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Milunovich: Sun muss entlassen und sich stärker fokussieren

06.10.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der für die US-Investment-Bank Merrill Lynch tätige einflussreiche Analyst Steven Milunovich hat am Donnerstag in Form eines offenen Briefes Sun-Chef Scott McNealy und seine Verwaltungsratskollegen aufgefordert, die Kosten zu senken und sich auf Kernkompetenzen zu fokussieren. Sun solle sich stärker auf die Intel-Plattform konzentrieren und seine proprietäre Sparc-Architektur zurückschrauben sowie Java auslagern. "Java ist ein technischer Erfolg, eine so-la-la-Marke und ein finanzielles Versagen", so Milunovich.

Sun habe einen "Krisenpunkt" erreicht, schreibt Milunovich, und werde "bei seinem gegenwärtigen Kurs wahrscheinlich weitere Kurs- und finanzielle Verluste erleiden, für die meisten Anwender irrelevant und später auf Grund seiner installierten Basis aufgekauft werden". Um diesem Schicksal zu entgehen, rät der Analyst, Sun solle eine Rolle als "erfolgreicher Nischenanbieter im Bereich Mission Critical Computing" akzeptieren. Außerdem gelte es für das Unternehmen, schnellstmöglich wieder profitabel zu werden.

Suns Break-even-Umsatzgrenze liegt derzeit bei rund drei Milliarden Dollar. Milunovich empfiehlt deswegen, Sun solle zwischen 5000 und 7000 Arbeitsplätze abbauen und so das Ergebnis pro Aktie um zehn bis 15 Prozent steigern. Außerdem sei eine stärkere Fokussierung nötig, befindet der Merrill-Mann: "Wir haben den Eindruck, dass bei Sun derzeit wenig Prioritäten gesetzt werden […] Sun ist zwar ein Innovator, aber selbst IBM wurde bei Research and Development selektiv, als die rote Tinte zu fließen begann." Sun solle sich auf "Core Computing Systems" wie Solaris, Orion/Java Enterprise System oder die Management-Plattform N1 sowie Blade-Server konzentieren, nicht aber versuchen, Microsoft mit Mad Hatter/Java Desktop System Konkurrenz zu machen.

Auch in Sachen Unternehmenskultur hat Milunovich einige Ratschläge parat. Es seit Zeit, dass Sun einen Chief Operating Officer zur Überwachungs des Tagesgeschäfts installiere. Und Scott McNealy solle seine Haltung ändern. "Scotts freche und widersprüchliche Persönlichkeit war einst Synonym für Image und Erfolg der Firma. Leider wird die Nummer langsam alt." McNealy solle mehr Respekt für den Wettbewerb zeigen und dafür sorgen, dass seine Firma ein besserer Geschäftspartner werde, empfiehlt der Analyst.

Sun-Sprecher Michael Hakkert erwiderte, Sun habe "eine Reihe von Dingen unternommen, um in die Gewinnzone zurückzukehren". Sun sei sehr wohl fokussiert, und zwar auf die Erfüllung der Kundennachfrage. Beispielsweise sei man in verschiedene neue Märkte eingestiegen, vor allem bei kostengünstigeren Produkten, wie sie auch Milunovich empfohlen habe. Hakkert erklärte weiter, Sun stehe weiterhin hinter Linux und offeriere hier inzwischen Intel-basierende Server, die preislich "extrem wettbewerbsfähig" seien. Eine größere Restrukturierung mit Entlassungen stehe derzeit nicht auf der Agenda, sei aber auch nicht ausgeschlossen.

Milunovich hält übrigens selbst keine Sun-Aktien. Merrill Lynch ist allerdings mit einem Prozent an dem Hersteller aus dem kalifornischen Palo Alto beteiligt und hat auch Investment-Banking im Auftrag erledigt. (tc)