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Update: Novell bestätigt Freigabe von Suse Linux Professional

04.08.2005
Novells Linux-Marketing-Chef Greg Mancusi-Ungaro hat der CW erklärt, wie und warum Suse Linux Professional an eine Community geht und wie OpenSuse verbreitet werden soll.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In einem Interview mit der COMPUTERWOCHE hat Greg Mancusi-Ungaro, Marketing-Direktor für Linux und Open Source bei Novell, bestätigt, dass die weitere Entwicklung der Suse-Linux-Distribution für Privatanwender einem Open-Source-Projekt "OpenSuse" überlassen wird. Er erläuterte Details der Freigabe, die Motive seines Unternehmens und seine Strategie für die künftige Verbreitung des Produkts. Das Gespräch führte CW-Redakteur Ludger Schmitz.

CW: Überträgt Novell Suse Linux Professional an ein Open-Source-Projekt?

Mancusi-Ungaro: Ja. Die Codebasis von Suse Linux Professional ist der Kernstück eines Projekts, das wir in der nächsten Woche auf der Linuxworld Conference and Expo in San Francisco ankündigen: OpenSuse. Die Grundlage ist der Sourcecode der Version 9.3. Aber darüber hinaus veröffentlichen wir die erste Betaversion von Suse Linux Professional 10.0.

CW: Erfolgt die Freigabe unter der GPL?

Mancusi-Ungaro: Ja, ausnahmslos. Nicht dabei sind aber proprietäre Komponenten wie der Adobe Reader oder Schriften, die wir von Agfa lizenziert haben. Die können nicht unter der GPL freigegeben, aber vertrieben werden.

CW: Gehört das Installations-Tool Yast dazu?

Mancusi-Ungaro: Yast ist Teil der Freigabe. Wir spendieren es dem OpenSuse-Projekt.

CW: Was wird Novell danach unternehmen?

Mancusi-Ungaro: Zunächst richten wir eine Website OpenSuse.org ein, auf der die Zeitpläne zu finden sein werden. Auf der Linuxworld beginnt die erste Phase mit der Freigabe des Codes und der Einladung an alle Entwickler, sich an dem Projekt zu beteiligen mittels einer Datenbank und Mailing-Listen. Phase zwei: Später in diesem Jahr werden wir die Einrichtung persönlicher Entwickler-Accounts ermöglichen. Über diese wird es ab 2006 in Phase drei möglich sein, Code, Pakete und Patches aus unserem Code-Repository zu beziehen.

CW: Wird Novell darüber hinaus das Projekt unterstützen?

Mancusi-Ungaro: Unsere Entwickler werden sich daran beteiligen. Wir werden dem Projekt Infrastruktur wie Server und Kommunikations-Hardware zur Verfügung stellen, samt personeller Ressourcen für deren Betrieb. Und wir werden investieren, um OpenSuse überzeugend zu machen. Unser Ziel ist es, die Akzeptanz von Linux bei allen voranzubringen. Das geht schon damit los, dass Linux nicht unkompliziert zu bekommen ist. Die Downloads dauern einfach zu lange. Wir wollen installierbare Linux-CDs und -DVDs über Zeitschriften, Bücher und Anwendergruppen unters Volk bringen. Die Frage ist: Wie können wir einen "Lizard Blizzard" erzeugen.

CW: Was soll denn das sein?

Mancusi-Ungaro: Die Eidechse (lizard) ist das Logo von Suse Linux. Und der Blizzard heißt unser Projekt, um OpenSuse für jedermann und überall verfügbar zu machen.

CW: Ist das das Ende der Endanwender-Linux-Distribution bei Novell?

Mancusi-Ungaro: Keineswegs. Wir glauben, dass der Handel ein wichtiger Channel für die Distribution von Linux bleibt. Denn viele Linux-Interessenten wollen eine gedruckte Dokumentation und Installations-Support. Viele Linux-Distributionen sind nur geeignet für Leute mit technischem Fachwissen. Wir wollen ein Linux schaffen, das für die Anwender weltweit am besten zu installieren und zu verwenden ist. Daher bleibt es beim Vertrieb der Pakete mit CDs, DVDs und Handbüchern.

CW: Wird Novell Einfluss nehmen auf die technischen Entwicklungsrichtungen des Projekts?

Mancusi-Ungaro: Die Arbeit an Suse Linux bestand immer darin, die neuesten und besten Open-Source-Entwicklungen zu einer Distribution zusammenzutragen. Daran wird sich wohl kaum was ändern. Ich erwarte allerdings eine höhere Beteiligung unabhängiger Entwickler als zuvor. Gegenwärtig sind die Maintainer von Suse Linux allesamt Novell-Mitarbeiter, und daran wird sich für einige Zeit wohl auch nicht viel ändern, bis im OpenSuse-Projekt andere Entwickler genügend Erfahrung gesammelt haben. Wir werden dem Projekt nicht unseren Stempel aufdrücken. Es waren immer schon die Kunden, die großen Einfluss darauf hatten, was wir entwickeln. OpenSuse gibt den Anwendern sogar noch mehr Möglichkeit als zuvor, die Entwicklungslinien aktiv zu gestalten.

CW: Wird sich der jetzige sechsmontige Release-Zyklus wieder verkürzen?

Mancusi-Ungaro: Ich glaube nicht. Suse Linux Professional 10.0 soll Anfang Oktober 2005 herauskommen, ungefähr sechs Monate nach Version 9.3. Ein halbes Jahr später soll Version 10.1 kommen. Dazwischen wird es mehrere Betastufen für Entwickler geben. Aber für die normale Anwenderversion bleibt es beim Sechs-Monats-Zyklus.

CW: Warum übergibt Novell diese Distribution einem Projekt?

Mancusi-Ungaro: Das hat mehrere Gründe: Vor allen Dingen ist es eine Reaktion auf Kunden, die meinten, der beste Weg, das Produkt zu verbessern, bestehe darin, ihnen bessere und frühere Beteiligung an der Entwicklung zu geben.

CW: War nicht ein wichtiger Grund, dass die Herstellung der Distribution immer teurer wurde, während das Produkt kein sonderlich profitables Geschäft abwarf?

Mancusi-Ungaro: Nein, überhaupt nicht. Es geht uns wirklich darum, die Verwendung von Linux weltweit voranzutreiben. Ehrlich gesagt, ist es schon längst höchste Zeit, dass wir den Schritt zu OpenSuse machen.

CW: Haben Finanzanalysten Novell empfohlen, die Privatanwender-Distribution rauszuschmeißen und sich ganz auf Suse Linux Enterprise Server zu konzentrieren?

Mancusi-Ungaro: Wir reden dauernd mit Analysten. Aber wenn sie uns das empfohlen hätten, würden wir heute nicht mit OpenSuse eine Strategie verfolgen, die mehr Privatanwender auf Linux bringen soll. Wir verlassen den Privatanwendermarkt nicht.

CW: Hat kein Analyst gesagt: Macht es wie Red Hat mit Fedora?

Mancusi-Ungaro: Wir machen es anders als Red Hat. Fedora ist ein tolles Projekt. Aber wir wollen das machen, womit sich Communities schwer tun. Novell legt Wert auf die Komponenten, die Linux bei den Endanwendern zum Erfolg machen.

CW: Welche Auswirkungen wird die Freigabe auf den Suse Linux Enterprise Server haben?

Mancusi-Ungaro: Wir hoffen, dass Linux-Entwickler zum Code aller Enterprise-Linux-Produkte beitragen werden. Schon bisher stammen viele Neuerungen in diesen Produkten aus ganz anderen Projekten, beispielsweise die Virtualisierungstechnik Xen. Insbesondere Entwickler aus Unternehmen können nun nicht nur Sourcecode analysieren, sondern jetzt auch zielgerichteter im OpenSuse-Projekt darauf hinarbeiten, dass die Entwicklungen ihren Wünschen und Erfordernissen entsprechen. Durch Öffnung werden alle unsere Enterprise-Linux-Angebote besser werden.

(ls)