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Kapituliert Palm vor Microsoft?

26.09.2005
Marktbeobachter fürchten wegen der geplanten Vorstellung eines Windows-Smartphones, dass Palm einen strategischen Richtungswechsel vornimmt.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Palm, bislang Microsofts Erzrivale auf dem Gebiet der PDAs und Smartphones, scheint seine Strategie radikal zu ändern: Das Unternehmen soll heute um 18 Uhr europäischer Zeit auf einer Pressekonferenz in Kalifornien ein "Treo"-Smartphone mit Microsofts Betriebssystem "Windows Mobile 5.0" vorstellen. Auf der Pressekonferenz sprechen Palm-Vorstandschef Ed Colligan, Microsoft-Gründer Bill Gates und Denny Strigl, CEO des Mobilfunkanbieters Verizon.

Glaubt man der Web-Site "Engadget", so heißt das neue Palm-Telefon "Palm Treo 700w". Nach Angaben von Engadget wird das Smartphone wohl eine 1-Megapixel-Kamera besitzen, einen 64 MB großen Speicher haben, Bluetooth unterstützen und den Mobilfunkstandard EVDO verwenden. Erste Bilder legen zudem die Vermutung nahe, dass das Gerät vorerst von Verizon vertrieben wird.

Angesicht der Neuigkeit und der angekündigten Pressekonferenz wird in der Branche wild über die Zukunft Palms spekuliert: Während die einen in der Vorstellung des Windows-Smartphone einen strategischen Richtungswechsel sehen, glauben andere, dass Palm mit dem Gerät lediglich Geschäftskunden entgegen komme, die ein mobiles Endgerät wollten, das sich nahtlos in ihre vorhandene Microsoft-Infrastruktur integrieren lässt. Für beide Thesen sprechen verschiedene Fakten. So verlor Palm auf dem Markt immer mehr Marktanteile gegenüber Windows-basierenden Pocket PCs. Mehr als die Hälfte der kleinen Computer ist heute mit dem Microsoft-Betriebssystem ausgestattet. Ferner schrumpft der Markt der reinen PDAs, während die Smartphones sich steigender Beliebtheit erfreuen. Marktführer ist hierzulande beispielsweise T-Mobile mit seinen Windows-Smartphones, gefolgt von Nokia mit der Symbian-Plattform. Palms Treo belegte im Juli 2005 in Deutschland lediglich Platz 5 mit einem Marktanteil von acht Prozent.

Unklar ist zudem, ob Palm in Zukunft überhaupt noch verlässlich auf das eigene Betriebssystem "Palm OS" bauen kann. Die Softwareentwicklung war nämlich vor zwei Jahren in das Tochterunternehmen Palmsource ausgegliedert worden. Und diese Sparte war erst Anfang September für rund 325 Millionen Dollar an das japanische Unternehmen Access verkauft worden (siehe "Japanische Access schluckt Palmsource"). Das Unternehmen machte sich vor allem einen Namen als Entwickler von Browsern für mobile Endgeräte, einer Java-Portierung auf diese Geräte sowie der Entwicklung verschiedener Protokoll-Stacks und Browser-basierender Software für mobile Devices.

Gegen einen strategischen Wechsel Palms auf Windows Mobile spricht allerdings, dass die Company zuletzt hauptsächlich vom Nimbus des Kampfes des kleinen David gegen den Goliath Microsoft lebte und weniger von der technischen Überlegenheit ihrer Produkte. Groß geworden war die Company als eine Ausgründung des Netzwerkherstellers 3Com zu Zeiten der New Economy. Damals waren die Palms nach der erfolglosen Ära des Apple-Organizer "Newton" das Synonym für PDAs, während Microsofts erste Gehversuche in diesem Marktsegment noch belächelt wurden. Mit dem Wechsel zur Microsoft-Plattform wäre Palm nur noch ein PDA-Gerätehersteller unter vielen und stünde in direkter Konkurrenz zu Branchenriesen wie Dell oder Hewlett-Packard. (hi)