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SCO bittet zur Kasse

22.07.2003
Sein frisch verbrieftes Unix-Copyright will SCO bei Firmen zu Geld machen, die Linux ab Kernel 2.4 verwenden. CEO Darl McBride hofft auf Milliardeneinnahmen durch spezielle Unixware-Lizenzen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Bereits gestern berichteten wird über Pläne der SCO Group, ihre vermeintlichen Urheberrechte an Unix bei Linux-Unternehmensanwendern (Privatnutzer bleiben einstweilen außen vor) zu Geld zu machen. Inzwischen sind weitere Details bekannt: SCO hat sich sein Recht an Unix System V vom US Copyright Office verbriefen lassen - dies war für den Drei-Milliarden-Dollar-Prozess gegen IBM nötig - und will spezielle "Unixware-7.1.3"-Lizenzen anbieten, die Anwendern den legalen Runtime- und Binärbetrieb von Linux ab Kernel 2.4 gestatten. "Angefangen hat dies als Vertragsklage gegen IBM. Ab heute ist das ein anderes Spiel", drohte SCO-CEO (Chief Executive Officer) Darl McBride.

"Seit dem Jahr 2001 haben kommerzielle Linux-Kunden Software gekauft und erhalten, die widerrechtlich angeeignete Unix-Software enthält, die SCO gehört", ergänzte Senior Vice President SCOsource Chris Sontag. "Auch wenn die Nutzung unerlaubt kopierter Software gegen das Urheberrecht verstößt, möchten wir Linux-Kunden zunächst eine Option bieten, die ihre Infrastruktur nicht zerstört. Wir möchten ihnen die Wahl lassen, Linux legal und voll bezahlt zu verwenden." Kommerzielle Anwender will SCO bereits ab dieser Woche kontaktieren und über sein Vorhaben ins Bild setzen.

Alternativ könnten Firmen, die Linux verwenden, auch auf die ältere Version 2.2 des Open-Source-Betriebssystems zurückgehen, erklärte McBride (wohl wissend, dass viele speziell für Unternehmen interessante Features erst mit dem Kernel 2.4 eingeführt wurden). Ansonsten sollen sie an seine Firma eine Lizenzgebühr entrichten, die zwar noch nicht genau bekannt ist, sich aber an der von Unixware orientieren soll - das, zur Orientierung, kostet von 700 Dollar für einen Uniprozessor-Server bis zu über 10.000 Dollar für leistungsfähigere Systeme.

"Selbst wenn man eine Durchschnittssumme ansetzt, kommt man schnell auf ein paar Milliarden Dollar", sagte McBride. SCOs Aktienkurs profitierte gestern von diesen Anmerkungen und schloss an der Nasdaq zum Fixing fast zwölf Prozent fester bei 13,32 Dollar.

Es ist aber weiterhin unklar, ob SCO seine Behauptungen überhaupt belegen kann. Die IBM-Sprecherin Trink Guarino erklärte beispielsweise, SCO habe ihrer Firma noch keinen AIX-Sourcecode präsentiert, der seine Copyrights verletze. "Es scheint, als fordere SCO Kunden auf, auf Basis von Behauptungen und nicht Fakten für eine Lizenz zu zahlen", so die IBM-Frau. Leigh Day, Sprecherin des bis dato von SCO nie erwähnten amerikanischen Linux-Distributors Red Hat, ergänzte: "Wir sind vollkommen überzeugt, dass was wir unseren Kunden anbieten nicht gegen irgendwelches gültiges Urheberrecht verstößt."

Auf einen weiteren Aspekt verweist der Open-Source-Verfechter Bruce Perens: "Sie verkaufen eine Katze im Sack. Ich glaube, sie haben durch übersteigertes Selbstvertrauen einen Fehler gemacht, und dieser Fehler macht sie haftbar für jede Person und Firma, die Code zum Kernel beigesteuert hat." SCOs geplantes Lizenzprogramm verstoße nämlich gegen die GNU General Public License (GPL), unter der Linux veröffentlicht wird, weil es Linux-Anwender darin beschränke, den Code zu modifizieren und wieder zu verteilen.

"Wir gestatten nicht, dass unser Code unter der SCO-Lizenz genutzt wird, das sagt die GPL ganz klar", so Perens. SCO erwiderte, seine Lizenz - die erst noch veröffentlicht werden muss - werde sich nicht mit der GPL beißen. Die Open-Source-Gemeinde hält SCOs Ansinnen aber auch über die GPL hinaus für abwegig. "Man braucht keine Copyright-Lizenz von irgendjemandem, um irgendein Programm zu nutzen", meint etwa Eben Moglen, Generaljustiziar der Free Software Foundation (FSF). "Da könnte man auch behaupten, man bräuchte zum Lesen einer Zeitung eine Copyright-Lizenz. Falls es in der New York Times irgendwo plagiiertes Material gibt, heißt das nicht, dass die Leute, die sich die Zeitung kaufen, dafür haften."

Gartner-Analyst George Weiss befürchtet jedenfalls, dass falls es SCO gelingt, Anwender für die Linux-Nutzung zur Kasse zu bitten, dies eine Art "Strafzoll" für das quelloffene System bedeuten würde, die dessen oftmals günstigere Total Cost of Ownership (TCO) zunichte machten. "SCO macht wirklich Druck. Die Anwender werden nervös und wissen nicht, was sie tun sollen." SCO argumentiert unter anderem, dass sein geschützter Code sich vor allem in dem mit Kernel 2.4 eingeführten SMP-Fähigkeiten (Symmetrical Multiprocessing) niederschlägt. Falls das stimme, seien viele aktuelle Nutzer gar nicht betroffen, so Weiss, die Linux vornehmlich im Infrastrukturbereich einsetzten. "SMP könnte sich eher auf die Zukunft auswirken", meint der Experte, und die Verbreitung von Linux für anspruchsvollere Aufgaben hemmen. "Das könnte viele geplante Anschaffungen auf Eis legen."

"Ich halte das für einen Versuch, Angst, Unsicherheit und Zweifel auszunutzen, um Umsatz und Position zu verbessern", meint sein Kollege Dan Kusnetzky von der IDC. "Ich glaube kaum, dass sich SCO damit bei der Open-Source-Community, der Linux-Gemeinde oder der Unix-Anwenderschaft lieb Kind macht - aber das scheint ihnen auch vollkommen egal zu sein." Auch Anupam Chander, Gastprofessor an der Cornell Law School und Dozent für Rechtswissenschaften an der University of California in Davies hält SCOs Manöver für durchsichtig: "Manche Leute haben Angst und zahlen alles, was verlangt wird." Chander empfiehlt Anwendern, keine Lizenzgebühren an SCO zu zahlen und sich stattdessen im Prozess auf die Seiten von IBM zu schlagen. (tc)