durch Automation der Kassiervorgänge mittels Self-Scanning und elektronischer Zahlung hätten Handelsketten die Möglichkeit, Mitarbeiter zu ersetzen. Zudem würden viele Warenhäuser schließen. "Die Shopping-Malls im Internet setzen sich durch", ist Kraus überzeugt.

Auch die öffentliche Verwaltung könnte auf knapp die Hälfte (46 Prozent) der 2,7 Millionen Beschäftigten verzichten. Durch Büroautomation ließen sich Routineaufgaben rationalisieren. Stünden Informationen zur Bearbeitung der unterschiedlichen Fälle und Vorgänge elektronisch und schnell zur Verfügung, bräuchten die Kommunen weniger Sachbearbeiter, meint Kraus. Kundenterminals sollen es den Bürgern ermöglichen, sich bei den Gemeindeämtern elektronisch an- und abzumelden.

Das größte Rationalisierungspotential besteht indes bei den Banken. Nach den Berechnungen von Thome und Kraus dürften 61 Prozent der jetzigen Bankangestellten, also 474000 Mitarbeiter, ihre Schreibtische räumen und sich nach neuen Aufgaben umschauen müssen.

Beratungslose Vorgänge, die sich oft wiederholen und 80 Prozent des Bankgeschäfts ausmachen, könnten die Kreditinstitute vollkommen automatisieren. Expertensysteme sollen darüber hinaus Risikoanalysen unterstützen, und die bankinterne Abwicklung ließe sich durch Integration der digitalen Informationen und durch automatisierte Ausführungen "erheblich" effizienter gestalten. Als Fazit halten die Wissenschaftler fest, daß Jobs mit sich wiederholenden beziehungsweise Informationen zusammenführenden Tätigkeiten in den kommenden Jahren überflüssig werden.

Nicht wegzurationalisieren seien dagegen "innovative" Tätigkeiten. Als Beispiel nennt Kraus den Organisator und Software-Entwickler; wobei er darauf hinweist, daß sich die Untersuchung nicht mit der Entstehung neuer Jobs beschäftigt hat.

Rainer Thome, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universität Würzburg, stellte die Ergebnisse im Rahmen eines Fachseminars im Tagungszentrum Kloster Banz vor. Die Untersuchung ging der Frage nach, wie Geschäftsprozesse heute und künftig mit Hilfe der DV ablaufen. Verwendet wur- den dabei auch Daten des Statistischen Bundesamtes sowie der Berufsverbände und Gewerkschaften. Eine Veröffentlichung unter dem Titel "Integrierte Informationsverarbeitung im Dienstleistungsbereich" soll im Juli erscheinen.