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Macworld Expo: Visionen und Modellpflege

18.07.2002
Steve Jobs' Keynote zur Macworld Expo brachte allerhand Neuigkeiten - allerdings nicht unbedingt die, auf die das Publikum gewartet hatte. Unter anderem den "iPod" für Windows...

New York (COMPUTERWOCHE) - "Das wird eine längere Rede heute" - mit dieser Ansage eröffnete Apple-Chef Steve Jobs gestern seine dann tatsächlich genau zweistündige Keynote-Ansprache zur Sommer-Macworld-Expo im New Yorker Jacob Javits Convention Center. In der Tat präsentierte der Firmengründer anschließend eine Vielzahl von Neuheiten (vornehmlich im Bereich Software), die sich auf den zweiten Blick wie die Teile eines Puzzles zu einer Vision der Zukunft des PC zusammenfügen.

Anfänglich ging Jobs zunächst kurz auf die Applestore-Ladenkette ein. Als mittlerweile 32. Geschäft eröffnet heute ein neuer Flagship Store in einem ehemaligen Postamt im New Yorker Stadtteil SoHo. Eine internationale Expansion des in den USA offiziell sehr erfolgreichen Konzepts ist offenbar vorerst auch weiterhin nicht geplant; auch Details zum finanziellen Abschneiden des Retail-Business blieb Jobs schuldig.

Jaguar: Die Mac-OS Version 10.2 kündigte Apple-Chef Steve Jobs für den 24. August an.
Jaguar: Die Mac-OS Version 10.2 kündigte Apple-Chef Steve Jobs für den 24. August an.

Danach stand erst einmal Mac OS X im Mittelpunkt. Bezug nehmend auf die jüngste Kritik etwa von Microsoft (Computerwoche online berichtete) erklärte Jobs, Apple gehe davon aus, dass sich die Zahl der Nutzer seines neuen Unix-basierten Betriebssystems im Laufe der kommenden sechs Monate von gegenwärtig 2,5 auf dann fünf Millionen verdoppeln werde. Das entspräche dann immerhin 20 Prozent der gesamten Anwendergemeinde. Die Unterstützung für OS X nehme stetig zu, so Jobs - Alias Wavefront etwa zeige "Maya 4.5" auf der Messe als "Mac first", und Blizzard habe "Warcraft III" vor zwei Wochen zeitgleich für Windows und Mac auf den Markt gebracht. Danach holte der Apple-Chef seinen CEO-Kollegen (Chief Executive Officer) Rob Glaser von Real Networks auf die Bühne. Dieser zeigte endlich die erste öffentliche Beta des "Real One Player"

für Mac OS X mit eindrucksvoller Videoqualität (bislang mussten OS-X-Nutzer auf Real Video verzichten).

Jaguar kommt am 24. August

Mit OS X sei Apple inzwischen zum größten Unix-Anbieter geworden, erklärte Steve Jobs. Die neue Version 10.2 alias "Jaguar" kündigte er für den 24. August an. Sie wird 129 Dollar/161,24 Euro kosten (wer ab jetzt einen neuen Mac ordert, erhält ein Update für knapp 20 Dollar/29 Euro). Jaguar enthält gegenüber der aktuellen Version 10.1 eine Vielzahl von Verbesserungen und Neuerungen, über die wir bereits an anderer Stelle berichteten. Zusammen mit seinem langjährigen Bühnenpartner Phil Schiller, Vice President Worldwide Product Marketing, ging Jobs die wichtigsten nochmals der Reihe nach durch.

Das Duo demonstrierte oder erwähnte unter anderem den neuen Finder (mit automatisch aufspringenden Ordnern, Multithreading und integrierter Suchfunktion), Verbesserungen beim Zugang für Behinderte, Quicktime 6 (seit Montag bereits separat erhältlich) mit MPEG-4-Video und Dolby-AAC-Audio, das komplett umgeschriebene Suchprogramm "Sherlock 3" (mit leider rein US-bezogenen "Web-Services for the rest of us") und die vom früheren "Newton"-Handheld entlehnte Handschrifterkennung "Inkwell".

Relativ viel Zeit verbrachten Jobs und Schiller mit der Präsentation der neuen Netztechnik "Rendezvous", an deren Entwicklung Apple im Rahmen der IETF (Internet Engineering Task Force) mitarbeitet. Vom Konzept her erinnert sie stark an Suns "Jini" - Geräte sollen sich in IP-Netzen automatisch miteinander bekannt machen. Gezeigt wurde dies unter anderem anhand von "iTunes"-Musikaustausch über "Airport"-Netze. Jobs kündigte ferner an, dass HP, Epson und Lexmark ihre netzfähigen Drucker mit Rendezvous ausrüsten und damit die Einrichtung von Druckern erheblich vereinfachen würden - anschaulich gezeigt wurde das Ganze auch gleich, und zwar mit einem "LaserJet-2200"-Prototypen.

Das mit OS X ausgelieferte E-Mail-Programm "Mail" erhält in der Jaguar-Ausführung unter anderem einen neuartigen Junk-Mail-Filter. Dieser markiert Spam mittels semantischer Analyse und übernimmt das Ausfiltern unerwünschter Botschaften nach einer Trainingsphase automatisch. Das bislang eher mickrige Adressbuch von Mac OS X steht künftig als systemweite Datenbank für Personendaten über ein spezielles API allen Anwendungen zur Verfügung. Als neue Anwendung enthält Jaguar den Instant-Messaging-Client "iChat", der kompatibel zum populären "AIM" (AOL Instant Messenger) ist und sich Apple-typisch einfach bedienen lässt - beispielsweise kann man eine Datei durch Drag and Drop ins Chat-Fenster an seinen virtuellen Gesprächspartner senden.

iTools wird ".Mac" und kostenpflichtig

Unter dem Namen "iTools" bietet Apple seiner Kundschaft seit einiger Zeit verschiedene Web-basierte Dienst kostenlos an - vor allem E-Mail, "iDisk"-Web-Speicherplatz sowie Homepage und Fotoalben im Netz. Angesichts des nach dem Platzen der Dotocom-Blase veränderten Marktes sieht sich der Hersteller nun aber gezwungen, diese Services künftig nur noch gegen Gebühr anzubieten.

Ein Abo kostet 99 Dollar pro Jahr, dafür soll das Angebot sukzessive auch luxuriöser und leistungsfähiger werden. Vollzogen wird die Kommerzialisierung Ende September - dann sollen die iTools in ihrer bisherigen Form verschwinden. Gleichzeitig tauft Apple sein Angebot - in Anlehnung an Microsofts ".Net" - um in ".Mac".

Die Messehalle in New York. Apple geht davon aus, dass sich die Zahl der OS-X-Nutzer im Laufe der kommenden sechs Monate auf  fünf Millionen verdoppelt.
Die Messehalle in New York. Apple geht davon aus, dass sich die Zahl der OS-X-Nutzer im Laufe der kommenden sechs Monate auf  fünf Millionen verdoppelt.

Neue Software für das Digital Hub

Anschließend widmete sich Steve Jobs alten und neuen Anwendungen für den Macintosh-PC in seiner Rolle als "Digital Hub", die Schaltstelle des digitalen Alltags. Gleich die erste Neuerung ist "iCal", mit dem Mac-Anwender mehrere Kalender verwalten und auch im Internet publizieren können. Auch Termine Dritter, zum Beispiel der Spielplan des Lieblingsvereins, lassen sich abonnieren und mit den privaten, beruflichen etc. unter einen Hut bringen. Die Software soll im September als kostenloser Download erscheinen.

Die Musiksoftware "iTunes" gibt es ab sofort und wie gewohnt kostenlos in der neuen Version 3 (OS X only). Deren wohl interessanteste Neuerung sind so genannte Smart Playlists, die regelbasiert automatisch erzeugt werden. Ein Nutzer kann sich beispielsweise seine 25 meistgehörten Lieder von Bob Dylan, die er mit wenigstens drei von fünf Sternen bewertet hat, als Playlist ausgeben lassen (die Kategorien Abspielhäufigkeit und Bewertung wurden dazu neu aufgenommen). Die Einstellung "Sound Check" normalisiert bei der Wiedergabe die Lautstärke aller Titel auf ein einheitliches Niveau.

Augenscheinlich am meisten stolz war Steve Jobs aber auf ein zunächst recht unscheinbares Programm mit Namen "iSync". Dieses überträgt getreu dem Motto "Mac to mobile" Daten vom Macintosh des Anwenders auf mobile Endgeräte wie Palm, iPod oder Handy. Dabei setzt Apple vor allem auf offene Standards wie SyncML und Bluetooth. Besonderes Lob gab es an dieser Stelle für Sony Ericsson und Cingular Wireless, deren beide Chefs für kurze Grußadressen und (Eigen-)Lobhudeleien auf die Bühne gebeten wurden. Neben mobilen Endgeräten soll iSync, das ebenfalls im September als kostenloser Download erscheint, auch den Abgleich von Daten zwischen Macs am Arbeitsplatz und daheim ermöglichen.

Hardware: Modellpflege für iPod und iMac

Weniger Interessantes konnte Jobs an der Hardwarefront ankündigen. Der MP3-Player "iPod", bislang mit 5 und 10 GB Kapazität zu haben, wird billiger (399/499 Euro, mithin 25/28 Prozent günstiger als bisher) und durch ein neues Topmodell mit 20-GB-Platte für 649 Euro ergänzt. Die Ausführungen mit 10 und 20 GB sind zudem drei Millimeter dünner als bisher (2,1 statt 2,4 Zentimeter) und verwenden ein neues Scroll-Rad, das keine beweglichen Teile mehr besitzt. Außerdem erhalten sie auf vielfachen Wunsch eine Fernbedienung sowie eine Schutzhülle (beide sind für 39 Dollar/47,56 Euro auch separat erhältlich). Das iPod-Betriebssystem erhält eine neue Menüstruktur sowie weitere PDA-Funktionen - neben Adressen kann der Anwender künftig beispielsweise auch Termine auf das Gerät übertragen (aus iCal

mittels iSync, versteht sich).

Die neuen Modelle kommen laut Jobs Anfang August auf den Markt. Es wird sie übrigens auch in einer Version für Windows geben - allerdings nicht wie zuvor spekuliert mit einer PC-Version von iTunes, sondern stattdessen der Jukebox-Software von Musicmatch. Ein passendes Firewire-Kabel (6- auf 4-polig) liegt bei.

Beim neuen G4-iMac mit Flachbildschirm kündigte Jobs last, but not least zum Preis von 2550,84 Euro eine neue Konfiguration mit einem größeren 17-Zoll-Display an - das von Anwendern bei dem im vergangenen Januar vorgestellten Gerät am meisten nachgefragte Feature. Dieses bietet 1440 x 900 Bildpunkte (15 Zoll: 1024 x 768) und wird von einem "Gforce 4mx" von Nvidia angesteuert. Außerdem besitzt das neue Gerät eine 80 GB große Festplatte. Ansonsten entspricht die Technik mit 800 Megahertz CPU-Takt und "Superdrive"-Laufwerk (DVD-RW/CD-RW) dem Stand des bisherigen Topmodells, dessen Preis auf 2318,84 Euro gesenkt wurde. Auch die beiden Versionen mit 700 Megahertz und DVD/CD-RW-Combodrive respektive CD-RW werden billiger, sie kosten künftig 2086,84 beziehungsweise 1854,84 Euro. Der Röhren-iMac mit 600 Megahertz fällt mit

999 Euro unter die 1000-Euro-Schallgrenze (Preis zuvor: 1390,84 Euro).

Alles in allem hinterließ Jobs' vollgepackte Keynote einen durchwachsenen Eindruck - vor allem im Hardwarebereich hatten sich viele mehr erwartet. Die allesamt gebundelt oder kostenlos verfügbaren Anwendungen von Apple fügen sich aber mehr und mehr zu einem sinnvollen Ganzen zusammen, das in der Windows-Welt seinesgleichen sucht. Jobs zeigte sich denn auch zum Schluss seines Auftritts zuversichtlich, dass Apple aus der allgegenwärtigen Branchenkrise gestärkt hervorgehen kann. "This is gonna grow", lautet das optimistische Fazit des Apple-Vordenkers. (tc)