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Mit Inhalten in die WLAN-Zukunft

20.06.2002
Die WLAN-Welle rollt: In vielen Hotels und Flughäfen ist der Internet-Anschluss per Datenfunk bereits selbstverständlich. Medienhäuser und Content-Provider wittern das große Geschäft.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Während UMTS auf sich warten lässt, rollt die Wireless-LAN-Welle: In vielen Hotels und Flughäfen ist der Internet-Anschluss per Datenfunk bereits selbstverständlich. Da mit dem Zugang zum mobilen Netz kaum Geschäft zu machen ist, erhoffen sich Medienhäuser und Content-Provider eine neue Plattform für digitale Inhalte und Anwendungen.

Foto: Fujitsu-Siemens
Foto: Fujitsu-Siemens

Wireless LAN (WLAN), die Funknetztechnik nach dem 802.11b-Standard, kommt allmählich in Fahrt. In Deutschland bieten immer mehr öffentliche und private Einrichtungen ihren Besuchern den Internet-Anschluss ohne Kabel an, in den USA hat die Café-Filialkette Starbucks bereits im letzten Jahr Hunderte Niederlasungen mit WLANs ausgerüstet. Die beliebten Nachbarschafts-Hotspots, bei denen sich mehrere User einen DSL-Anschluss teilen, finden ihre kommerzielle Weiterentwickung in Franchise-ISP-Services, etwa von Joltage.

WLAN-Roaming bedroht UMTS

Private wie geschäftliche Betreiber können dabei in einen Verbund eintreten, der den Nutzern landesweites Roaming ermöglicht. Gartner rechnet damit, dass bis 2006 etwa 19 Millionen Amerikaner über Hotspots breitbandig ins Internet gehen werden. Noch weiter sind unsere österreichischen Nachbarn: Nach Angaben des Betreibers Metronet hat Österreich mittlerweile die höchste WLAN-Dichte der Welt.

Den Mobilfunkunternehmen kommt diese neue Technik ungelegen: Nachdem in Europa etwa 100 Milliarden Euro für die UMTS-Lizenzen ausgegeben wurden, sehen die Carrier angesichts der breitbandigeren WLAN-Alternative ihr Geschäftsmodell in Gefahr. Denn während für UMTS weder die technische Infrastruktur noch geeignete Endgeräte vorhanden sind, liefern immer mehr Hardwarehersteller Notebooks und Handhelds mit integriertem Funknetzmodul. Offenbar wollen sich auch die Telcos nicht mehr auf UMTS alleine verlassen - in den USA steigen einige bereits in das WLAN-Geschäft ein. So ist beispielsweise die Telekom-Tochter Voicestream nun nach einer Firmenübernahme Betreiber der Starbucks-Funknetze.

Trotz der Aufbruchsstimmung herrscht noch einige Unsicherheit darüber, wie tragfähig Geschäftsmodelle auf Basis von WLAN sind. Ähnlich wie in der ersten Phase des Web-Booms versuchen sich derzeit viele Provider in den USA und in Europa als reine Zugangsanbieter. Metronet etwa berechnet seinen Kunden eine monatliche Gebühr sowie zusätzliche Kosten für Datentransfer. Dafür können Mitglieder per Roaming landesweit in jedem Hotspot surfen. In den USA sind allerdings bereits einige Anbieter mit diesem Modell gescheitert.

Bei Roomlinx etwa, einem auf Hotels spezialisierten Provider, geht man inzwischen davon aus, dass nur kostenlose WLAN-Angebote genügend Akzeptanz finden werden. Anfänglich sah das Geschäftsmodell von Roomlinx eine Gebühr für Hotelgäste vor - mit bescheidenem Erfolg. Nun hat man sich völlig umorientiert: Hotels können die WLAN-Infrastruktur leasen und ihren Kunden kostenlosen Internet-Zugang anbieten. Roomlinx-Kunden wie das Sheraton Wall Center verzeichneten danach niedrigere Technikkosten und höhere Umsätze mit Geschäftskunden, weil das Hotel als Arbeits- und Konferenzort stärker genutzt wird.

Im reinen Provider-Geschäft sieht Mario Grobholz vom Münchner Content-Logistik-Unternehmen Mediaprofessionals jedoch nicht die Zukunft. Die Kosten für den WLAN-Internet-Zugang per PDA oder Laptop würden wegen des Preisverfalls schon bald gegen null gehen. Anbieter müssten bestrebt sein, Mehrwertdienste in Form von Inhalten und Applikationen zu entwickeln. Als Content-Vermarktungs-Plattform sind Surfer, die per WLAN ins Netz gehen, ideal: Sie müssen sich beim jeweiligen Hotspot anmelden und sind somit klar identifizierbar. Für das Online-Marketing ergeben sich damit neuartige Möglichkeiten, die eine Finanzierung von Inhalten und Anwendungen erleichtern.

Lokale Portale

Zudem bieten Hotspots, wie sie in Hotels, Restaurants, öffentlichen Plätzen oder bei Tagungen eingerichtet sind, per se ortsbezogene Dienste - neudeutsch: Location Based Services (LBS). Ob in einem Starbucks-Café oder bei einem Kongress - der WLAN-Anbieter kann stets Dienste anbieten, die für den Anwender vor Ort nützlich sind. Die Aufmerksamkeit erreicht Werte, von denen Websites nur träumen können, weil der Weg zu Anwendungen und ins Internet zwangsläufig über das Portal des Betreibers führt. Das Internet ändert damit ganz nebenbei auch seinen grundsätzlichen Charakter: Vom globalen Netz wird es nun zum regionalen, lokalen und individuellen Informationsmedium.

Portale für WLAN-Surfer sind nicht nur für lokale Anbieter von Bedeutung, auch Verlage und Medienunternehmen können von solchen Architekturen profitieren. Will etwa eine Hotelkette ihr Portal attraktiv gestalten, wird sie kundenrelevante Inhalte zukaufen und diese in angepassten Frontends präsentieren müssen. Viele Verlage haben kaum noch ein Problem damit, Endgeräte-unabhängige Inhalte zu liefern, da sie mittlerweile die meisten Daten in Content-Management-Systemen medienneutral speichern. Um in mobilen Portalen zur Verfügung zu stehen, müssen die gewünschten Inhalte nur noch mit Hilfe eines Dienstleisters aggregiert werden.

Kostenloses Multimedia am Flughafen

Ein anschauliches Beispiel eines mobilen Content-Szenarios findet sich im Airport Club Frankfurt. Das Projekt hat Mediaprofessionals gemeinsam mit Technologie- und Medienpartnern realisiert. Fluggäste mit Premium-Status können im WLAN eine Reihe von teils kostenlosen, teils gebührenpflichtigen Inhalten nutzen, die in maßgeschneiderten Portalvarianten jeweils für Notebooks oder Pocket PCs bereitstehen. Zu den Gratisservices zählen unter anderem ein Live-Videostream des Nachrichtensenders N24, ein Radiosender, die Inhalte der "Süddeutschen Zeitung", Bücher, Spiele oder Filmtrailer. Ergänzt werden diese Offerten durch kostenpflichtige Inhalte, die von zwei Euro für aktuelle Nachrichten bis zu acht Euro für den Film "Time Machine" als Video on Demand kosten. Für die derzeitige Anfangsphase des Mobile-Geschäfts empfiehlt Grobholz den weitgehenden Verzicht auf Zusatzgebühren, um eine möglichst hohe Akzeptanz von Hotspots zu erreichen.

Anbieter wie Fluggesellschaften könnten die Kosten dabei über Meilenprogramme abrechnen.

Noch sind die Nutzerzahlen im WLAN-Bereich niedrig. Deshalb sind die Dienstleister zurzeit dabei, das Nutzerverhalten möglichst detailliert auszuwerten, um die Inhalte besser an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Die Anbieter befinden sich noch in der Lernphase, und niemand weiß nach dem Platzen der Dotcom-Blase, ob sich das große Geschäft jemals einstellen wird.

Hauptsache mobil, scheint derzeit das Motto in der Medienbranche zu sein. Den Inhalte- und Lösungsanbietern ist es letztendlich egal, ob Anwender über WLAN, i-mode, UMTS oder ein anderes Medium drahtlos ins Netz gehen. E-Plus etwa hat für seinen Mobilfunkdienst i-mode mittlerweile 100 Partner im Boot, vom ADAC bis zum Playboy. Der geschäftliche Erfolg alleine dürfte diese Wettbewerbsdichte kaum erklären - bis dato hat die in Japan so erfolgreiche Mobilfunktechnik keine 40.000 Kunden in Deutschland angezogen.

Stefan Hiene, Geschäftsführer von Ocean Seven, glaubt trotzdem an das große Geschäft mit dem mobilen Content und entsprechenden Anwendungen. Er sieht individuelle Nutzersituationen als entscheidend bei der Erstellung neuer mobiler Dienste. Ocean Seven hat gemeinsam mit HP-Compaq und Spielplatz.cc, einem Komplettanbieter für mobile Marketing-Lösungen, ein Szenario für die Fußballweltmeisterschaft 2006 entwickelt. Zuschauer können darin in mit WLAN ausgestatteten Stadien eine Reihe von Dienstleistungen nutzen. Angefangen bei einem digitalen Ticket, sind "Instant Win" und "Instant Vote" denkbare Anwendungen.

Gewinnspiele im Stadion

Instant Vote würde dem Fan die Teilnahme an Abstimmungen wie etwa zu Schiedsrichterentscheidungen ermöglichen, Aufforderungen und Informationen würden via Videoleinwand ausgestrahlt. Instant Win sieht in diesem Rahmen Gewinnspiele in Echtzeit vor. Die Umsetzbarkeit solcher Anwendungen mit den neuen Techniken ist kein Problem, allerdings gilt auch hier, dass sich erst noch zeigen muss, ob derartige Dienste auf Interesse stoßen.

Mit Blick auf die geschäftlichen Möglichkeiten sieht Hiene situationsabhängige Anwendungen im Rahmen von Events - auch Peer-to-Peer - als vielversprechendste Option. "Medienunternehmen haben bisher diese Aspekte übersehen", so Hiene. "Anstatt die sich abzeichnenden Anwendungsszenarien der Zukunft zu berücksichtigen, konzentrieren sie sich nach wie vor darauf, lediglich ihre Inhalte in die neuen Kanäle zu bringen."

Auch Armin Nusser, Geschäftsführer von Wundermedia, sieht in Event-bezogenen Szenarien interessante geschäftliche Möglichkeiten. Das Unternehmen liefert unter anderem veranstaltungsbezogene lokale Inhalte für Vodafone und entwickelt wie viele andere in der Branche fleißig Szenarien, die den Anwendern von heute die mobile Zukunft schmackhaft machen sollen. Nusser kann sich beispielsweise vorstellen, die Wertschöpfungskette von Popkonzerten zu verlängern, indem sie über Hotspots live übertragen und für Merchandising-Aktionen genutzt werden.

So vielfältig wie die Visionen zum mobilen Content sind auch die Hindernisse, die noch zu beseitigen sind. Neben einer flächendeckenden breitbandigen Übertragungstechnik müssen auch Endgeräte in ausreichender Zahl vorhanden sein. Kein Wunder also, dass sich Inhalteanbieter und Dienstleister derzeit alle Türen offen halten wollen und ihre Strategien so unverbindlich wie möglich definieren. Dennoch glaubt Klaus Eck von der Content-Beratungsagentur Econcon, dass WLAN in der Industrie - meist unausgesprochen - eine deutlich größere Zustimmung findet.

Neben der preiswerten Hardware trägt auch die derzeitige Branchenkrise dazu bei, dass klassische IT-Hersteller den mobilen Kommunikationssektor zunehmend als Chance wahrnehmen und fleißig an einer drahtlos vernetzten Zukunft ohne UMTS basteln. (wmi)

Verzeichnisse der öffentlichen Wireless-LAN-Zugänge in Deutschland und Österreich:

mobileaccess.de/wlan www.metronet.at/locations