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Apple lässt den Tiger los

29.04.2005
Mit Mac OS X 10.4 erhalten Apple-Nutzer ab heute 18 Uhr schon vieles, was Windows-Usern mit Longhorn erst für Ende 2006 avisiert wurde.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Eigentlich ist schon seit Monaten alles gesagt über "Tiger", das neue Release 10.4 des Apple-Betriebssystems Mac OS X. Heute ab 18 Uhr beginnt weltweit der Verkauf der Pakete, auf die viele Macintosh-Besitzer schon sehnlich warten.

Gegenüber der Vorversion haben die Entwickler mehr als 200 Neuerungen in Tiger eingebaut, und der Preis von 129 Euro für die Desktop-Version scheint dieses Mal eher gerechtfertigt als bei den Vorgängern "Panther" (10.3) oder "Jaguar" (10.2). Das liegt vor allem an zwei der Neuerungen - der tief im System verankerten Desktop-Suche "Spotlight" und dem "Dashboard", über das sich mit einem Mausklick oder Tastendruck häufig benötigte Hilfsprogramme einblenden lassen.

Spotlight indexiert und durchsucht die Macintosh-Festplatte in Echtzeit.
Spotlight indexiert und durchsucht die Macintosh-Festplatte in Echtzeit.

Auf Spotlight kann man allzeit über ein kleines blaues Lupensymbol in der rechten oberen Ecke der Menüleiste zugreifen. Beim Klick darauf öffnet sich ein Eingabefeld, das schon nach Eintippen des ersten Buchstabens die ersten Ergebnisse ausrollt und diese mit zunehmender Konkretisierung immer mehr verfeinert. Da Spotlight - anders als etwa die derzeit für Windows-Rechner erhältlichen Suchhilfen wie "Google Desktop" - direkt ins Betriebssystem integriert ist, erfolgt die Aktualisierung des Index in Echtzeit.

Das Hauptfenster von Spotlight mit den Ergebnissen einer Suchabfrage.
Das Hauptfenster von Spotlight mit den Ergebnissen einer Suchabfrage.

Von der Listenansicht lässt sich dann bei Bedarf auch noch in ein Ergebnisfenster mit mehr Details und Sortiermöglichkeiten wechseln. Übrigens: Der Spotlight-Index ist nach der Installation des Systems flugs erstellt (bei einer zu drei Vierteln gefüllten 60-GB-PowerBook-Platte in weniger als einer Viertelstunde) und belegt nach Aussagen von Brian Croll, Senior Director Product Marketing, der den Tiger am Dienstag dieser Woche in München der Presse vorab nahe brachte, nur Plattenplatz im Megabyte-Bereich.

Die Integration von Spotlight in die Systeminnereien ermöglicht gleich noch ein weiteres interessantes Tiger-Feature - die "intelligenten Ordner" nämlich. Dabei handelt es sich um virtuelle Verzeichnisse, die im Prinzip das Ergebnis einer gespeicherten Suche enthalten. Zum Beispiel alle Fotos, die ich heute schon einmal geöffnet habe, alle Songs mit einer bestimmten Abtastrate oder alle Dokumente, die mir ein bestimmter Kollege in den letzten 14 Tagen per E-Mail geschickt hat. Die virtuellen Ordner enthalten nur Verweise und sind unabhängig vom physikalischen Speicherort der eigentlichen Daten.

Natürlich kann man Spotlight auch einfach benutzen, um Programme zu starten, die irgendwo tief in der Ordnerhierarchie stecken und zu denen man sich bisher mühsam durchklicken musste. Eigentlich stellt sich angesichts dessen die Frage, wozu man überhaupt noch einen Finder benötigt... Croll glaubt, das Spotlight den Umgang mit dem Computer in ähnlicher Weise revolutionieren wird, wie es Suchmaschinen beim Netz getan haben. Anfangs sei man eher planlos durchs Web gesurft, heute steuere man die gewünschten Seiten nach vorheriger Suche gezielt an.

Dashboard liegt in einer eigenen Grafikebene, die nur bei Bedarf eingeblendet wird.
Dashboard liegt in einer eigenen Grafikebene, die nur bei Bedarf eingeblendet wird.

Weit weniger revolutionär ist dagegen die Grundidee für das Dashboard. Schon in der Frühzeit der PCs gab es konzeptionell ähnliche Helfer - "Sidekick" von Borland zum Beispiel (erinnert sich noch jemand??). Aber natürlich ist das Dashboard mit seinen "Widgets" genannten Miniprogrammen schon irgendwie anders. Erstens ist es schön - absoluter Eye Candy beispielsweise die Animation beim "Wassern" neuer Widgets. "Die Leute neigen dazu, nur noch neue Widgets zu starten und sich in die Animation zu vertiefen", witzelte Croll bei seiner Demo.

Viel wichtiger ist aber, dass sich solche Widgets ohne großartige Programmierkenntnisse erstellen lassen. Sie basieren auf HTML, JavaScript und CSS (Cascading Style Sheets). "Wer eine Website bauen kann, der kann auch ein Widget schreiben", versprach Brian Croll. 14 Progrämmchen liefert Apple bereits mit - unter anderem Weltzeituhr, Kalender, Taschenrechner, Aktienticker, Wettervorhersage und ein Umrechnungs-Tool -, erwartet aber gleichzeitig, dass sich rasch eine unabhängige Community von Autoren findet, die weitere gestaltet.