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Sun verklagt Microsoft wegen Java

11.03.2002
In einer privaten Kartellklage fordert Sun von Microsoft mehr als eine Milliarde Dollar Schadenersatz. Außerdem sollen IE und Windows XP zwangsweise mit Java ausgestattet und verschiedene Microsoft-Produkte entkoppelt werden.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Dass Sun Microsystems an einer eigenen Kartellklage gegen Microsoft arbeitet, berichteten wir bereits vor einigen Wochen. Nun liegen die Fakten beziehungsweise die Klageschrift auf dem Tisch des US-Bezirksgerichts im kalifornischen San Jose. Der Vorwurf: Microsofts Geschäftsgebaren habe der Java-Plattform im besonderen und dem McNealy-Unternehmen im allgemeinen geschadet.

Zugegeben - die Klage kommt alles andere als überraschend. Spätestens als im "großen" Kartellverfahren von US-Regierung und 18 einzelnen Bundesstaaten gegen den Redmonder Konzern dessen Monopol auch in zweiter Instanz festgestellt wurde, rechneten Beobachter zumindest mit separaten Klagen von Netscape/AOL und Sun. AOL Time Warner hatte seine Klage bereits vor sechs Wochen eingereicht (Computerwoche.de berichtete), Sun zieht nun wie erwartet nach. Ein weiteres Verfahren ist außerdem nach einer Klage der inzwischen von Palm übernommenen Softwareschmiede Be anhängig (Computerwoche.de berichtete).

Dadurch dass Microsoft seine Kunden und Entwickler von Java abgeschnitten habe, seien Sun Schäden von mehr als eine Milliarde Dollar entstanden. "Wir glauben, dass der Absatz unserer Server und korrespondierender Software als Ergebnis von Microsofts wettbewerbsschädigendem Verhalten in Bezug auf Java und ihr Verhalten im Markt für Workgroup-Server in Mitleidenschaft gezogen wurde", erklärte Suns Generaljustiziar Mike Morris im Rahmen einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag.

Microsoft habe zunächst versucht, die Java-Plattform durch Veröffentlichung einer Flut von inkompatiblen Implementierungen zu unterminieren und anschließend Verteilungskanäle dadurch abgeschnitten, dass es sein neues Betriebssystem Windows XP gänzlich ohne Java ausgeliefert habe.

Im einzelnen wirft Sun Microsoft vor, es habe

illegale Monopole im Bereich Intel-kompatible PC-Betriebssysteme, Web Browser und Office-Bürosuiten betrieben oder aufrecht erhalten (Verstoß gegen Paragraph 1 des US-Kartellgesetzes "Sherman Act");

versucht, sich auch im Markt für Arbeitsgruppen-Server ein Monopol zu verschaffen (Verstoß gegen Paragraph 2 des Sherman Act);

illegal Browser und Windows-Betriebssystem, Desktop- und Server-Windows, Web-Server und Server-Windows sowie das .Net Framework und seine Betriebssystem miteinander gekoppelt (weitere Verstöße gegen Paragraph 1 Sherman Act), und

unabhängige Softwarefirmen sowie Apple und Intel genötigt, keine nicht-Microsoft-kompatible Implementierung der Java-Plattform zu vertreiben oder zu nutzen ncoh für eine solche zu entwickeln (ebenfalls Verstöße gegen Paragraph 1 Sherman Act).

Außerdem habe Microsoft gegen verschiedene Gesetze des Staates Kalifornien zum Urheberschutz, Handel und Wettbewerb verstoßen.

Microsoft-Sprecher Jim Desler erklärte dazu, es gebe "keinerlei juristische oder faktische Basis" für die Klage. Viele der erhobenen Vorwürfe bezögen sich auf den längst abgeschlossenen Rechtsstreit beider Unternehmen [um die Lizenzierung von Java, Anm. d. Red.] und es sei "Zeit, diese vergangenen Angelegenheiten hinter sich zu lassen". Millionen von Windows-Nutzern verwendeten tagtäglich die leicht zugängliche Java-Technik. Falls es dennoch an Akzeptanz seitens der Verbraucher mangele, dann durch Suns eigene Fehler und nicht durch Handlungen von Microsoft.

Vom Schadenersatz abgesehen fordert Sun auch eine einstweilige Verfügung, die Microsoft dazu zwingt, Windows XP zusammen mit dem von Sun entwickelten Java-Plugin (Computerwoche.de berichtete) auszuliefern, statt wie bisher seine eigene (veraltete) Virtuelle Maschine als separaten Download anzubieten. Einen Termin dafür habe man für April beantragt. Morris erklärte, eine Entscheidung in dieser Sache könnte sich aber bis zu einem Jahr lang hinziehen.

Des weiteren fordert Sun eine allgemeine Verfügung dahingehend, dass Microsoft bis dato proprietäre Schnittstellen, Protokolle und Formate offen legt und lizenziert sowie seinen Browser "Internet Explorer", seinen Webserver "Internet Information Server" (IIS) und seine Web-Services-Architektur ".Net Framework" von seinen Betriebssystemplattformen entkoppelt. Eine Entscheidung in diesem Bereich dürfte gegebenenfalls Jahre dauern. Das Bundling von .Net mit Windows bei gleichzeitiger Weigerung, Java im Betriebssystem zu unterstützen, bezeichnete Morris als "Grund echter Sorge für uns".

"Der Punkt beim .Net Framework ist, dass es dafür entworfen ist, die Funktionen von Java nachzuahmen. Das Framework ist aber nicht bloß kopiert, sondern viele seine Komponenten sind von der Technik anderer Anbieter abgeleitet. In Kombination mit dem Wegfall der Unterstützung für die Java Virtual Machine auf dem Desktop stellt dies einen signifikanten Wettbewerbsverstoß dar", erklärte Suns Generaljustiziar.

Analysten rechnen nun mit einem langwierigen Rechtsstreit. "Wir haben zwar mit privaten Kartellklagen gerechnet, aber wenn man so etwas lostritt dann ist das wie Krieg", erklärte beispielsweise Mike Gilpin von der Giga Information Group. "Wenn man dann am Ende zurückblickt, fragt es sich, ob man das nicht bedauert." Negative Auswirkungen auf den Java-Markt erwartet der Experte indes nicht, da Schwergewichte Bea, IBM und Oracle ebenso wie hunderte anderer Anbieter die Plattform unterstützten. Andere äußerten sich skeptischer. "Diese Verfahren dauern ewig. Warum lassen Sie das nicht den Markt regeln? Sie sehen das Geld doch sowieso nie", fragte etwa Bear-Stearns-Analyst Andrew Neff Suns Chefanwalt. "Die Verhandlungen werden nicht ewig dauern, und unser Geld bekommen wir", erwiderte Morris zuversichtlich.

Die vollständige Klageschrift von Sun finden Interessierte hier (PDF, ~7MB) ; den Antrag auf die einstweilige Verfügung hier (PDF, ~3MB).

Online-Kommentar: Juristischer Boomerang

Etwas eigenartig ist es schon, dass Sun nun gegen Microsoft zu Felde zieht, weil der Gates-Konzern sein neuestes Betriebssystem standardmäßig ohne Java ausliefert. Genau dies hatte Sun schließlich in einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen Oktober 1997 und Januar 2001 letztlich selbst erzwungen, als es Microsoft die Lizenz für aktuelle Java-Versionen entzog - rückblickend ein echter Pyrrhus-Sieg. Dass Microsoft nun auf eigene Techniken wie die (zweifellos bei Java abgeschaute Sprache) "C Sharp" setzt, kann man und erst recht Sun dem Unternehmen da nicht mehr vorwerfen. (tc)