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Handfester Skandal um kalifornischen Oracle-Vertrag

06.05.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zu einem mittlerweile handfesten Skandal hat sich ein Vertrag des Datenbankanbieters Oracle mit dem US-Bundesstaat Kalifornien entwickelt. Gouverneur Gray Davis verhandelt derzeit mit dem Unternehmen um eine Aufhebung des Kontrakts mit einem Volumen von 95 Millionen Dollar. Dieser war im Mai vergangenen Jahres ohne offizielle Ausschreibung zustande gekommen und hat bereits den Rücktritt zweier Verantwortlicher, eine Untersuchung wegen möglicher Vernichtung von Unterlagen sowie Zweifel an einer erneuten Kandidatur Davis' bei den nächsten Wahlen im kommenden November nach sich gezogen.

Strittig sind neben Kosten und tatsächlichem Bedarf für die Software auch der Zeitpunkt einer 25.000-Dollar-Spende an Gouverneur Davis. Eine Buchprüfung im vergangenen Monat hatte das Ganze ins Rollen gebracht. Unter anderem tauchte die Frage auf, ob der Staat die Software überhaupt benötige und wie viele Beschäftigte sie nutzen würden (bis März dieses Jahres niemand). Der Vertrag sollte dem Staat durch Großeinkauf eigentlich erheblich Kosten sparen. Der Audit ergab stattdessen, dass Kalifornien unter Umständen gut 40 Millionen Dollar mehr zahlen müsse als ohne den Abschluss.

In einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag hielt Oracle an seiner bisherigen Behauptung fest, der Deal werde Kalifornien bei einer Verlängerung auf zehn Jahr zwischen 110 und 163 Millionen Dollar sparen. Ken Glueck, Vice President Government Affairs, erklärte, der Vertag sei "ein fabelhaftes Angebot für den Staat". Glueck bemühte sich ferner darum, eine Spende des Konzerns herunterzuspielen. Arun Baheti, unter Gouverneur Davis unter anderem zuständig für IT-Beschaffung, war in der vergangenen Woche als Director E-Government zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass er kurz nach Abschluss des umstrittenen Vertrags von einem Oracle-Lobbyisten einen Scheck über 25.000 Dollar entgegen genommen hatte.

Glueck erklärte, er habe diese Transaktion nach einem Fundraising-Abendessen im April letzten Jahres und damit deutlich vor den Vertragsverhandlungen - von denen er nichts gewusst habe - autorisiert. Es handele sich um eine saubere Spende, denn Oracle habe seinen Sitz in Kalifornien und beschäftige dort tausende von Mitarbeitern. Er musste aber einräumen, es sei eine "schlechte Entscheidung" gewesen, den Scheck direkt an Baheti zu überreichen. Im Zuge der Nachforschungen hatte die Davis-Regierung in der vergangenen Woche Ermittlungsbeamte ins Ministerium für Informationstechnik entsandt, um dort angeblicher Vernichtung von Dokumenten nachzuspüren und Unterlagen zu beschlagnahmen.

Oracle hat bereits eine Stornierung des Vertrages angeboten, räumte aber gleichzeitig ein, dass Einnahmen aus dem Deal bereits teilweise verbucht worden seien. Um dies zu korrigieren, müssten die anderen an dem Abschluss beteiligten Firmen helfen. Dabei handelt es sich zum einen um den Oracle-Reseller Logicon (inzwischen Northrop Grumman Information Services), das den Deal ausgehandelt hatte und die Einnahmen mit Oracle teilen sollte. Logicon wiederum hatte noch Koch Financial zur Finanzierung herangezogen. Koch hat namens des Staates Kalifornien bereits knapp 53 Millionen Dollar an Logicon gezahlt; diese wiederum 36,5 Millionen Dollar an Oracle weitergeleitet.

Oracle-Sprecher Jim Finn bestätigte grundsätzlich den Eingang entsprechender Zahlungen, wollte aber die genaue Summe nicht beziffern. Einen "kleinen Teil" davon habe man im vierten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres (Ende: 31. Mai 2001) verbucht; auch hier nannte Finn keinen genauen Betrag. Weitere Einnahmen sollten in regelmäßigen Abständen über die Laufzeit des Vertrags verbucht werden. Oracle erklärte, es sei üblich, einen Teil des Umsatz bereits bei Abschluss eines Vertrags zu verbuchen. Selbst wenn der Deal storniert würde, müssten aufgrund des kleinen Betrags die Bilanzen nicht revidiert werden, erklärte Finn. (tc)