SOX-Compliance ist Zeitverschwendung

23.08.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Stellen Sie sich vor, Sie blicken in zehn Jahren auf das Jahr 2005 zurück. Worin, so glauben Sie, werden Sie Ihre Arbeitszeit am sinnlosesten investiert haben? - So lautete eine der fünf Fragen, mit denen die IBM-Anwendervereinigung "Share" die registrierten Teilnehmer an ihrer diesjährigen Konferenz in Boston konfrontierte. 28 Prozent der insgesamt 444 online übermittelten Antworten stimmten überein: Dieser fragwürdige Ruhm gebührt der Anpassung der IT-Systeme an die Forderungen des Sarbanes-Oxley Act (SOX).

Der amtierende Share-President Robert Rosen zeigte sich keineswegs überrascht von diesem Ergebnis: "Sarbanes-Oxley raubt den Leuten eine Menge Zeit, und sie können nicht herausfinden, wieso sich dieser Aufwand lohnt." Wie er gehört habe, suchten einige kleinere Firmen derzeit mit ihren Risikokapitalgebern nach Mitteln und Wegen, um zu einer privaten Finanzierung zurückzukehren, weil sie es sich nicht leisten könnten, den Sarbanes-Oxley-Regeln Genüge zu tun. Das sei eine Konsequenz, die der Gesetzgeber so wohl kaum beabsichtigt habe.

Als beinahe eben so große Fehlinvestition wie die SOX-Compliance betrachten die Share-Mitglieder offenbar die Installation unerprobter Technologie, die beinahe je-der Vierte (23 Prozent) als den unverschämtesten Zeitfresser bezeichnete. Erst dahinter rangieren die Anschaffung von unnötiger (19 Prozent) und der Support für überalterte (17 Prozent) Technik. Zehn Prozent der Teilnehmer an der Blitzumfrage halten es für die größte Zeitverschwendung, externen Beratern ihr Ohr zu leihen. Software-Upgrades hingegen sind in den Augen der IBM-Anwender eine sinnvolle Angelegenheit; jedenfalls fühlt sich nur ein Prozent von ihnen dadurch unnötig strapaziert.

Nach den wichtigsten Trends der nächsten fünf Jahre befragt, kürten die Share-Mitglieder einen unangefochtenen Favoriten: 31 Prozent antworteten "Sicherheit der Informationen". Auf den Plätzen folgen der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern für die IT-Abteilungen der Unternehmen (17 Prozent) sowie die Auslagerung der Anwendungsentwicklung und -pflege an externe, möglicherweise sogar geografisch weit entfernte Dienstleister (14 Prozent).

Darüber hinaus fragte Share seine Mitglieder nach der technischen Innovation, die in den vergangenen 50 Jahren den tiefsten Eindruck hinterlassen habe. Wenig überraschend lag hier das Internet vorn - gefolgt von dem PC, der /360-Mainframe-Architektur und dem World Wide Web. Bezogen auf den Hersteller IBM nannten die Befragten in erster Linie das Datenbanksystem DB2, den Transaktionsmonitor Cics sowie die Betriebssysteme MVS und z/OS.

Last, but not least wollte die Anwendervereinigung, die in diesem Monat ihren 50. Geburtstag feiert, noch wissen, welche Personen nach Ansicht ihrer Mitglieder den größten Einfluss auf das Business-Computing ausgeübt hätten. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) votierten für Microsoft-Chef Bill Gates, nur zwei Fünftel für den IBM-Gründer Thomas Watson. Augenscheinlich waren Mehrfachnennungen möglich, denn Gene Amdahl, der Chefarchitekt des /360-Systems, konnte 39 Prozent der Antworten für sich verbuchen.

Erst auf Platz sechs landete - mit 19 Prozent Nennungen - die Computerwissenschaftlerin Grace Hopper (1906 bis 1992). Share-President Rosen erklärte sie jedoch zu seiner Nummer eins. Hopper entwickelte 1952 den ersten Compiler für eine Programmiersprache. Nebenbei war sie auch sprachschöpferisch tätig: Sie gilt als diejenige, die einen Softwarefehler erstmals mit dem Begriff "Bug" (deutsch: Wanze) bezeichnete. (qua)